Tierische Türöffner: Assistenzhunde helfen nicht nur im Alltag

Sie können Türen offnen, Schubladen aufziehen und sogar Waschmaschinen ausräumen: Assistenzhunde sind wertvolle Helfer.

Tierische Türöffner: Assistenzhunde helfen nicht nur im Alltag
Foto: dpa, Thomas Frey

<p>Sie können Türen offnen, Schubladen aufziehen und sogar Waschmaschinen ausräumen: Assistenzhunde sind wertvolle Helfer.

Ein kurzes Kommando von Christian, schon reagiert Golden Retriever Keck. Das Tier nähert sich behutsam dem Rollstuhl des 14-Jährigen und zieht ihm mit den Zähnen vorsichtig den Handschuh aus. "Danke", sagt Christian strahlend und lenkt seinen Rollstuhl ein Stück beiseite. Keck ist seit 2010 der Assistenzhund des an der Bewegungs- und Balancestörung Ataxie leidenden Christians aus der Nähe von Stuttgart. Geschult wurde das Duo vom Verein Vita in Hümmerich (Rheinland-Pfalz) im Westerwald, einem der wenigen Ausbildungszentren für Assistenzhunde in Deutschland.

Verlängerter Arm des Menschen

Assistenzhunde sind Tiere, die Menschen mit körperlichen Behinderungen im Alltag helfen. Sie heben Dinge auf, bringen alles Mögliche vom Schuh bis zur Zeitung herbei, öffnen Schubladen oder Türen, helfen mit den Zähnen beim Ausziehen und können sogar Waschmaschinen ausräumen. "Sie sind der verlängerte Arm des Menschen", sagt Vereinssprecherin Laura Anthes. Gearbeitet wird nur mit Golden Retrievern oder Labradoren, deren ruhiges Wesen eignet sich den Angaben zufolge am besten.

Der gemeinnützige Verein Vita Assistenzhunde war der erste in Deutschland, der vom europäischen Dachverband ADEu (Assistance Dogs Europe) zertifiziert wurde. Noch immer gibt es nicht viele - anders als etwa in Großbritannien, wie die Vereinsgründerin und studierte Sozialpädagogin Tatjana Kreidler erklärt. "Die angelsächsischen Länder sind uns auch heute noch um Längen voraus." Dort gebe es eine viel größere Tradition zur Selbsthilfe. Vita hat seit seiner Gründung im Jahr 2000 38 Teams ausgebildet, davon 19 Kinderteams.

Bis ein Hund perfekt auf seinen menschlichen Partner abgestimmt ist, vergeht jedoch viel Zeit. Die Tiere werden als Welpen ausgesucht, kommen dann ein Jahr lang in eine Patenfamilie und werden dann bei Vita ein weiteres Jahr zum Assistenzhund ausgebildet. Erst danach tritt der Teampartner auf die Bildfläche.

Emotionale Zusammenführung

Aus der stets großen Gruppe von Bewerbern für einen Assistenzhund wird der ausgewählt, der am besten zu dem Tier passt. Es folgt eine mehrwöchige Phase der Zusammenführung, in der die Ausbildung individuell auf das Krankheitsbild des Menschen und seine Bedürfnisse abgestimmt wird. "Das ist für alle sehr aufregend und emotional", sagt Ariane Volpert. Sie ist hauptberuflich Tierärztin im hessischen Bad Soden und bildet neben Vereinsgründerin Kreidler bei Vita Hunde aus. "Manchmal ist es Liebe auf den zweiten Blick."

Und die Arbeit mit Mensch und Hund endet nicht, wenn das Team nach Hause reist, sondern sie geht immer weiter. So kann sich etwa der körperliche Zustand des behinderten Menschen ändern. Volpert drückt das so aus: "Es ist eine hundelebenlange Arbeit."

Entsprechend ist das Ganze sehr kostspielig. Die Ausbildung eines Hundes kostet rund 25 000 Euro, auf das gesamte Hundeleben betrachtet kommen Anthes zufolge aufgrund der ständigen Nachbetreuung sogar etwa 75.000 Euro an Kosten zustande. Krankenkassen gäben anders als bei Blindenhunden nichts dazu. Da Vita Menschen unabhängig von ihrer finanziellen Situation helfen wolle, zahle jeder nur das, was er könne. Viele suchten selbst Sponsoren, anderen vermittele Vita Förderer. Da sich der Verein selbst aber nur über Spenden finanziere, müsse ständig bei potenziellen Geldgebern angeklopft werden.

Türöffner auch im übertragenen Sinne

Die Mutter von Christian, Beate Laage, erinnert sich noch gut, als sie vor einigen Jahren auf einer Reha-Messe auf Vita aufmerksam wurde. "Ich fand es faszinierend, war aber auch sehr zurückhaltend." So ein Schritt müsse gut überlegt sein, denn ein Hund sei eine weitere Aufgabe. Sie und ihr Mann hätten sich dennoch dafür entschieden, und zwei Jahre nach der Bewerbung habe es dann geklappt.

Ihr Fazit ist eindeutig. "Ich hätte nie gedacht, dass es meinen Sohn so verändert", sagt sie. Christian sei in Begleitung von Keck selbstbewusster geworden, habe eine viel positivere Ausstrahlung.
"Keck ist sein Freund und Partner, die beiden kuscheln auch miteinander." Das Tier verschaffe ihm Selbstständigkeit.

Seit er mit Keck unterwegs sei, werde Christian von Mitmenschen anders wahrgenommen, sagt Laage. Als Hundebesitzer sprächen ihn Leute häufiger an. Er komme so viel mehr mit Fremden in Kontakt. "Der Hund ist ein Türöffner - auch im übertragenen Sinne."

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