Nachhaltigkeit beim Fleischkonsum Gutes Fleisch, böses Fleisch?

Düsseldorf · Ernährung spielt für viele Menschen, die ein nachhaltigeres Leben führen wollen, eine große Rolle. Kann Fleisch überhaupt Teil einer nachhaltigen Ernährungsweise sein? Und woran erkennen Verbraucher das beim Einkauf?

Der Naturverbund setzt sich für artgerechtere Tierhaltung ein, wie hier bei Landwirt Heinz Schönell in Uedem. Die Schweine werden dort auf selbst angebautem Gerstenstroh gehalten.

Der Naturverbund setzt sich für artgerechtere Tierhaltung ein, wie hier bei Landwirt Heinz Schönell in Uedem. Die Schweine werden dort auf selbst angebautem Gerstenstroh gehalten.

Foto: Naturverbund Niederrhein

Vegetarisch, vegan, flexitarisch oder doch täglicher Fleischgenuss – es gibt viele Möglichkeiten, sich zu ernähren. Was auf den buchstäblichen Teller kommt, kann für die persönliche Klimabilanz allerdings einen großen Unterschied machen. Vorbei sind die Zeiten, in denen nur die Sorge um das Tierwohl Menschen veranlasst hat, vegetarisch zu leben. Mittlerweile spielen auch Aspekte wie CO2-Verbrauch, Wasserverbrauch und Transport eine erhebliche Rolle bei der Entscheidung. Kann man überhaupt noch mit gutem Gewissen Fleisch essen? Und wie erkennt man nachhaltig produziertes Fleisch im Supermarkt?

Der Fleischkonsum in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Laut des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) hat jeder Deutsche im Jahr 2022 im Durchschnitt 52 Kilogramm Fleisch verzehrt, gut vier Kilogramm weniger als noch im Jahr zuvor. Damit ist der Pro-Kopf-Verzehr so niedrig wie noch nie seit Beginn der sogenannten Verzehrsberechnung im Jahr 1989. Weltweit sieht das aber anders aus. Laut „Food and Agriculture Organisation“ (FAO) der Vereinten Nationen steigt der weltweite Fleischkonsum. Das hat zu Folge, dass immer mehr Flächen für die Tierhaltung benötigt werden, die in der Regel in Massen gehalten werden. Diese Massentierhaltung ist schädlich für das Klima stark, weil dadurch schädliche Klimagase entstehen.

Daher kann sich die Essgewohnheit – insbesondere für Einzelpersonen – auf die persönliche Klimabilanz auswirken, sagt Elisa Kollenda. Sie ist Referentin für Nachhaltige Ernährung und ökologischen Fußabdruck beim „World Wide Fund for Nature“ (WWF) Deutschland. „Wir empfehlen grundsätzlich erst einmal, weniger Fleisch zu essen, rund 300 Gramm pro Person und Woche“, sagt Kollenda. Und wenn Fleisch, dann möglichst in Bio-Qualität. „Das ist in vielen Aspekten nachhaltiger als Fleisch aus konventioneller Haltung“, sagt sie. Doch es kommt ihr zufolge auch auf die Landwirte an. Das EU-Bio-Siegel hat wichtige Vorgaben, wird eine Mehrheit dieser Vorgaben erfüllt sind, sei das auch schon eine Verbesserung, beispielsweise wenn Tierfutter aus der Region kommt und keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt werden.

Den Genuss von Fleisch wieder zu etwas Besonderem zu machen, das entspricht auch dem Grundgedanken des Naturverbundes Niederrhein. Das ist ein Zusammenschluss von mehreren landwirtschaftlichen Betrieben und Metzgereien mit Sitz am Niederrhein, der 1987 von Egidius Thönes gegründet wurde. Beim Naturverbund soll ein möglichst ganzheitliches Produkt entstehen, von der Aufzucht der Tiere über eine möglichst sanfte Schlachtung bis hin zu Verarbeitung und Vertrieb. Bruno Jöbkes, stellvertretender Geschäftsleiter, sagt, Fleisch sei in den vergangenen Jahren fast zur Sättigungsbeilage verkommen. „Dabei ist weniger mehr“, betont er. „Müssen in der Kantine zum Beispiel 150 Gramm Fleisch auf jeden Teller liegen – oder reichen vielleicht auch 100 Gramm?“ Weniger Konsum wäre seiner Ansicht nach ein wichtiger Schritt, um Fleisch wieder aufzuwerten.

Doch ist es überhaupt noch vertretbar, Fleisch zu essen? Fragt man überzeugte Vegetarier oder Veganer lautet die Antwort oft „Nein“. Experte sehen das differenzierter. „Tierische Nahrungsmittel machen den größten Teil der Klimaemissionen beim Konsum aus, in Deutschland aktuell rund 79 Prozent“, sagt Kollenda. Auf Fleisch entfielen dabei 44 Prozent. „Es geht aber nicht nur um den Klima-Fußabdruck, auch die Biodiversität und die genutzte Fläche spielen eine Rolle, wenn es um nachhaltigere Ernährung geht.“ Im derzeitigen „Siegel-Dschungel“, wie Kollenda es nennt, sei es oft schwer, die Nachhaltigkeit eines Produktes im Laden-Regal zu erkennen.

In Frankreich sei das anders, dort gebe es auch die freiwillige Label „Plant Score“, das bereits von einigen Unternehmen genutzt wird. „Da gibt es verschiedene Marker, die mit Hilfe eines Ampelsystems anzeigen, wie gut das Produkt etwa beim Klimafußbadruck, der Biodiversität oder beim Einsatz von Pestiziden abschneidet“, so Kollenda. Das ergebe ein differenzierteres Bild, bei dem Verbraucher sich auf die Bereiche konzentrieren könnten, die sie persönlich interessieren.

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Foto: Unpals/Tijana Drndarski

Denn nachhaltig sei nicht gleich nachhaltig. „Geflügelfleisch zum Beispiel hat im Schnitt die bessere CO2-Bilanz als Schweine- oder Rindfleisch. Gleichzeitig ist dort aber oft die Haltung problematischer als bei anderen Nutztieren“; so Kollenda. Auch der direkte Vergleich mit anderen Produkten ist nur bedingt hilfreich. „Geflügelfleisch hat beispielsweise eine bessere Klimabilanz als Butter“, so die Expertin. Doch da die wenigstens Menschen die gleiche Menge Butter wie Geflügel pro Mahlzeit verwenden würden, sollte das nicht unbedingt ausschlaggebend sein. Für zukünftige Berechnungen sei es deshalb denkbar, den Umweltfußabdruck nicht pro Gewicht, sondern pro Nährstoffgehalt eines Produktes zu berechnen.

Wer trotz all dieser Aspekte Fleisch kauft, dem rät Jöbkes dazu, sich genau über die Herkunft des Produktes zu informieren. „Es gibt viele Landwirte, die – mit oder ohne Zertifizierung – hohe Standards verfolgen“, sagt er. In der Bio-Landwirtschaft werden Nachhaltigkeit und eine artgerechte Tierhaltung seiner Meinung nach am rundesten umgesetzt. „Bio-Fleisch macht mit rund vier Prozent Umsatzanteil nur einen sehr geringen Prozentsatz am verkauften Fleisch aus“, so Jöbkes. „Alle reden über Bio, aber keiner kauft’s.“

Ein Grund dafür sei eben auch der höhere Preis. „Gerade in Zeiten der Inflation kann sich das nicht jeder leisten“, so Jöbkes. Aber auch schon kleinere Veränderungen könnten viel bewirken. „Fragen Sie beim Händler oder im Supermarkt nach, woher das Fleisch kommt und welche Angebote es gibt“, sagt er. „Solche Rückmeldungen beeinflussen den Handel.“ Auch regionales Fleisch aus konventioneller Haltung könne eine Alternative sein, da weniger CO2 beim Transport entsteht. „Es geht uns und vielen anderen aber darum, den Kunden auch schon schrittweise Verbesserungen nahezubringen“, sagt Jöbkes.

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