Lebensmittelabfälle in Deutschland 21,6 Milliarden Euro landen im Müll

Düsseldorf · Die Zahlen haben Erschrecken ausgelöst: Nach einer aktuellen Studie der Universität Stuttgart werden in Deutschland jährlich knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel als Abfall entsorgt. Der Großteil dieser Abfälle entsteht in Privathaushalten. Im Schnitt wirft jeder Bundesbürger pro Jahr 81,6 Kilogramm Lebensmittel weg. Dabei wären 65 Prozent dieser Abfälle vermeidbar.

Die schlimmsten Lebensmittelskandale
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Foto: Ewa Studio/ Shutterstock.com

In Deutschland landen jährlich Lebensmittel im Wert von 21,6 Milliarden Euro auf dem Müll. Was sind die Ursachen dieser Fehlentwicklung? Wie ist diese Ressourcenverschwendung zu stoppen?

Das Wort Lebensmittel war einmal ein Wertbegriff. Es hatte für die Menschen Jahrhunderte lang existenzielle Bedeutung. Erst in unserer Überfluss- und Wegwerfgesellschaft ist die Wertschätzung für Lebensmittel bei vielen verloren gegangen. Es ist Zeit für einen Bewusstseinswandel. Das Bundesverbraucherministerium unter Leitung der CSU-Politikerin Ilse Aigner hat sich das Thema auf die Fahne geschrieben. In einer groß angelegten Aufklärungskampagne unter dem Motto "Zu gut für die Tonne" soll jetzt in der Bevölkerung ein Wandel im Umgang mit Lebensmitteln eingeleitet werden. Auch die Europäische Kommission in Brüssel hat Anfang des Jahres das Ziel ausgegeben, die Menge der unnötig weggeworfenen Lebensmittel bis 2020 europaweit um 50 Prozent zu verringern.

Mindesthaltbarkeit — ein Missverstädnis
Die vor 30 Jahren eingeführte Kennzeichnungspflicht verderblicher Lebensmittel mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) war vom Gesetzgeber gut gemeint. In der Praxis hat sie hierzulande allerdings dazu geführt, dass "abgelaufene Ware" aus Unkenntnis der Verbraucher bis auf den heutigen Tag tonnenweise im Müll landet. Anders als häufig gedacht, ist das MHD kein Wegwerfdatum. Es wird vom Hersteller festgelegt und gibt an, bis zu welchem Datum das Lebensmittel bei richtiger Handhabung und Lagerung seine spezifischen Produkteigenschaften behält. Das heißt konkret: Lebensmittel können im Regelfall auch über dieses Datum hinaus gegessen und getrunken werden. In das MHD erreicht oder überschritten, sollte sich der Verbraucher auf seine eigenen Sinne verlassen.

Die besten Kontrolleure sind Augen, Nase und Zunge! Erst wenn deutliche Veränderungen in Farbe, Konsistenz, Geruch oder Geschmack feststellbar sind, sollte man die Finger davon lassen. Das gilt besonders bei bereits geöffneten Verpackungen. An diese Lebensmittel gelangen womöglich Sauerstoff, Feuchtigkeit, Wärme oder Mikroorganismen. In vielen europäischen Ländern wird als MHD die englische Formulierung "best before ……." verwendet. Das sagt besser, was gemeint ist.

Verbrauchsdatum — klare Botschaft
Nicht zu verwechseln mit dem Misthaltbarkeitsdatum ist das Verbrauchsdatum (VD). Es gibt den Zeitpunkt an, bis zu dem ein Lebensmittel verbraucht sein sollte und ist zum Beispiel vorgeschrieben bei Hackfleisch und frischem Geflügel. Bei diesen Lebensmitteln besteht die Gefahr, dass sich bei längerer und unsachgemäßer Lagerung gesundheitsschädliche Keime bilden. Verbrauchsdatum beachten und im Zweifelsfall nicht mehr verzehren, lautet hier die Devise.

Tipps für den Alltag
Regelmäßig stöhnen viele Verbraucher über steigende Lebensmittelpreise. Da ist viel Wahres dran. Aber die ganze Wahrheit ist es nicht. Gemessen am Haushaltseinkommen sind die Ausgaben für Lebensmittel für die meisten Familien in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. So gesehen sind Lebensmittel billiger geworden. Das Gejammer über die hohen Ausgaben liegt häufig daran, dass Verbraucher zu viel und zu planlos einkaufen und anschließend die in ihren Augen teuren Lebensmittel zum Teil wegwerfen. Dabei gibt es einige einfache Regeln, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Es sind Ratschläge, die an Omas Zeiten erinnern.

1. Mehrfach in der Woche einkaufen
Der berühmte Großeinkauf beim Discounter einmal in der Woche hat seine Tücken. Der Einkaufswagen wird voll gepackt. Es soll sich lohnen, wird gesagt. Doch viele Verbraucher verschätzen sich regelmäßig bei Einkaufsmenge und Verbrauch. Und am Ende landet manches im Müll. Unterm Strich hat sich der Großeinkauf nicht gelohnt. Wer dagegen mehrmals in der Woche den Supermarkt frequentiert und jeweils nur den Bedarf für zwei, drei Tage kauft, vermeidet Verschwendung.

2. Großpackungen meiden
Der Trend zu preisgünstigen Großpackungen ist ungebrochen in Teilen des Lebensmitteleinzelhandels. Kartoffeln, Zwiebeln, Orangen in Netzen, Tomaten, Äpfel, Zitronen in Cellophanpackungen, Yoghurt, Pudding, Energiedrinks in Vierer- oder Sechserpacks. Doch der vermeintliche Preisvorteil erweist sich oft als Trugschluss, weil der Verzehr hinterherhinkt. Unverpackte Ware oder Einzelpackungen sind per Saldo fast immer die günstigere Wahl. Regionale Produkte besitzen darüber hinaus den Vorteil, dass sie auf kurzen Wegen zum Verbraucher gelangen.

3. Leckeres aus Resten
Dass heutzutage in vielen Haushalten nicht mehr regelmäßig selbst gekocht wird, halten Beobachter für einen wichtigen Grund der Lebensmittelvergeudung. Früher war in den Familien das wöchentliche Restessen gang und gäbe. Es wäre bei den heutigen Aufbewahrungsmöglichkeiten ein Leichtes, aus dem Überbleibseln der Vortage noch etwas Leckeres auf den Tisch zu zaubern.

Vieles muss besser werden in der Wertschöpfungskette
Bei der Diskussion um vermeidbare Lebensmittelabfälle wird mit Vorliebe auf den Endverbraucher gezeigt. Beteiligt an der Fehlentwicklung sind aber alle Glieder der Wertschöpfungskette: die landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, die verarbeitende Industrie, der Groß- und Einzelhandel, Großverbraucher (Gastronomie, Kantinen) und Haushalte. Die Statistik auf diesem Gebiet steckt noch in den Kinderschuhen. Die vom Bundesverbraucherministerium in Auftrag gegebene Studie der Universität Stuttgart nennt für Deutschland einen mittleren Wert von 10,97 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen im Jahr mit einem Wert von 21,6 Milliarden Euro. Als Ursache für die Entstehung der Lebensmittelabfälle werden in der Studie folgende Punkte aufgeführt:

Erzeuger und verarbeitende Industrie (Anteil 17 %). Überproduktion, Fehlplanung, technische Störungen, Retouren
Groß- und Einzelhandel (Anteil 5 %). Qualitätsmängel, Ablaufdatum, Fehldispositionen, Beschädigungen, Markteinflüsse
Großverbraucher (Anteil 17 %), Fehlkalkulation, Transportschäden, Hygiene- und Sicherheitsvorschriften
Haushalte (Anteil 61 %). Gesellschaftlicher Hintergrund. Individuelle Gründe

(chk)
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