Fällige Entschädigung bei Verspätungen EU will Rechte der Fluggäste kappen

Düsseldorf · Ab drei Stunden Verspätung gibt es bisher Entschädigung. Künftig soll es erst ab fünf Stunden oder sogar zwölf Stunden Verspätung Geld fließen. Die Bundesregierung unterstützt das EU-Konzept – nächste Woche starten Proteste.

Ab drei Stunden Verspätung gibt es bisher Entschädigung. Künftig soll es erst ab fünf Stunden oder sogar zwölf Stunden Verspätung Geld fließen. Die Bundesregierung unterstützt das EU-Konzept — nächste Woche starten Proteste.

Wer derzeit von Düsseldorf nach Miami fliegt und statt um 13.20 Uhr erst um 16.30 Uhr landet, der hat Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Schließlich kommt er mehr als drei Stunden zu spät. Geht es nach der EU-Kommission, soll sich das ändern. Dann würden Passagiere für die Verspätung auf dieser Strecke erst entschädigt, wenn sie statt um 13.20 Uhr frühestens um 1.20 Uhr ankommen — also mindestens zwölf Stunden nach der geplanten Ankunft. Das geht aus einer vorgeschlagenen Novelle der acht Jahre alten Fluggastverordnung hervor.

Die Bundesregierung unterstützt das Papier. Der Vorschlag schaffe "mehr Rechtssicherheit für die Verbraucher", heißt es in der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion. In Wahrheit geht es darum, den wirtschaftlich angeschlagenen Airlines etwas zu helfen.

Öffentlichkeit mobilisieren

Jetzt hagelt es Proteste. Der auf Fluggastrechte spezialisierte Anwalt Andreas Seegers, der Europa-Abgeordnete der Grünen, Michael Cramer, und der Gründer des Reiserechtsportals Fairplane, Andreas Sernetz, wollen die Öffentlichkeit in der kommenden Woche mobilisieren. "Fluggesellschaften geben vor, dass sie Entschädigungen nicht verkraften können", sagt Sernetz. "Es geht ihnen aber vielmehr darum, die Zahl der für sie lästigen Beschwerden zu verringern." So liegen angeblich bei Air Berlin noch immer 30.000 unbeantwortete Beschwerden von Fluggästen.

Für weniger Beschwerden wird die Reform wirklich sorgen. Stimmen auch EU-Parlament und EU-Rat dem Papier zu, könnte schon in einem Jahr gelten:

Bei Verspätungen auf Flügen bis 3500 Kilometer erhält man erst ab fünf Stunden eine Entschädigung. Da 65 Prozent der Verspätungen niedriger als fünf Stunden liegen, würde die Zahl also stark sinken.

Bei Flügen bis 6500 Kilometer (zum Beispiel von Düsseldorf nach Abu Dhabi) erhält man ab neun Stunden einen Ausgleich.

Bei Flügen ab 6500 Kilometer (zum Beispiel von Düsseldorf nach Miami) darf man sich erst ab zwölf Stunden Verzögerung beschweren.

Weitere Verschlechterungen

Hinzu kommen weitere Verschlechterungen: Wenn man aufgrund "höherer Gewalt" gar nicht fliegen kann, also die Fluggesellschaft bei Vulkanausbrüchen, vielen Streiks oder Kriegen nicht schuld für die Verzögerung ist, sollen Passagiere nur drei Nächte statt bislang unbegrenzt eine Unterkunft in einem Hotel bezahlt bekommen. Ab der vierten Nacht müssen Gestrandete selber zahlen.

"Aus Verbrauchersicht ist dieser Vorschlag ein deutlicher Rückschritt", meint Otmar Lell vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Er vermutet Lobbyarbeit der Fluggesellschaften hinter dem Vorschlag. "Wir haben über die vergangenen Jahre gesehen, dass der Europäische Gerichtshof die Fluggastrechte sehr gestärkt hat — und das korrigiert die Kommission jetzt mit ihrem Vorschlag." Er hoffe aber, dass das EU-Parlament die Reform noch abschmettert.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft wirbt derweil für die Änderungen. Es bleibe ja bei drohenden Entschädigungszahlungen an Fluggäste — die Airlines bleiben also motiviert, pünktlich zu fliegen. Außerdem sei es eine Verbesserung, dass Fluggäste künftig spätestens 30 Minuten nach dem planmäßigen Abflug darüber informiert werden müssen, warum ihr Flug Verspätung hat oder annulliert wird.

(RP)
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