Tausendsassa Wermut: Zwischen Wahnsinn und Würze

Bonn (rpo). Als Zutat in Absinth ist Wermut berüchtigt, dabei ist er aus botanischer Sicht ein echter Tausendsassa. Denn mit seinem grazilen Laub ist er eine Zierde für jeden Garten. Bekannt ist er außerdem unter dem Namen Beifuß, der sogar auf Schutthalten wächst. Und als Heilkraut kann er dazu wertvolle Dienste leisten.

Heilkraut und berüchtigter Schnaps, Feinschmeckergewürz und Zauberpflanze, wucherndes Unkraut und edle Gartengestalt - mit seinen ätherischen Ölen und Aromen ist der Wermut eine schillernde Persönlichkeit. Berühmt wurde die Pflanze durch den so genannten Echten Wermut (Artemisia absinthium). Er liefert das würzig-bittere Aroma des Absinth. Der hochprozentige Schnaps eroberte im 19. Jahrhundert halb Europa, war Rauschmittel der Armen und Modegetränk der Bohème. Künstler wie Degas, Toulouse-Lautrec oder Picasso malten Ritual und Wirkung des Absinth-Trinkens.

Wer dem Bitterschnaps übermäßig zusprach, verfiel in Schwermut und Wahnsinn, den Absinthismus. Damals wurde der Wermut-Wirkstoff Thujon, dafür verantwortlich gemacht. Heute glauben Experten, dass einfach der Alkohol im Schnaps den körperlichen Verfall auslöste. Nach dem strikten Verbot in fast allen europäischen Ländern Ende des 19. Jahrhunderts, darf er heute wieder destilliert werden - allerdings mit streng begrenztem Thujon-Gehalt.

Bis zu einem Meter Wuchshöhe

Sein silbriges, fein geschlitztes Laub macht den Echten Wermut aber auch zu einer attraktiven Bepflanzung für den Garten. Wem die Wuchshöhe von bis zu 100 Zentimetern Höhe zu viel ist, greift einfach zur 50 bis 70 Zentimeter hoch wachsenden Sorte 'Lambrook Silver'. Wie bei den meisten Artemisien sind die Blüten eher unscheinbar. Sie werden am besten gleich abgeschnitten, damit das Laub richtig zur Geltung kommt. Besonders feines Laub weist die Sorte 'Powis Castle' auf, die zu einem stattlichen, silbergrauen Busch heranwächst.

Mit der Eleganz dieser beiden Sorten kann Artemisia vulgaris nicht konkurrieren. Als Unkraut breitet es sich auf Schutthalden und trockenen Plätzen aus und ist besser unter dem Namen Beifuß bekannt. Denn ein frisches Blatt in den Schuh, also "bei Fuß" gelegt, vertreibt Wanderern alle Müdigkeit, so der Glaube im Mittelalter. Damals legten die Menschen am Tag der Sommersonnenwende auch Beifußgürtel an. Diese wurden dann symbolisch mit allen Gebrechen ins Johannisfeuer geworfen. Das Ritual sollte Gesundheit bringen.

Name von der Göttin Artemis

Dieser Glaube kommt nicht von ungefähr, denn Artemisia stärkt den Magen, lindert als "Frauenkraut" Menstruationsschmerzen und fördert als Räuchermittel die Geburt. Der botanische Name der Gattung leitet sich deshalb von Artemis, der Schutzgöttin der Gebärenden, ab. Die Bitterstoffe des Krauts wirken überdies Appetit anregend, lassen die Verdauungssäfte stärker fließen und machen Fett besser verdaulich. Vielen Würsten verleiht Artemisia ihr herbes Aroma.

Der Römische Beifuß (Artemisia pontica) wirkt gegen Würmer in den Eingeweiden. Daher wird die Pflanze im englischen Sprachraum auch Wormwood genannt. Im Garten wird der meterhohe Römische Beifuß vor allem wegen seines dichten Wuchses selbst an trockenen Orten geschätzt. Silbergrüne Polster von 25 Zentimetern Höhe entwickelt Artemisia schmidtiana 'Nana'. Noch dichter am Boden wächst nur Artemisia assoana. Sie bildet silbrige Teppiche von nur 5 Zentimetern Dicke. Mit ihren weiß wirkenden Blättchen eignet sich Artemisia stelleriana 'Mori' als Beeteinfassung oder als Kontrast zu Beetrosen.

Aroma vertreit Mücken

Unter den grünen Artemisien duften die fein geschlitzten Blätter der Eberraute (Artemisia abrotanum) nach Zitrone. Das Aroma vertreibt Motten und Mücken. Mönche schützten früher ihre kostbaren Folianten mit Blättern von Artemisia abrotanum vor Schädlingen. Im Garten wirkt die bis zu 70 Zentimetern hohe Pflanze am besten in bunten Staudenpflanzungen. Artemisia dracunculus oder Artemisia dracunculus var. sativus gehören als Russischer und Französischer Estragon in den Kräutergarten und würzen Gemüse und Fisch.

Während die grünblättrigen Artemisien viel Feuchtigkeit vertragen, kann es den silbergrauen oder weißen Artemisia stelleriana gar nicht trocken, warm und sonnig genug sein. Erst dann wachsen sie zu voller Schönheit heran und entwickeln ihre aromatischen Öle.

(gms)
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