Hintergrund 22 Alltagssünden - und welche Strafen drohen
Die Rechtsexperten Maik Heitmann und Wolfgang Büser haben für RP Online Alltagssünden zusammen gestellt und erläutert, wie die vermeintlichen Kavaliersdelikte bestraft werden.
"Mitgehenlassen" von Handtüchern aus Hotels: Aus der Kneipe wird ein Aschenbecher/ein Bierglas mitgenommen, aus dem Hotel ein Handtuch. – Natürlich Diebstahl, der – nach einer Anzeige - mit 10 bis 30 Tagessätzen belegt werden kann.
Versicherungsbetrug (Haftpflichtversicherung):Schweres Delikt, bei dem es die Versicherer in der Regel nicht dabei belassen, ihre Leistung zu verweigern, und Anzeige wegen Betrugs erstatten. – Hierzu ein Urteil: Drängt sich der Verdacht auf, dass ein Autobesitzer versucht, durch einen fingierten Unfall einen bereits vorhandenen Schaden an seinem Auto zu finanzieren, so muss die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers nicht leisten. Vor dem Landgericht München I sprach für eine Täuschung, dass sich die "Gegner" bereits kannten, der Unfall mit Fußgängertempo passierte und, dass das zweite Auto gemietet und vollkaskoversichert war. (AZ: 19 O 18675/01)
Umkleben von Preisschildern im Supermarkt:Beim Obstwiegen im Supermarkt wird ein Apfel in dem Beutel "hochgehalten“. – Das ist Betrug – wenn auch schwer nachweisbar, wenn nicht gerade der Hausdetektiv "hingesehen“ hat. Wer aufhält, kann mit 20 bis 30 Tagessätzen zur Kasse gebeten werden. Entsprechendes gilt, wenn Preisschilder umgeklebt wurden.
Pinkeln in der Öffentlichkeit (zum Beispiel an einer Hauswand):Die Bußgelder für das "Wildpinkeln“ schwanken bundesweit. Je nach kommunaler oder städtischer Verordnung zu diesem Thema gibt es Bußgelder in Höhe von 20 bis zu 500 Euro – je nach Schwere des Delikts. Eventuell kann ein Schadenersatzanspruch des Hauseigentümer anstehen, dessen Gebäude „angepinkelt“ wurde. Hierzu ein Urteil: Auch wenn ein Autofahrer angibt, deswegen 82 km/h in einer "50er-Zone" gefahren zu sein, weil er dringend auf die Toilette musste, kann er sich nicht gegen das Fahrverbot (hier: 1 Monat) und eine Geldbuße (hier: 160 €) wehren. Sei Argument, er hätte nicht in den Wald gehen können, weil er dann ein Bußgeld-Verfahren wegen "Wildpinkelns" riskiert hätte, zog vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten nicht. Eine Notdurft rechtfertige keine Raserei. (AmG Berlin-Tiergarten, 321 OWi 514/10)
Schwarzfahren in Bus oder Bahn:Es handelt sich um ein „Erschleichen von Leistungen“. Bei der ersten Anzeige wird ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ kassiert – und damit hat es sich. Das beträgt aktuell 40 Euro; vom 01. Juli 2015 an werden dann 60 Euro fällig. Bei Anzeige weiterer Fälle können 20 bis 30 Tagessätze fällig werden, bei Betrug (etwa: gefälschte Wertmarken) auch mehr. Besonders Hartnäckige sitzen dann auch mal ein. Es kann eine Besonderheit bei Minderjährigen geben, wie folgendes Urteil aus Bonn zeigt: Das Amtsgericht in der ehemaligen Bundeshauptstadt hat bestätigt, dass minderjährige "Schwarzfahrer" (hier ein Mädchen) keine "Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts" schulden, wenn mit ihnen kein "wirksamer Beförderungsvertrag zustande gekommen" ist. Bei Minderjährigen liegt keine - Schwarzfahren abdeckende - Einwilligung der Eltern vor, wenn diese lediglich "in den Erwerb eines Monatstickets und damit prinzipiell in die Nutzung der Dienstleistungen eingewilligt haben". (AZ: 4 C 486/08)
Hundekot nicht entfernen:Früher gab es ein Verwarnungsgeld in Höhe von etwa 35 Euro. Mittlerweile haben die Kommunen angezogen und verhängen hohe Bußgelder, wenn Mitarbeiter des Ordnungsamtes Frauchen oder Herrchen mit ihrem Liebling „in flagranti“ erwischen. Ein Beispiel aus einer Stadt im Ruhrgebiet: 125 Euro Bußgeld plus Gebühren.
Aus dem Glücksbrunnen Geld herausholen:An sich nicht strafbar, da die Einwerfer das Eigentum an den Münzen „aufgegeben“ haben, die damit „herrenlos“ sind. Sie liegen allerdings auf irgendjemandes Territorium, der dadurch Eigentum an den Geldstücken erworben haben könnte. Das könnte die Zahlung einer kleinen Geldstrafe zur Folge haben.
Im Theater oder Kino auf einen teureren Platz setzen:Es handelt sich zunächst nicht um einen Straftatbestand. Fällt es auf, weil der rechtmäßige Mieter des Platzes erscheint, wird der unaufmerksame/“clevere“ Besucher seinen Platz genauso räumen wie bei der Aufforderung durch einen Platzanweiser. Falls nicht: Hausfriedensbruch – dem notfalls die Polizei ein Ende setzt.
Gefälschte Markenartikel im Ausland kaufen:Es ist Sache der Hersteller, seine Waren zu schützen. Der Käufer macht sie weder nach, noch verstößt er gegen ein - diesen Tatbestand unter Strafe stellendes – Gesetz, wenn er eine gefälschte Rolex oder Lacoste-Hemden kauft. Das Problem beginnt erst bei der Einfuhr. Der Zoll könnte den Wert der Originalware einem Einfuhrzoll in Höhe des Originalwertes zugrunde legen. Der Zöllner rechnet dann also nicht mit den 200 Euro, die für das Plagiat bezahlt wurden, sondern mit den xtausend Euro, die für das Original fällig geworden wären. Es besteht zudem die Gefahr, dass das gute Stück einkassiert wird – „unbezahlt“...
Kugelschreiber aus dem Büro mitnehmen:Eigentlich handelt es sich um Diebstahl. Aber: Wertvolle Kugelschreiber wird der Arbeitgeber kaum an seine Mitarbeiter verteilen. Die üblichen mit oder ohne Firmenaufdruck sind eh als Streuartikel gedacht und meist „Muster ohne Wert“. Sonstiger Diebstahl im Betrieb kann zu einer fristlosen Entlassung führen. Hierzu ein Urteil: Das Landesarbeitsgericht Hamm hat entschieden, dass auch eine 38jährige Betriebszugehörigkeit nicht vor einer fristlosen Kündigung schützt. Das gelte jedenfalls dann, wenn es sich um einen Diebstahl handelt, der nicht mehr als Lappalie angesehen werden kann. Im konkreten Fall traf der Arbeitgeber seinen Forstwirt dabei an, als er aus dem Wald eine komplette Pkw-Anhänger-Ladung mit Kaminholz abtransportieren wollte, welches er zuvor mit einer Motorsäge "geschlagen" hatte. Auf die Frage des Arbeitgebers, ob er dafür einen „Holzleseschein“ hatte, antwortete er wahrheitswidrig mit „Ja“. Die Lüge des Arbeitnehmers flog auf – und er kassierte die fristlose Kündigung. Zu recht, wie das Gericht meint. Das gelte auch dann, wenn ihm die Privatnutzung nicht ausdrücklich untersagt worden war. Auch eine Abmahnung sei bei einem solch schweren Vergehen nicht erforderlich gewesen. (LAG Hamm, 10 Sa 1788/10)
Im Freibad über den Zaun klettern:Das ist Hausfriedensbruch und „Erschleichen von Leistungen“. Bei Ersttätern wird eine Geldstrafe mit 10 bis 20 Tagessätzen fällig – oft wird das Verfahren auch gegen Auflage eingestellt (etwa eine Zahlung an das Rote Kreuz).
Das Finanzamt bei der Kilometerabrechnung beschummeln:Ganz abgesehen davon, dass die Finanzämter längst über „Routenplaner“ verfügen und die angegebene Strecke damit „abfahren“ können: Es handelt sich um Steuerhinterziehung, die – streng genommen – eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe zur Folge haben kann. Hier aber bleibt es bei der Geldstrafe in Höhe von 20 bis 30 „Tagessätzen“.
Gefundenes Geld behalten:Es handelt sich um Fundunterschlagung. Je nach Wert (sind es weniger als 10 Euro, gibt es im Regelfall wohl keine Strafe), wird eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren fällig.
Kleidung aus der Altkleidersammlung mitnehmen:Da es sich um eine „zweckbestimmte Entsorgung“ handelt, machen sich die ungebetenen Sammler als Diebe strafbar – Geldstrafen bis zu 20 Tagessätzen können fällig werden. Beim Thema Sperrmüll sind sich die Fachleute uneinig. Während die Stadtverwaltungen (und auch die Polizei) überwiegend der Meinung sind, dass angemeldeter Sperrmüll von dem Zeitpunkt an dem Abholer gehört, zu dem er am Straßenrand steht, sehen das Juristen anders: Sie vertreten die Auffassung, dass ursprüngliche Inhaber durch das Herausstellen der Sachen sein Eigentum aufgebe und die Dinge „herrenlos“ werden. Jemand anderes könne sich die Dinge dann aneignen und neuer Besitzer werden.
Musik-CDs brennen:Private Kopien bleiben erlaubt. Von einer gekauften CD dürfen also Kopien erstellt und an Freunde oder Verwandte verteilt werden. Das Bundesjustizministerium gibt dabei an, dass es bei einer „einstelligen“ Zahlt bleiben müsse - darüber hinaus werde gewerbsmäßig. Aber Achtung: nicht erlaubt ist die Umgehung eines auf der CD befindlichen Kopierschutzes durch ein spezielles Kopierprogramm. Dann sind in der Regel (bei Ersttätern) eine Geldstrafe und private Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche der Industrie fällig.
Nachbarn das Laub in den Garten fegen:Zivilrechtlich besteht ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, bei einem Verstoß gegen eine gerichtliche Entscheidung setzt es ein Ordnungsgeld – abhängig von der Einschätzung des Richters. – Hierzu ein Urteil: Ragen Zweige von Bäumen eines Hausbesitzers auf das Grundstück des Nachbarn und werden durch Laub-, Blüten-, Zapfen- oder Nadelbefall Grund, Dach oder Gartenteich so stark verschmutzt, dass das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis gestört wird, so muss – wenn die Bäume nach Landesrecht nicht mehr zurück geschnitten werden müssen – gegebenenfalls eine Entschädigung (beispielsweise für erhöhten Reinigungsaufwand) gezahlt werden. (Bundesgerichtshof, V ZR 102/03)
Etwas kaputt machen und dies nicht melden:Wenn das nicht vorsätzlich geschehen ist - kein Delikt. Fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht strafbar, allerdings schadenersatzpflichtig. Vielfach wird es jedoch unmöglich sein, den Eigentümer auszumachen, und wegen geringer Sachschäden können zeitraubende Nachforschungen nicht verlangt werden. ABER! Strengste Sorgfalt bei Beschädigungen mit einem Kraftfahrzeug an anderen Kraftfahrzeugen (Parkplatz) oder Sachen (Gartenzaun). Dabei verlangt das Gesetz Wartezeiten und Meldepflichten; der Zettel hinter der Windschutzscheibe schützt vor empfindlicher Strafe nicht. Auch hier gibt es Tagessätze. In der Regel werden bis zu 90 (also maximal 3 Monatsgehälter) fällig und ein Fahrverbot: üblicherweise drei Monate.
Mit dem Fahrrad auf dem Bürgersteig fahren:Es werden fällig: 15 Euro, bei Behinderung 20 Euro, bei Gefährdung anderer 25 Euro. Hierzu ein Urteil: Befährt ein Radfahrer verbotenerweise einen Bürgersteig, so haftet er allein für einen Unfall, der dadurch passiert, dass er mit einem Fußgänger zusammenstößt und diesen verletzt. Dies auch dann, wenn dieser Fußgänger unmittelbar zuvor bereits von einem Radler - berührungsfrei - überholt worden war, sich aber nicht nach einem weiteren Radfahrer umgesehen hatte, der dann mit ihm zusammenstieß. Dieser weitere Zweiradler hätte beachten müssen, dass der "Rückblick" des Fußgängers unterblieben war - und deshalb sein Tempo entsprechend einrichten müssen. (Hier hatte der Radfahrer nicht einmal geklingelt, und wurde - vermutlich auch deshalb - zur vollen Kostenübernahme verurteilt.) (OLG München, 10 U 2020/13)
Kaminholz aus dem Wald holen:Das ist Diebstahl, wenn dafür keine Erlaubnis eingeholt wurde. Es kann ein „Holzsammelschein“ erworben werden: gegen Entgelt bei der zuständigen Forstbehörde, die auch darüber informiert, inwieweit gegebenenfalls Naturschutzregelungen beachtet werden müssen.
Schülerausweis fälschen / älter machen!Strafrechtlich eine Urkundenfälschung. Je nach Benutzung droht eine Bestrafung nach Jugendstrafrecht, bei „Ersttätern“ bleibt es aber in der Regel bei einer Ermahnung oder ein paar Sozialstunden.
Beim Nachbarn die Zeitung klauen:Natürlich Diebstahl. Kommt es zur Anzeige, können bis 30 Tagessätze fällig werden (je nach „Intensität“, mit der der Dieb dem Nachbarn ein „Schnippchen geschlagen“ hat.) Meistens regeln sich solche Fälle aber bereits vor einem Schiedsmann/-gericht.
So werden Geldstrafen übrigens berechnet: Verhängt ein Gericht eine Geldstrafe, so wird zunächst die Anzahl so genannter Tagessätze bestimmt. Möglich ist der Ansatz von mindestens fünf bis maximal 360 Tagen. Das heißt. Für jeden dieser Tage hat der Verurteilte einen festen Betrag (eben den Tagessatz) zu zahlen. Das Minimum beträgt 1 Euro, das Maximum 5000 Euro pro Tag. Ein Tagessatz errechnet sich aus dem Nettoeinkommen pro Monat – geteilt durch 30. Beispiel: Wer 1500 Euro netto verdient, der muss mit einem Tagessatz von (1500: 30 =) 50 Euro rechnen. Die höchstmögliche Geldstrafe beläuft sich auf (5000 x 360 =) 1,8 Millionen Euro.