Jugendschutz beim Streamingdienst Wie man Kinder vor Netflix schützt

Düsseldorf · Streamingdienste bieten auch Inhalte, die nicht jugendfrei sind. Sperren sind nicht immer wirksam. Was Eltern beachten sollten.

Netflix: Wie man Kinder vor nicht jugendfreien Inhalten schützt
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Vergewaltigung, Mobbing und Suizid - unzensiert dargestellt und potenziell auch für Minderjährige zugänglich. "Tote Mädchen lügen nicht", eine Eigenproduktion von Netflix, wirkt auf den ersten Blick wie eine typische Serie für Jugendliche. Sie spielt an einer Highschool in einer kleinen Stadt und stellt das Leben einer 17-Jährigen dar - und deren Weg in den Suizid. Nur ein Beispiel für Inhalte, die für Kinder nicht geeignet sind und negativen Einfluss auf ihre Entwicklung haben können. Und doch sind sie bei Netflix, Amazon und anderen Video-on-demand-Diensten leicht zu bekommen.

Den vollständigen Schutz vor Filmen, die nicht jugendfrei sind, gibt es nur, wenn Eltern die volle Kontrolle über die Mediennutzung ihrer Kinder haben. Wenn dies nicht der Fall ist, haben Jugendliche, die verbotene Filme schauen wollen, leichtes Spiel. Denn entsprechende Apps der Anbieter lassen sich ohne große Probleme auch von Minderjährigen herunterladen, das Anlegen der Accounts ist dann kein Problem.

Wie sind Kinder bei Netflix und Co. geschützt? Kaum. Denn mit einer - etwa in Tankstellen, Supermärkten oder Drogerien erhältlichen - Geschenkkarte vom jeweiligen Anbieter lässt sich ein eigener Account leicht erstellen. Dann kann der Jugendliche auch mögliche Pin-Sperren leicht aushebeln. Viele Anbieter haben solche Sperren zwar durchaus für Filme eingerichtet, die erst ab 16 oder 18 Jahren freigegeben sind. Doch wenn ein 15-Jähriger sich nun die Netflix-App runterlädt, eine Netflix-Guthabenkarte kauft und diese am Fernseher oder auf dem Handy freischaltet, spielt der Pin-Code keine Rolle mehr.

Dürfen Supermärkte den Kindern Guthabenkarten verkaufen? Das wird unterschiedlich gesehen. Aus Sicht der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ist die Abgabe von Guthabenkarten (beispielsweise von Netflix) an Minderjährige nicht erlaubt. Deshalb seien die Verkaufsstellen auch verpflichtet, das Alter der Käufer zu überprüfen. Ob die Händler das dann auch wirklich tun, ist eine zweite Frage.

Das Bundesjugendministerium sieht die Sache ohnehin anders. Es hält den Kauf von Guthabenkarten durch Jugendliche grundsätzlich für erlaubt, da solche kleinen Geschäfte durch den so genannten Taschengeld-Paragrafen (Info) gedeckt sind. Die Verantwortung für den Jugendschutz sieht das Ministerium an anderer Stelle: "Die Frage nach einem Kinder- und Jugendmedienschutz stellt sich grundsätzlich nicht beim Kauf der Karten, sondern erst beim Abruf von Inhalten auf Basis des erworbenen Guthabens", teilte der Sprecher des Ministeriums mit.

Welchen Schutz gibt es bei Amazon? Bei Amazon gibt es mehr Hürden. Hier muss der Kunde nach eigenen Angaben immerhin seine vielstellige Personalausweisnummer angeben, in der das Geburstdatum verborgen ist. Nur dann kann der Kunde ein Konto mit Zugriff auf Inhalte für Volljährige eröffnen. Minderjährige könnten zudem keinen Amazon-Prime-Account anlegen. Nur über einen solchen Account hat man auch Zugriff auf das komplette Video-Angebot von Amazon.

Kann man sehen, welche Filme für Kinder geeignet sind? Nur mit Mühe. Nicht einmal eine deutliche Kennzeichnung der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK), wie sie etwa auf DVD zu finden ist, gibt es. Wenn man einen Film oder eine Serie bei Netflix aufruft, dann erscheint auf dem Bildschirm die Altersempfehlung versteckt zwischen dem Erscheinungsjahr und der Nummer der Staffel. Bei "Tote Mädchen lügen nicht" sieht das etwa so aus: "2017 ¦ 16 ¦ Staffel 1". In diesem Fall hält Netflix die Serie also für Jugendliche ab 16 Jahren für geeignet. Ähnlich sieht es bei Amazon aus.

Was können Eltern tun? Eltern sollten so früh wie möglich mit ihren Kindern über das Thema Streaming sprechen und sie für die Gefahren des Angebotes sensibilisieren. Ein Verbot der Nutzung von Diensten wie Netflix erscheint wenig sinnvoll, da es zu viele Wege gibt, die Angebote auch ohne Zustimmung der Eltern abzurufen.

Laut Bundesjugendministerium sei es vielmehr ratsam, sich über die genauen Schutzmechanismen der Anbieter zu informieren und am besten einen Account auf seinen eigenen Namen anzulegen. Über diesen können Eltern dann gezielt geeignete Filme für ihre Kinder freigeben. So habe man die volle Kontrolle, was die Kinder sehen. Und nicht-jugendfreie Inhalte können Eltern mit einem Pin-Code für ihre Kinder sperren. Daneben bieten manche Anbieter auch spezielle Kinder-Accounts an, die man mit den Sprößlingen einrichten kann.

Können Minderjährige ein Abo abschließen? Die meisten Nutzer von Netflix und Co. haben ein Abo abgeschlossen. Minderjährige dürfen das ohne Einwilligung der Eltern allerdings nicht. Ein Vertrag gilt erst als rechtskräftig, wenn die Einwilligung der Eltern beim Anbieter vorliegt.

Gibt es Pläne, den Jugendschutz zu verschärfen? Eine Bund-Länder-Kommission hat Eckpunkte zur Novellierung des Jugendschutzgesetztes vereinbart. Aus dem Bundesjugendministerium heißt es, dass einheitliche Regelungen zur Alterskennzeichnung von Filmen - egal über welchen Verbreitungsweg - benötigt werden. "Das deutsche Recht ermöglicht dies noch nicht zufriedenstellend", sagte ein Sprecher des Ministeriums. In diesem Jahr wird das Ergebnis eines Monitoringprojekts erwartet, das sich mit der Einhaltung von Jugendschutzmaßnahemn durch die Anbieter beschäftigt.

(RP)
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