Sichtungen im Grenzgebiet zu Österreich Kehren die Braunbären nach Deutschland zurück?

Berlin/Rosenheim · Im Grenzgebiet der Landkreise Rosenheim und Miesbach zu Österreich sind am Freitag erneut Bärenspuren im Schnee entdeckt worden. Ist die Spezies dauerhaft nach Deutschland zurückgekehrt? Und wie ist die Lage in anderen europäischen Ländern?

Ein Braunbär in freier Wildbahn (Archivbild).

Ein Braunbär in freier Wildbahn (Archivbild).

Foto: dpa/Milan Kapusta

Bären machen wieder Schlagzeilen und das versetzt einige in Angst. In Italien kam es kürzlich zu einem Bärenangriff, bei dem ein 26-jähriger Jogger in der Trentiner Gemeinde Caldes getötet wurde. Im oberbayerischen Rosenheim riss ein Braunbär Schafe auf einer Alm. Im Grenzgebiet der Landkreise Rosenheim und Miesbach zu Österreich sind am Freitag erneut Bärenspuren im Schnee entdeckt worden. Und auch in Tirol sind Bärenspuren im Schnee gesichtet worden. Obwohl durch Deutschland aktuell keine dauerhaft heimischen Braunbären streifen, zuletzt gab es sie hier laut Umweltstiftung WWF zu Beginn des 19. Jahrhunderts, fragen sich viele im äußersten Süden der Republik: Kommen die Tiere nun zurück?

Grundsätzlich halten das staatliche Experten zumindest langfristig für denkbar: Hinweise aus den bayerischen Landkreisen Oberallgäu und Garmisch-Partenkirchen in den Jahren 2019 bis 2022 würden zeigen, dass sich Braunbären an den Grenzgebieten zu Deutschland aufhalten. Das sagte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Auch zukünftig ist es weiterhin durchaus möglich, dass weitere Bären nach Deutschland einwandern“, hieß es. Eine dauerhafte Wiederbesiedlung von Braunbären in Deutschland sei in unmittelbarer Zukunft nicht wahrscheinlich, „langfristig jedoch auch weiterhin nicht auszuschließen“.

Hin und wieder käme es vor, dass ein Bär über die Grenze der Nachbarländer auftaucht, sagte Jörn Ehlers, Sprecher vom WWF. „Besonders Männchen suchen nach ihrem Revier oder einer Partnerin.“ Die Bären verlassen ihre Mutter mit etwa drei Jahren und suchen sich etwas Eigenes. In einigen anderen Ländern Europas hat man dabei schon mehr Bären-Erfahrung als hierzulande. Nach Angaben des WWF leben in Europa insgesamt aktuell rund 17.000 Braunbären.

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Das Karpatenland in Rumänien zählt eine der größten Populationen. Eine Studie, die das Umweltministerium in Auftrag gab, beziffert die Zahl der Bären in Rumänien mit 7500 bis 8000. Zugleich hält das Ministerium eine Zahl von 4000 für vertretbar. Immer wieder reißen die großen Pelztiere Schafe, wühlen in Mülltonnen, dringen in Häuser und Ställe ein oder greifen zeltende Touristen an. In den Jahren 2021 und 2022 verzeichnete das Umweltministerium 47 Bärenangriffe auf Menschen. Manche Angriffe enden tödlich. Bei Gefahr in Verzug können inzwischen die Bürgermeister, unterstützt von einem lokalen Fachausschuss, kurzfristig entscheiden, ob ein Bär abgeschossen wird. Umwelt- und Tierschützer kritisieren den auf die Tötung der Tiere fokussierenden Umgang mit dem Problem.

Italiens Bärenpopulation ist im Norden des Landes im Trentino, im Grenzgebiet zu Slowenien sowie im zentralen Apennin rund um die Regionen Abruzzen, Latium und Molise vorhanden. Im zentralen Apennin geht die italienische Umweltbehörde Ispra von ungefähr 50 Tieren aus. Die Population schrumpft demnach allerdings. Im Trentino melden die Behörden seit dem EU-Ansiedlungsprojekt „Life Ursus“ etwa 100 wildlebende Bären - dort nimmt die Zahl immer weiter zu. Der tödliche Bärenangriff auf einen Jogger ließ viele aufschrecken. Die bereits mehrfach auffällig gewordene Bärin JJ4 ist die Schwester des Bären Bruno, der 2006 in Deutschland auftauchte. Seine Bezeichnung als „Problembär“ durch den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wurde vor 17 Jahren zum geflügelten Wort.

Die letzte Zählung von Braunbären in Schweden stammt von 2017. Damals gab es rund 2900. Dort stehen sie streng unter Schutz und dürfen wie andere große Raubtiere nur unter streng kontrollierten Bedingungen gejagt werden. Eine sogenannte Schutzjagd kann zugelassen werden, um etwa Schäden an Rentieren, Vieh oder Häusern zu verhindern. In Kroatien leben etwa 1000 bis 1200 Braunbären in freier Wildbahn, davon 400 bis 500 im Nationalpark Velebit im Hinterland der Kvarner Bucht, die mit dem Hafen Rijeka an der oberen Adria liegt.

In Spanien gibt es nach Angaben der privaten Stiftung Braunbären geschätzt knapp 450 Tiere, davon rund 70 im Grenzgebiet der Pyrenäen mit Frankreich, die nicht eindeutig einem der beiden Länder zuzuordnen sind. Die Zahl der Tiere ist tendenziell steigend.

Eine mögliche Rückkehr der Wildtiere in Deutschland bedeute Herausforderungen, sagt das BfN. Nach Angaben des WWF gilt der Braunbär als das größte landlebende Raubtier Europas. Bayern veröffentlichte 2007 einen Managementplan für den Bären. Er solle ein möglichst konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Bär ermöglichen.

Ehlers vom WWF sieht auch Vorteile von Bären in Deutschland: „Bären gehören eigentlich hier hin. Es wäre schön, wenn man sie hier hätte. Das kann ja auch die Wildnis attraktiv machen, wie in anderen Ländern.“ Wichtig sei jedoch ein gutes Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier. Zu beachten wäre, die Bären nicht zu füttern. Durch Fütterung gerate der Bär zu nah an den Menschen heran, das könne zur Gefahr werden. In Konfliktsituationen müsse dann auch gehandelt werden. Kleinere Gebiete müssten gesperrt und Bären vergrämt werden, wenn sie zu nahe kommen. „Wenn es zu gefährlich wird, muss man sie dann auch aus der Wildnis entnehmen“, sagt Ehlers. Bären seien jedoch nicht per se gefährlich. „Bären sind Opportunisten.“ Sie fressen demnach leichte Beute wie Schafe und greifen nicht von Natur aus Menschen an.

Am 21. April 2023 hat die Polizei in der Slowakei drei mutmaßliche Wilderer festgenommen, die eine Braunbärin illegal erlegt haben sollen. Die aus Tschechien stammenden Männer seien erwischt worden, als sie das tote Tier in ihrem Auto abtransportierten, teilte die Sonderabteilung für Umweltkriminalität am Freitag nach Angaben der Agentur TASR mit. Ein Strafverfahren sei eingeleitet worden. Bei einer Verurteilung drohten den mutmaßlichen Wilderern bis zu fünf Jahre Haft. Auf einem in den sozialen Medien eingestellten Foto war ein sichergestelltes Jagdgewehr zu sehen.

(felt/dpa)
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