Nichtveranlagungsbescheinigung Abschied vom Finanzamt

Düsseldorf · Mehr als sechs Millionen Erwerbstätige in Deutschland müssen keine Lohnsteuer zahlen. Das Finanzamt hat ihnen aufgrund ihrer geringen Einkünfte eine Steuer befreiende Nichtveranlagungsbescheinigung ausgestellt. Zu beneiden sind sie deshalb nicht, die Minijobber und Niedriglöhner, die Leiharbeiter, Aufstocker und Praktikanten.

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Foto: gms

Ihr Einkommen liegt nämlich unterhalb des offiziellen Existenzminimums. Paradoxer Weise begünstigt die NV-Bescheinigung aber auch Besserverdiener. Mit dem Freibrief vom Finanzamt kann zum Beispiel die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge völlig legal umgangen werden. Wie das?

Tschüss, Finanzamt

Grundsätzlich können alle Personen, die voraussichtlich nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden, eine NV-Bescheinigung beim Finanzamt beantragen. Steuerfrei sind jährliche Einkünfte, die den Grundfreibetrag von 8004 Euro für Ledige und 16.008 Euro für Verheiratete bei gemeinsamer Veranlagung nicht überschreiten.

Bemessungsgrundlage ist das Einkommen nach Abzug von Freibeträgen und Kosten. Aber nicht alle kommen auf den Trichter. Ein typischer Fall sind Rentner-Ehepaare, die neben ihren (geringen) Altersbezügen auch Kapitalerträge haben, ohne dass der Rahmen des Grundfreibetrages insgesamt überschritten wird. Sie haben ihr Erspartes bei einer Bank angelegt. Sind Zinsen und Dividenden höher als der Sparerfreibetrag (801/1602 Euro), muss das Kreditinstitut automatisch die darauf entfallende Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent plus Soli und evtl. Kirchensteuer abführen.

Erst durch eine Einkommensteuererklärung kann sich das Rentner-Ehepaar mit erheblicher Zeitverzögerung die zu viel gezahlte Abschlagsteuer vom Finanzamt zurückholen. Wird eine NV-Bescheinigung eingereicht, ist die Bank außen vor. Kapitalerträge werden dem Konto brutto für netto gutgeschrieben. Auch der Freistellungsauftrag hat sich erledigt.

Kinder als Steuersparmodell

Aufregender sind die Fälle, bei denen Kinder und Jugendliche Einkünfte haben und eine eigene Einkommensteuererklärung abgeben können. Das gibt's. Auch für sie gilt nämlich überraschender Weise der volle steuerliche Grundfreibetrag von 8004 Euro jährlich. Für vermögende Eltern oder Großeltern ist das eine Einladung, diese gesetzliche Möglichkeit für eigene Steuervorteile zu nutzen. Kindern und Enkeln werden bereits in jungen Jahren ansehnliche Vermögenswerte übertragen, zum Beispiel für die spätere Ausbildung.

Es muss sich allerdings um offizielle Schenkungen handeln, nicht um Schein-Transaktionen. Eine NV-Bescheinigung erteilt das Finanzamt nur, wenn dem Kind das Vermögen verbindlich gehört. Ist das Kind noch minderjährig, dürfen die Eltern das Geld zwar verwalten, aber nicht für eigene Zwecke verwenden. Welche Größenordnungen dieses "Steuersparmodell" erreichen kann, zeigt folgendes Maximalbeispiel.

Ein Kind, das sonst keine Einkünfte hat, kann derzeit jährlich Kapitalerträge bis zu 8841 Euro steuerfrei "verkraften" (8004 Euro Grundfreibetrag + 801 Euro Sparerfreibetrag + 36 Euro Sonderausgabenpauschbetrag). Dafür können 294.700 Euro zum Zinssatz von drei Prozent steuerfrei angelegt werden. Mit Existenzminimum hat das nichts mehr zu tun. Im Übrigen kann jeder Elternteil seinem Kind alle zehn Jahre 400.000 Euro steuerfrei übertragen, Großeltern ihren Enkeln jeweils 200.000 Euro und ihren Urenkeln jeweils 100.000 Euro.

NV-Bescheinigung

Die NV-Bescheinigung ist beim zuständigen Finanzamt zu beantragen. Das zweiseitige Formular ist auch im Internet (www.formulare-bfinv.de) in der Rubrik "Formularsuche" als PDF-Datei verfügbar. In den Zeilen 31 bis 49 sind Angaben zu den voraussichtlich zu erwartenden Einkünften zu machen. Das reicht von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sowie Vermietung/Verpachtung über Kapitalerträge bis zu Renten.

Für Rentner besonders relevant sind die Zeilen 42 (Sonstige Einkünfte) und 43 (Rentenbeginn). Unter "Sonstige Einkünfte" sind Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus landwirtschaftlichen Alterskassen und berufsständischen Versorgungseinrichtungen einzutragen. Die Angabe zum "Beginn der Rente" ist wichtig für die Berechnung des steuerfreien Anteils. Die Zeilen 39 und 40 sind für "Einkünfte aus Kapitalvermögen" vorgesehen, wobei der Sparer-Pauschbetrag automatisch vom Finanzamt berücksichtigt wird.

Im Anschluss an Zeile 49 folgt "Weitere Angaben". Hier soll der Antragsteller seine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung eintragen, die das Finanzamt als Sonderausgaben von den Einkünften abzieht. Das gilt auch für außergewöhnliche Belastungen aufgrund von Krankheit oder Behinderung. Werden mehrere Bescheinigungen benötigt (für verschiedene Banken zum Beispiel), ist dies in Zeile 22 zu vermerken.

Schummeln bringt nichts

Die NV-Bescheinigung bedeutet keine Steuerbefreiung auf Dauer. Sie gilt in der Regel für drei Jahre und muss danach erneut beantragt werden. Ändert sich die steuerliche Situation, wachsen zum Beispiel die Einkünfte über den Grundfreibetrag hinaus, muss der Antragsteller die NV-Bescheinigung zurückgeben und fortan wieder eine Einkommensteuererklärung einreichen. Schummeln lohnt sich nicht in unserer vernetzten Behördenwelt.

Die Banken müssen auch die steuerfrei ausgezahlten Kapitalerträge an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bonn melden. Das BZSt wiederum informiert nicht nur das Finanzamt über die Höhe der Kapitalerträge. Auch andere Behörden wie das Sozialamt, das Bafög-Amt, die Wohngeldstelle, die Elternkasse und die gesetzliche Krankenkasse erfahren davon. Dem Antragsteller bleibt die Aufgabe, seine NV-Bescheinigung umgehend an die Banken weiterzuleiten. bei denen seine Kapitalerträge auflaufen. Nur dann gibt's mehr Netto vom Brutto

(sgo/chk)
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