Empathie-Forschung Fische können Angst bei Artgenossen spüren

Washington · Die menschliche Fähigkeit zur Empathie könnte extrem alte Ursprünge haben. Das legt zumindest eine neue Studie nahe, die im Fachmagazin „Science“ erschienen ist. Die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, könnte demnach bereits in prähistorischen Tieren vor Millionen von Jahren verwurzelt gewesen sein.

Ein Ammersee-Kaulbarsch (Symbolbild).

Ein Ammersee-Kaulbarsch (Symbolbild).

Foto: DPA/Andreas Hartl

„Einige der Mechanismen, die unserer Fähigkeit, Angst zu empfinden oder uns zu ver- und entlieben, zugrundeliegen, folgen eindeutig sehr alten Pfaden“, erklärte Hans Hofmann, Evolutions-Neurowissenschaftler von der University of Texas in Austin, der nicht an der Forschung beteiligt war.

Die neue Studie zeigt, dass Fische Angst bei anderen Fischen erkennen können - und dann ebenfalls Furcht empfinden. Dieser Vorgang wird demnach von Oxytocin ausgelöst - demselben im Gehirn produzierten Hormon, das der menschlichen Empathiefähigkeit zugrunde liegt.

Die Forscher demonstrierten dies an Zebrabärblingen. Die kleinen tropischen Süßwasserfische sind vielen Aquarianern bekannt und werden oft in Tierversuchen eingesetzt. Die Wissenschaftler entfernten bei ihnen Gene, die mit der Produktion und Freisetzung von Oxytocin in einem Zusammenhang stehen. Das ließ die Tiere gewissermaßen ihre sozialen Antennen verlieren: Sie waren nicht mehr in der Lage, es zu erkennen oder ihr Verhalten zu ändern, wenn andere Fische in ihrem Umfeld ängstlich waren.

Als dagegen den genetisch veränderten Fischen per Injektion wieder Oxytocin zugeführt wurde, kehrte ihre Fähigkeit zurück, die Gefühle anderer Fische wahrzunehmen und zu spiegeln. Wissenschaftler bezeichnen dieses Reaktionsmuster als „emotionale Ansteckung“.

Die Fische reagierten auf andere Individuen, die Angst hätten. „In dieser Hinsicht verhalten sie sich wie wir“, sagte die Neurowissenschaftlerin Ibukun Akinrinade von der University of Calgary, eine der Autorinnen der Studie, die außerdem belegte, dass Zebrabärblinge anderen Fischen, die unter Stress litten, anschließend mehr Aufmerksamkeit schenkten. Die Wissenschaftler verglichen dies mit dem Spenden von Trost.

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Frühere Studien haben gezeigt, dass Oxytocin eine ähnliche Rolle bei der Übertragung von Angst bei Mäusen spielt. Die neue Forschung illustriere die althergebrachte Bedeutung von Oxytocin bei der Übertragung von Gefühlen, sagte Rui Oliveira vom portugiesischen Forschungsinstitut Gulbenkian, ebenfalls Mitautor der Studie. Dieser Mechanismus im Gehirn sei womöglich bereits vor etwa 450 Millionen Jahren ausgebildet gewesen, „als Sie und ich und diese kleinen Fische zuletzt einen gemeinsamen Vorfahren hatten“, erklärte Hofmann.

Oxytocin werde manchmal als „Liebeshormon“ angesehen. Es sei aber mehr wie ein Temperaturregler, der darüber entscheide, was in einer bestimmten Situation sozial wichtig sei, sagte Hofmann: Indem es Schaltkreise aktiviere, die dafür sorgten, dass man vor Gefahr wegrenne oder sich zum Beispiel auf Balzverhalten einlasse.

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Dies könnte von großer Bedeutung für das Überleben von Tieren sein, die in Gruppenverbänden lebten, befand der nicht an der Studie beteiligte Umweltforscher Carl Safina von der Stony Brook University in New York. „Die grundlegendste Form von Empathie ist ansteckende Angst - das ist eine sehr wertvolle Eigenschaft, um am Leben zu bleiben, wenn ein Mitglied der Gruppe ein Raubtier oder eine andere Gefahr entdeckt.“

(felt/dpa)
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