Nichts für Emotionen Wie es zu Anlage-Fehlentscheidungen kommt

Düsseldorf (RPO). Viele Privatanleger haben der Börse enttäuscht den Rücken gekehrt. Nach Verlusten und Rückschlägen hatten sie die Nase voll. Einige glaubten sogar an böse Mächte, die sich gegen sie verschworen hätten. Aber die Flaute im Aktiendepot ist meist selbst verschuldet.

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Foto: AP

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass viele Privatanleger den emotionalen Herausforderungen der Börse nicht gewachsen sind. Wer sich nicht unter Kontrolle hat, sollte die Finger von Aktien lassen.

Der Kardinalfehlerfehler vieler Privatanleger besteht darin, bei einer Rallye zu spät auf den Zug aufzuspringen und auch bei einer Gegenbewegung den richtigen Zeitpunkt zu verpassen. In einer Studie für die englische Barclays Bank haben Wissenschaftler aus aller Welt diese Fehlentscheidungen im Anlagezyklus untersucht. Sie beschreiben den typischen Prozess.

Fehlentscheidungen im Anlagezyklus

Beginnt eine Hausse, herrscht beim Anleger aufgrund negativer Erfahrungen zunächst Skepsis.

Mit fortschreitenden Kursgewinnen wächst der Optimismus ("Alle machen tolle Gewinne an der Börse. Ich sollte diese Chance auch nutzen").

Die Kurse klettern weiter. Die Stimmung steigert sich zur Euphorie.
In dieser Phase passiert meistens der erste Fehler. Der Anleger folgt seinem emotionalen Kaufimpuls und springt noch auf den fahrenden Zug. Zu spät. Die Hausse hat ihren Höhepunkt fast erreicht.

Der Zyklus setzt sich fort.

Nach den ersten Kursverlusten kommt Sorge auf.
Anstatt Verluste von vornherein zu begrenzen (Stop-Loss-Order!) wird die Situation durch Leugnung verdrängt ("Macht nichts, ich investiere langfristig").
Keine Kurserholung.

Angst gewinnt die Oberhand. Sie steigert sich in Panik.

Schließlich die Kapitulation ("Bevor ich noch größere Verluste einstecken muss, sollte ich doch besser aus dem Markt gehen").
Der Anleger trennt sich mit Verlust von seinen Aktien. Falsch. Wer zu spät kommt, den bestraft die Börse.

Aber damit ist das Abenteuer nicht ein für allemal beendet.
In der Phase der Frustration ("Mir reicht's. Nie wieder!") hellt sich der Börsenhimmel plötzlich wieder auf.

Es keimt Hoffnung. Aber zunächst überwiegt noch die Skepsis. Und der Zyklus beginnt von vorn. Der Anleger hat aus seinen Fehlern nichts gelernt.

Angeborenes Zocker-Gen

Von der rationalen Seite her hat sich ein Forscherteam der Universität Zürich dem Problem der Fehlentscheidungen an der Börse genähert. Neuro-Finance nennt sich dieser populäre Wissenschaftszweig. Thorsten Hens, Professor für Finanzwirtschaft, arbeitet dabei mit Gehirnforschern zusammen. Sie fanden heraus, dass die Menschen in der Evolutionsgeschichte schon immer Zocker waren. "Zocken, das Experimentieren mit Ideen und Strategien, ist gut für die Gesamtgesellschaft, weil es den Fortschritt vorantreibt.

Für den Einzelnen geht die Zockerei jedoch meistens in die Hose", referiert Hens. Seine Kollegin Kerstin Preuschoff ergänzt: "Manche Verhaltensweisen und Reflexe, die für das Leben in der Wildnis sehr nützlich waren, sind in Bezug auf Finanzentscheidungen eher schädlich." Das Gehirn des Menschen sei für Finanzentscheidungen noch nicht optimiert. Was ist zu tun in der Zwischenzeit, wenn die emotionalen Kräfte zu Fehlschlüssen führen und das Gehirn noch falsch programmiert ist?

Disziplin ist die beste Medizin

Greg Davies, Experte für Verhaltensforschung in der Finanzanlage, rät zur ruhigen Hand. Viele eigenständig investierende Privatanleger seien der Meinung, hohe Renditen nur mit intensiver Handelstätigkeit erreichen zu können. In der Euphorie werfen sie gern zuvor getroffene Investitionsentscheidungen einfach über den Haufen. Sie schneiden in aller Regel schlechter ab als professionelle Bankhändler, die strikt an Vorschriften und Kontrollen gebunden sind, um emotionale Entscheidungen zu bremsen.

Davies warnt überraschender Weise auch vor zu viel Wissen. Wer anfällig sei für emotionale Entscheidungen, sollte kurzfristige Informationen über die Märkte meiden und Kontakte zu entsprechenden Personen reduzieren. Chun Xia schließlich, Professor an der University of Hongkong, warnt davor, dass intensives Handeln süchtig machen könne.

Als Medizin gegen diese Gefahren hilft eine besonders in Deutschland gern beschworene Tugend: Disziplin. Private Anleger sollten genau wie die Profis in den Bankhäusern und Fonds in schriftlicher Form feste Regeln aufstellen für ihr Portfolio.

Um Emotionen zu umgehen, sollten vor Anlageentscheidungen grundsätzlich einige Tage Zeit eingeplant werden. Im Zweifelsfall besteht immer noch die Möglichkeit, einen unabhängigen Vermögensberater hinzuzuziehen und sich mit ihm zu besprechen. Aber das ist ein Kapitel für sich.

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