Aktueller Stand der Population Der Feldhase - ein Lebenskünstler in deutschen Landen

Bonn · Die Figur ist aktuell wieder in allen Formen und Farben in den Auslagen der Händler zu sehen: Der Hase dominiert zur Osterzeit das Bild. Aber wie sieht die Lage von Meister Lampe in freier Wildbahn aus?

Ein Feldhase in freier Wildbahn (Symbolbild).

Ein Feldhase in freier Wildbahn (Symbolbild).

Foto: dpa

Nicht nur im Frühling sieht man ihn in ländlichen Gegenden über Felder und Wiesen flitzen, hinter der Angebeteten herjagen und Haken schlagen. Mehrmals im Jahr gibt es beim Feldhasen Familienzuwachs, etwa sieben Junge insgesamt. Auch wenn das beliebte Wildtier noch nicht vom Aussterben bedroht ist - das Leben wird hierzulande für Lepus europaeus nicht leichter.

Dabei ist er wahrlich ein kleiner Lebenskünstler, der mit unterschiedlichsten Lebensbedingungen zurechtkommt. "Wenn es dem Feldhasen schlecht geht, sind andere Arten längst ausgestorben", erklärt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. Flexibilität und feine Sinne gehören zu seinem Überlebensrezept. Anders als Kaninchen hat der hellbraune Geselle keinen Bau, sondern lebt als Einzelgänger in Mulden.

Dank seiner Tarnung, gutem Gehör und Geruchssinn, Augen, die fast einen Rundumblick ermöglichen, und flinker Beine, mit denen er bei der Flucht vor Fuchs und Habicht bis zu 80 Stundenkilometer zurücklegen kann, kommt er auch ohne feste Behausung zurecht. Und wenn es gut läuft, findet der mümmelnde Feinschmecker in naher Umgebung alles, was sein kleines Herz begehrt: Wildkräuter, Klatschmohn, Getreide, Feldfrüchte, Gräser und Knospen von Sträuchern.

Doch von so einem reich gedeckten Tisch können viele Hasen heute nur träumen. Besonders die intensive Landwirtschaft macht dem Feldhasen - einem der bekanntesten Wildtiere Deutschlands - das Leben schwer, beobachtet die Deutsche Wildtier Stiftung. Lebensraum und Nahrungsangebot werden immer kleiner. Die Institution geht von rund drei Millionen Tieren in Deutschland aus - und beruft sich dabei auf den Deutschen Jagdverband. Dieser ermittelt jedes Jahr die Hasenpopulation; zuletzt habe sich der Bestand auf elf Feldhasen pro Quadratkilometer eingependelt, so Torsten Reinwald, Sprecher des Verbandes. Der Wert sei "auf niedrigem Niveau stabil".

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1998 habe es laut Reinwald in Deutschland noch 8500 Quadratkilometer landwirtschaftliche Brachflächen gegeben, auf denen Wildkräuter und anderes "Unkraut" wachsen konnten. Nach 2007 seien diese Brachflächen - nach dem Wegfall der EU-Stilllegungsverpflichtung - binnen einem Jahr um 60 Prozent gesunken, so der Biologe. Auch der Biogas-Boom Anfang der 2000er Jahre habe dem Feldbewohner zugesetzt. Durch den verstärkten Anbau nachwachsender Rohstoffe wurden auf einem Viertel der Fläche nur noch Monokulturen von Mais, Raps und Weizen angepflanzt - es entstanden unbewohnbare Äcker für Feldhase, Rebhuhn und Co.

Auch die Deutsche Wildtier Stiftung plädiert für ein Umdenken. Der Natur- und Artenschutz müsse Landwirten honoriert werden, sagt Kinser. Das könne nur "die große Agrarpolitik" regeln. "40 Prozent des EU-Haushalts betrifft die Landwirtschaft", rechnet der stellvertretende Leiter des Bereiches Natur- und Artenschutz vor. "Man sollte das Geld gezielt Landwirten geben, die bereit sind, etwas Gutes zu tun."

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Seine Stiftung geht mit der "Aktion Hasenland" mit gutem Beispiel voran. In Mecklenburg-Vorpommern, wo es nur wenige Feldhasen gibt, hat sie Land erworben. Auf einer rund 220 Hektar großen Fläche unterstützt die Stiftung Landwirte, "Feldhasen-freundliche" Maßnahmen zu ergreifen. So werden die Wiesen erst im Juli gemäht, wenn die jungen Hasen mobiler sind. Bei einer früheren Mahd, die den Landwirten aufgrund besserer Qualität mehr Ertrag bringt, werden junge Hasen von den Maschinen oft getötet oder beim Walzen der Wiesen erdrückt. Zudem wird die Schnitthöhe der Mähmaschinen auf eine Mindesthöhe eingestellt, damit die Jungtiere größere Chancen zum Überleben haben.

Im Gegenzug zahlen die Landwirte für diese Flächen geringere Pacht, erklärt Kinser. Schließlich hätten sie "erhebliche wirtschaftliche Nachteile" dadurch, dass sie später mähen. So ein Entgegenkommen wäre andernorts auch sinnvoll, um Landwirte beim Natur- und Artenschutz zu unterstützen - "aber wir sind dort nicht die Flächeneigentümer".

Artenschutz und die Jagd auf Feldhasen schließen sich weder für die Deutsche Wildtier Stiftung noch den Deutschen Jagdverband aus. Sie aber würden nur dort gejagt, wo es viele Hasen gebe, stellt Reinwald klar. "Jäger möchten auch im nächsten Jahr noch ernten und möchten deshalb, dass die Population wächst", etwa durch ausreichend Blühstreifen auf Feldern. Zusammen mit zwei Dutzend weiteren Initiativen unterstütze der Verband deshalb das Projekt "Energie aus Wildpflanzen" des Netzwerks Lebensraum Feldflur.

Auch Kinser gibt für die Jagd auf Hasen unter bestimmten Voraussetzungen grünes Licht: Wenn eine große Zahl Feldhasen vor der Jagd gezählt werde sei es ok, "diese natürliche Ressource nachhaltig zu nutzen". Schließlich kümmerten sich die Jäger im Gegenzug um die Lebensraumverbesserung der Feldhasen und machten Jagd auf deren Feinde. "Wir haben eine sehr pragmatische Herangehensweise", fasst Kinser zusammen, "wir suchen geeignete Lösungen für den Artenschutz und folgen nicht einer Ideologie."

Ein besonders alter Feldhase steht indes unter extremem Schutz: die Naturstudie von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1502. Die Zeichnung, die zur Wiener Kunstsammlung Albertina gehört, gilt als das bedeutendste Werk deutscher Renaissance-Kunst. Der Künstler hat das Tier so naturgetreu gezeichnet, dass Christof Metzger, Chefkurator an der Albertina, ins Schwärmen gerät. Dürers Feldhase sei "ein Wunder der Zeichenkunst" - "so kunstvoll und zugleich auch lebendig, dass jedes Härchen des flauschigen Fells tastbar wird". Aber leider gilt: Streicheln verboten. Zu seinem eigenen Schutz ist das licht- und temperaturempfindliche Werk in einem Sicherheitsdepot der Albertina untergebracht. Nur alle paar Jahre bekommen ihn dort Kunstliebhaber zu Gesicht, das nächste Mal in diesem Herbst.

(felt/kna)
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