Nach Katzenrettung in Düsseldorf Wenn Tierliebe zum Sammelzwang wird

Düsseldorf · Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Menschen dutzende oder gar hunderte Tiere in ihrer Wohnung horten - so wie jetzt in Düsseldorf. Wir fassen die wichtigsten Informationen zum Phänomen "Animal Hoarding" zusammen.

Tierquälerei: Fälle in NRW
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Fälle von Tierquälerei in NRW

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Foto: Theo Titz

Nicht jeder, der viele Hunde oder Katzen hält, ist gleich ein Horter. Wenn aber alle drei der folgenden Merkmale erfüllt sind, sollte man aufmerksam werden:

  • Die Person hält mehr Tiere, als üblich ist - zum Beispiel mehr als drei Hunde, mehr als drei bis vier Katzen oder fünf Nagetiere.
  • Die Tiere haben nicht genug Platz. Wieviel Platz genug ist, hängt von der Einschätzung eines Veterinärs ab, man kann sich aber auch an den Verordnungen nach dem Tierschutzgesetz richten, wie zum Beispiel der Tierschutz-Hundeverordnung (PDF).
  • Der Tierhalter sieht nicht ein, dass er seinen Bestand reduzieren müsste, wenn man ihn darauf hinweist, dass er nicht genug Platz und Ressourcen hat. Im Extremfall verschleiert er aktiv, wie viele Tiere er hält, und streitet das Problem vehement ab.
  1. Der beginnende Horter Hier ist die Tierhorterei noch nicht extrem ausgeprägt, aber die Ansätze sind schon da. Der beginnende Horter schafft es noch, die Tiere nach gesetzlichen Mindeststandards zu versorgen. Aber richtig gut geht es den Tieren schon nicht mehr. Der beginnende Horter weiß oft, dass das Problem schlimmer wird, und ist für Hilfe offen.
  2. Der Züchter Oft beginnen diese Tierhorter als professionelle oder semiprofessionelle Züchter. Sie schaffen es aber nicht, alle Tiere zu verkaufen. Die Versorgung der Tiere wird schlechter, je mehr Tiere da sind - aber der Züchter macht trotzdem weiter. Meist hält er die Tiere nicht bei sich im Haus und lebt selbst weiter in geordneten und hygienischen Verhältnissen. Dem Züchter ist oft klar, dass er die Tiere nicht artgerecht hält, aber er nimmt trotzdem ungern Hilfe an.
  3. Der überwältigte Pfleger Er oder sie lebt meist isoliert und zurückgezogen und definiert sich über die Rolle als Tierhalter. Meist löst ein Problem im Leben dieses Horters sein obsessives Verhalten aus: der Verlust der Arbeit oder der Tod des Partners. Das Halten von Tieren tritt an die Stelle anderer Aktivitäten. Meist werden nicht immer mehr Tiere zugekauft, sondern die bestehenden Tiere vermehren sich unkontrolliert. Der Pfleger wird langsam, aber sicher von der Situation überwältigt, er rutscht ins Tierhorten hinein. Dieser Typ versucht, das Problem herunterzuspielen, nimmt aber meist auch bereitwillig Hilfe an.
  4. Der Retter Dieser Typ ist auf einer Mission: Er will Tiere retten - und das wächst sich zum Zwang aus. Ein starkes Motiv des Rettertyps scheint die Angst vor dem Tod zu sein - vor dem eigenen und dem der Lebewesen. Deswegen nimmt er immer mehr Tiere auf und glaubt, der einzige Mensch zu sein, der sich richtig um sie kümmern kann. Meist sind Rettertypen nicht sozial isoliert, sondern gelten im Umfeld als große Tierfreunde. Sie lehnen die Einmischung der Behörden in der Regel ab und verweigern ihnen den Zutritt.
  5. Der Ausbeuter Als "schwierigsten Hoardertyp" beschreibt das Forschungskonsortium HARC die Ausbeuter. Oft handelt es sich um Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung oder soziopathischen Zügen. Sie horten Tiere, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, zum Beispiel Neugier oder Experimentierlust. Ausbeutertypen haben kein Mitleid mit den Tieren und halten sich für Experten in der Tierhaltung. Sie streiten das Problem ab und versuchen alles, um den Einfluss von Dritten oder Behörden zu verhindern.

Sehr oft führt das Halten von vielen Tieren auf engem Raum dazu, dass die Tiere sehr schlecht versorgt sind: Wohnung, Haus oder Gelände sind schmutzig und ungepflegt. Die Tiere sind unterernährt, haben nicht genug Wasser und zeigen Anzeichen von Krankheit. Meist erkennt man am ungepflegten Fell, an verletzten Augen oder Ohren, an ungepflegten Zähnen, Hufen oder Krallen der Tiere, das es ihnen an Pflege mangelt.

Ein weiteres Anzeichen für Tierhortung: Die Tiere sind nicht kastriert und nach Geschlechtern getrennt. Das vergrößert das Problem weiter, denn die Tiere vermehren sich unkontrolliert.

Kuriose Tierrettungen in Düsseldorf 2014
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Kuriose Tierrettungen in Düsseldorf 2014

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Foto: Feuerwehr

Da die Betroffenen selbst nicht zu den Behörden gehen können oder wollen, werden die meisten Fälle bekannt, weil Nachbarn, Angehörige oder Passanten die Behörden aufmerksam machen. Zuständig für Fälle von Tierhortung ist das Veterinäramt.

Der Tierschutzbund rät: Wer den Verdacht hat, dass jemand Tiere hortet, sollte versuchen, ein Vertrauensverhältnis zu dieser Person aufzubauen. So kann der angehende Horter vielleicht schon im Frühstadium davon überzeugt werden, Tiere abzugeben. In jedem Fall ist es wichtig, dass sich nicht nur jemand um die gehorteten Tiere kümmert - sondern auch um den Tierhorter, der womöglich psychologische Betreuung braucht.

Gute Informationsquellen

Das Phänomen des Tierhortens ist nicht besonders intensiv erforscht. Vorreiter ist das Hoarding of Animals Research Consortium (HARC) an der Tufts University in Boston (USA). Eine interdisziplinäre Forschergruppe arbeitet dort seit 1997 daran, mehr über die Menschen zu erfahren, die immer mehr und mehr Tiere halten, bis sie sie nicht mehr adäquat versorgen können. Eine gute Zusammenfassung der Forschungsergebnisse auf Englisch gibt es hier (PDF).

In Deutschland gibt es vor allem diese Dissertation an der Tierärztlichen Hochschule Hannover aus dem Jahr 2002 (PDF), die die Erkenntnisse systematisiert. Viele Informationen in Kurzform hat aber auch der Tierschutzbund in dieser Broschüre (PDF) zusammengefasst.

(hpaw)
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