Kleiner Bruder des Wolfs Der Goldschakal ist in Deutschland heimisch geworden

Wien/Kiel/Hamburg · In Deutschland wird vielerorts über die Rückkehr des Wolfs diskutiert. Dabei ist ein Schakal in weit höherer Zahl nach Europa zurückgekehrt. Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt ist der Goldschakal sogar schon hierzulande nachgewiesen worden.

 Das Foto aus dem Jahr 2012 zeigt einen Goldschakal, der im Nationalpark Bayerischer Wald von einer Wildkamera fotografiert wurde.

Das Foto aus dem Jahr 2012 zeigt einen Goldschakal, der im Nationalpark Bayerischer Wald von einer Wildkamera fotografiert wurde.

Foto: dpa/Nationalpark Bayerischer Wald

Der kleine Bruder des Wolfes hat sich auf den Weg in neue Gefilde gemacht. Während der Wolf in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern vor seiner Ausrottung schon einmal heimisch war, zieht es den eng mit ihm verwandten Goldschakal erstmals in diese Regionen. Und das durchaus mit Erfolg. Hochrechnungen der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) zufolge leben mittlerweile bis zu 117.000 Goldschakale in Europa. Zum Vergleich: Der Wolfsbestand wird auf 17.000 Tiere geschätzt.

„Wandernachweise der Tiere finden sich mit Frankreich bis in den äußersten Westen und mit Estland auch in den Norden Europas“, sagt die Wildtierexpertin Nina Gandl vom WWF Deutschland. Ursprünglich siedelten Goldschakale (Canis aureus) in Europa vor allem im südöstlichen Balkan. Doch seit einigen Jahren breiten sie sich immer weiter nach Mitteleuropa aus.

„Es ist offensichtlich, dass sich da was tut“, sagt auch Jennifer Hatlauf vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Der Goldschakal sei ein Generalist, der sich gut an verschiedene Lebensräume, auch Kulturlandschaften, anpassen könne. „Man kann kaum ein Habitatmodell erstellen, weil er beinahe überall zurechtkommt.“ In etablierten Wolfsterritorien wird der Goldschakal sich bisherigen Erkenntnissen zufolge aber kaum niederlassen - sein großer Bruder stellt eine tödliche Gefahr dar.

Auch in Deutschland sind Goldschakale unterwegs. Erste bestätigte Nachweise gab es bereits 1997 im südlichen Brandenburg. 2012 tappte ein Goldschakal im Bayerischen Wald in eine Fotofalle. 2017 wurde auf der A9 nahe Freising in Oberbayern ein Goldschakal überfahren. In Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen und Brandenburg wurden in den vergangenen Jahren ebenfalls Tiere nachgewiesen.

In Schleswig-Holstein wurden 2017 sogar drei Schafe von einem Goldschakal angegriffen und leicht verletzt. Seither gab es keine weiteren Nachweise in dem Bundesland, wie ein Sprecher des Umweltministeriums in Kiel sagt. Damit existiere auch kein Hinweis darauf, dass sich die Art im Land bereits fortpflanzt. Aufgrund der Bestandsentwicklung in Europa sei aber davon auszugehen, dass künftig weitere Nachweise in Schleswig-Holstein gelängen.

„Es ist davon auszugehen, dass es mehr werden“, bestätigt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung in Hamburg. Dass die Tiere in Deutschland bereits heimisch seien, würde er nicht sagen. „Dafür gibt es noch zu wenige Meldungen.“

Auch Hatlauf, die seit 2015 ein Projekt zum Nachweis von Goldschakalen in Österreich leitet, hält es für verfrüht, von einem Bestand in Deutschland zu sprechen. „Es sind Einzelnachweise.“ Ob die Art hier in den kommenden Jahren heimisch wird, sei schwer zu sagen. „Aber es spricht auch nicht wirklich was dagegen.“

In Ländern wie Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien und Serbien sind die scheuen Tiere längst in großer Zahl unterwegs. Der Goldschakal ist die einzige in Europa vorkommende Schakalart. In der afrikanischen Savanne lebt der Schabrackenschakal (Canis mesomelas), in Afrika südlich der Sahara der Streifenschakal (Canis adustus). Goldschakale hingegen sind im Nahen Osten, in Indien und in weiteren Regionen Asiens besonders häufig.

Die Tiere fressen eigentlich alles - von Kleinsäugern, Amphibien und Fischen bis hin zu Insekten, Aas und pflanzlicher Nahrung wie Äpfeln und Früchten. Ähnlich wie in der Wahl ihres Lebensraum sind Goldschakale auch bei der Nahrungswahl flexibel: In Serbien ernährten sich viele von ihnen von Schlacht-, in Südungarn von Jagdabfällen, sagt Hatlauf. Wenn die Bedingungen stimmen, kann eine Population rasch anwachsen, verdeutlicht sie anhand von Abschusszahlen aus Ungarn: 1996 wurden dort sechs Schakale erlegt, 2018 waren es schon 5831.

Schlüsse darüber, was ein Heimischwerden der Goldschakale in Deutschland für die hiesige Tierwelt und mögliche Konflikte mit Nutztierhaltern bedeuten könnte, lassen sich nach Ansicht der Experten noch nicht ziehen. Übergriffe auf Nutztiere seien aber sehr selten beobachtet worden, sagt der Sprecher des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums.

Eine gezielte Suche nach Goldschakalen würde nach Ansicht von Hatlauf in Deutschland derzeit wenig Sinn machen: Selbst in Österreich, wo es deutlich mehr Nachweise gebe, gleiche die Suche nach den scheuen Tieren oft der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.

(felt/dpa)
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