Lachende Erben 2,6 Billionen Hinterlassenschaften bis 2020
Düsseldorf (RPO). Es gibt Zahlen, die sind schier unfassbar. Wie schreibt sich 2,6 Billionen Euro? Eine Zwei, eine Sechs und elf Nullen: 2.600.000.000.000. Diese gigantische Summe nennt eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge. Sie beziffert die Vermögenswerte, die innerhalb der nächsten zehn Jahre in Deutschland vererbt werden.
Es sind 27 Prozent der rund 9,4 Billionen Euro umfassenden Vermögenswerte aller privaten Haushalte. Der Erbengeneration des deutschen Wirtschaftswunders fällt bis 2020 eine Hinterlassenschaft von 2.600 Milliarden Euro in den Schoß. Woher stammt dieser Geldregen? Und wohin fließt er?
Verursacher des gewaltigen Vermögenstransfers ist "die einkommenstärkste und vermögendste Erbengeneration, die Deutschland je gesehen hat", so Dr. Rainer Braun, der Autor der Studie. Es sind die heute über 70-Jährigen, 12,4 Millionen an der Zahl, die nach dem 2. Weltkrieg im westlichen Teil des geteilten Deutschland das Wirtschaftswunder vollbrachten.
Millionen Häuslebauer, erfolgreiche Mittelständler, Facharbeiter und Lehrer, Anwälte und Angestellte, Ärzte und Handelsvertreter. Jenseits der Elbe dagegen verhinderten Bodenreform und Enteignung, Kollektivierung und Zwangswirtschaft eine vergleichbare private Vermögensbildung.
Im Durchschnitt 305.000 Euro
Die Erblasser werden in voraussichtlich 5,7 Millionen Erbfällen insgesamt 2,6 Billionen Euro übertragen. Zur Einordnung dieser Zahl helfen vielleicht folgende Vergleiche: Sie ist achteinhalb Mal so groß wie der Bundeshaushalt 2012 (306 Milliarden), zwanzig Mal größer als der Jahresumsatz 2010 des VW-Konzers (126,9 Milliarden) und das Fünfzigfache der Bilanzsumme 2010 der Bayer AG (51,5 Milliarden).
Jeweils rund die Hälfte der Erbschaften entfallen auf Immobilien (47 Prozent) und Geldvermögen (43 Prozent), zehn Prozent auf Sachwerte. Im Durchschnitt wird die Hinterlassenschaft pro Erblasser stolze 305.000 Euro betragen, pro Erben kommen rund 153.000 Euro heraus. Aber wie in vielen anderen Fällen sind Durchschnittszahlen auch hier trügerisch. Die große Mehrheit der Erben bekommt wenig, wenige erhalten viel. Das einkommenstärkste Drittel aller Erben empfängt erheblich mehr als die Masse, die selbst nur über ein Einkommen zwischen 2000 und 4000 Euro verfügt.
Noch schlechter sieht es für Geringverdiener aus, die fast leer ausgehen werden. Diejenigen, die selbst schon viel haben, erben auch am meisten. Die Bedürftigen aber, die dringend auf eine Verbesserung ihrer Altersvorsorge angewiesen wären, erben am wenigsten.
Anteil der Erbfälle
0 Euro = 9 %
0 — 25.000 Euro = 28 %
25.000 — 50.000 Euro = 10 %
50.000 — 75.000 Euro = 6 %
75.000 — 100.000 Euro = 5 %
100.000 — 150.000 Euro = 8 %
150.000 — 250.000 Euro = 33 %
> 250.000 Euro = 0,2 %
Ost-West-Unterschiede
Das A und O für die Höhe der Hinterlassenschaft sind Immobilien. Wer heute ein Haus oder eine Eigentumswohnung erbt, ist aufgrund der Wertentwicklung der letzten Jahrzehnte fein raus, zumal Immobilienbesitzer auch ansonsten mehr "auf der Kante" haben. Als Folge der deutschen Teilung fallen die vererbten Vermögen der ostdeutschen Haushalte deutlich geringer aus als im früheren Bundesgebiet. Dies gilt insbesondere beim Immobilienvermögen.
Im Osten werden nur in gut einem Viertel der Erbfälle auch Immobilien hinterlassen, im Westen dagegen in mehr als der Hälfte. Hinzu kommt, dass die Verkehrswerte der vererbten Immobilien aufgrund der Bausubstanz in den neuen Bundesländern erheblich niedriger sind als im Westen. Beim Geldvermögen sind die Unterschiede geringer.
Sicherheitspuffer
Wohin fließen die Abermillionen, die in den nächsten zehn Jahren wie ein warmer Regen auf die jetzige Erbengeneration herabkommen? 55 Prozent der aktuell Befragten wollen die Erbschaft gar nicht anrühren. Fast genauso viele werden sie jedoch nutzen, um eigene Wünsche zu verwirklichen oder ihre Altersversorgung zu verbessern.
Ein Teil der Hinterlassenschaft soll für größere Anschaffungen in den Konsum fließen, ein anderer Teil soll als Sicherheitspuffer dienen, auch für die eigene Altersversorgung soll ein Betrag abgezweigt werden. Die Entscheidung wird wesentlich von der Höhe der Erbschaft bestimmt. Wem 500.000 Euro in den Schoß fallen, kann sich trefflich Gedanken machen über alternative Anlagemöglichkeiten. Bei 15.000 Euro ist das Ende der Fahnenstange schnell erreicht.
Erbschaftsvolumen schrumpft
Auch bei den Erbschaften wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Der für die nächsten zehn Jahre prognostizierte Boom wird nicht von Dauer sein. Die Erblasser werden immer älter. Sie werden länger am Konsumgeschehen teilnehmen und darüber hinaus im hohen Alter Anteile ihres Vermögens für Krankheitskosten und Pflegeleistungen aufwenden. Das geht zu Lasten der Hinterlassenschaften. Gleichzeitig verfügen die künftigen Erben auf Grund längerer Erwerbstätigkeit selbst über ein größeres eigenes Vermögen. Für die Altersversorgung werden die Erbschaften an Bedeutung verlieren.
Ein Kapitel, das in Statistiken und Prognosen nicht angesprochen wird, soll auch hier außen vor bleiben: Die Familienstreitigkeiten, die bei Erbschaften regelmäßig ausbrechen. Ob es um Millionen geht oder um Kleinkram, an der Hinterlassenschaft entzünden sich die Gemüter. Das ist menschlich, allzu menschlich, wie schon ein französisches Sprichwort verrät:
Wenn der Baum gefallen ist, läuft jeder hin, um Holz zu holen.