Zum Tag des Kaffees am 1. Oktober So gelingt guter Kaffee auch zu Hause

Düsseldorf · Vor mehr als 20 Jahren hat der Kölner Michael Gliss als erster Deutscher ein Diplom als Kaffee-Sommelier abgelegt. Im Gespräch mit ihm geht es um die hohe Kunst der Zubereitung, den Boom kleiner Röstereien und das optimale Kaufverhalten.

 Ein Barista verschönert einen Cappuccino.

Ein Barista verschönert einen Cappuccino.

Foto: Stadt Kevelaer

Einen Schwan oder ein Blatt auf einen Cappuccino zaubern kann Michael Gliss zwar nicht, Kaffee ist aber trotzdem seine große Leidenschaft. Und sein Beruf. Der 59-Jährige betreibt in Köln das Gliss Caffee Contor sowie eine Agentur, mit der er Ideen und Konzepte rund um die Themen Kaffee, Genuss und Kulinarik entwickelt. Außerdem darf er sich als Deutschlands ersten Kaffee-Sommelier bezeichnen. Vor mehr als 20 Jahren hat Gliss am Wiener Institut für Kaffee-Experten-Ausbildung als erster Deutscher sein Diplom abgelegt. Mit dem Boom des Kaffees zum Trendgetränk folgten ihm viele andere auf diesem Weg, später kamen unzählige Baristas dazu. Aber der Kölner war sozusagen ein Pionier, einer, der schon früh das Potenzial des Produktes erkannte und alle seine Facetten kennenlernen wollte. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Gliss ist also der ideale Gesprächspartner zum Tag des Kaffees am 1. Oktober.

Sommeliers kennt man ansonsten nur aus der Welt des Weins; in Restaurants beraten diese Experten Gäste hinsichtlich der perfekten Weinauswahl zum Gericht und sind generell verantwortlich für das Weinsortiment. „Beim Kaffee-Sommelier geht es sicher auch um die Frage, wie der Kaffee in ein kulinarisches Konzept passt“, sagt Gliss. So müsse man zum Beispiel viel von Sensorik verstehen, oder wie alternative Milchprodukte einen Cappuccino geschmacklich verändern. Letztlich gehe es aber um die gesamte thematische Bandbreite vom Ursprung des Kaffees, den Anbau und Handel über den Transport bis hin zu Verarbeitung und Zubereitung. „Jeder Teilaspekt würde zu kurz greifen“, sagt Gliss. Während der Barista eher die handwerkliche Kunst der Herstellung abdeckt, sieht der Kölner sich als Experten, der den Kunden möglichst hinführt zu dem Kaffee, der dessen Vorstellungen am nächsten kommt. Sich selbst zu beweihräuchern und zeigen, was er alles herausschmecken könne, sei nicht sein Ding. „Ich möchte dem Kaffeetrinker so viel Freude wie möglich bereiten.“

Unsere liebsten Kaffeeröstereien in Düsseldorf
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Foto: dpa/Fabian Sommer

Unterm Strich scheint das ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen sehr gut zu gelingen. Rund 169 Liter Kaffee werden laut Deutschem Kaffeeverband pro Jahr und Kopf in Deutschland getrunken, die Menge hat sich in den Jahren 2020 bis 2022 um drei bis vier Liter pro Kopf erhöht. Umgerechnet wurden in 2021 rund 500 Millionen Tassen Kaffee mehr getrunken als in 2020. Auch der Außer-Haus-Verbrauch ist stark gestiegen: In den Monaten April bis Juni 2022 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Kaffee in der Gastronomie 56 Prozent über dem Konsum in 2021 und 21 Prozent über dem Level vor Corona im Jahr 2019. Im zweiten Quartal 2022 konsumierten Kaffeetrinker pro Kopf und pro Tag durchschnittlich damit 3,8 Tassen. Das sind fünf Prozent mehr als im Gesamtjahr 2021 (3,6 Tassen) und plus neun Prozent im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019 (3,5 Tassen). Kaffee behauptet sich damit noch vor Bier als der Deutschen liebstes Getränk.

Der Kölner Michael Gliss ist Kaffee-Sommelier.

Der Kölner Michael Gliss ist Kaffee-Sommelier.

Foto: Gliss

Bei der Zubereitung liegt laut Gliss der Filterkaffee vorne. „Das war schon immer so und wird wohl auch so bleiben“, sagt der Sommelier. Rund 65 bis 68 Prozent des Kaffeekonsums entfällt auf den Handfilter. Dass auch immer mehr Szene-Cafés Filterkaffee anbieten würden, liege daran, dass vor einigen Jahren eine Renaissance dieser Zubereitung ausgerufen wurde. „Dabei war sie nie wirklich verschwunden“, sagt Gliss. „Vor zehn oder zwölf Jahren wäre man als Filterkaffeeliebhaber aber noch uncool gewesen, heute ist man ein Kenner.“ Entsprechend groß ist das Angebot an Kaffeesorten mittlerweile, ob gemahlen oder als ganze Bohne. Während die Discounter nur Industrieware bieten, finden sich im Lebensmitteleinzelhandel durchaus auch Produkte von regionalen oder lokalen Röstereien. Aus Gliss‘ Sicht sind das aber hauptsächlich Alibi-Angebote, die nicht stark nachgefragt würden. Qualitativ hochwertige, oft nachhaltig produzierte und fair gehandelte Ware finde man am ehesten in Fachgeschäften oder bei kleinen Röstereien.

Rund 1200 bis 1500 dieser Handwerksbetriebe tummeln sich mittlerweile auf dem deutschen Markt und versuchen den wenigen, oft international operierenden Großkonzernen einen kleinen Anteil abzuzwacken. Die Vorteile der kleinen Röstereien seien laut Gliss zum einen hohe Ansprüche an die gesamte Produktionskette als auch handwerkliche Prozesse, mit denen die Industrie nicht mithalten könne. „Zudem hat man im Fachhandel ein Gegenüber, kann Fragen etwa zur Herkunft stellen, sich Zusammenhänge erklären lassen, auch mal verschiedene Sorten probieren“, sagt Gliss. Neben dieser Transparenz schmecke der Kaffee in der Regel auch besser als industriell geröstete Varianten. „Kaffee ist aber ein natürliches Produkt wie Wein, der aktuelle Jahrgang ist immer ein anderer als der vom vergangenen Jahr“, sagt Gliss. „Die handwerkliche Kunst besteht darin, stets ein gleichbleibendes Ergebnis in der Röstung zu erreichen.“

Der Sommelier verteidigt auch die höheren Preise der Manufaktur-Röstereien. Ein Kaffee für zehn Euro pro Kilogramm habe mit Qualität nichts zu tun und bereite keine Freude. „Ich trinke ja auch keinen Drei-Euro-Wein“, sagt Gliss. Berechne man, dass sich aus einem Kilo Kaffee etwa 100 bis 120 Tassen gewinnen lassen, relativiere sich der Preis, der bei kleineren Röstereien bei 30 bis 40 Euro pro Kilogramm betragen kann. Dies sei aber auch ein Produkt, dass vielleicht in Südamerika handwerklich auf 2000 Meter Höhe von ein paar Leuten hergestellt werde. Gliss: „Das ist jeden Euro wert, weil darin so viel Handwerk, Erfahrung und Leidenschaft stecken.“

Nur wie bekommt man dieses Produkt zu Hause so in die Tasse, dass man diese Qualität auch schmeckt? Als Endverbraucher ließen sich bei der Zubereitung viele Parameter – etwa Mahlgrad, Anpressdruck, Wasserhärte – beeinflussen und so ungünstig verändern, sagt Gliss, dass man damit auch den besten Kaffee verderben könne. Die stärksten Unterschiede zwischen einem guten und einem schlechten Kaffee würde man daheim bei einem Filterkaffee herausschmecken. „Vollautomaten neigen dazu, den Geschmack etwas zu nivellieren“, sagt Gliss, „es kommt aber auch auf die Maschine an und wie sie einzustellen ist.“ Sein Favorit ist der Siebträger, weil sich damit ein wunderbarer Espresso produzieren lasse und dieser wiederum die Grundlage bilde für einen guten Cappuccino. Generell aber sei es eine große Herausforderung, selbst für ihn, geschmackliche Unterschiede herauszuschmecken – dies würde sich zum Beispiel bei Blindverkostungen zeigen.

Gliss empfiehlt, nur kleine Mengen Kaffee zu kaufen, gerade mal so viel, dass es für die nächsten zehn Tage reicht. „Kaffee lebt von der Frische, davon, dass der Sauerstoff ihm nicht das Aroma klaut“, sagt der Sommelier. Oft ließen sich gerade bei Röstereien auch kleinere Mengen erstehen, so dass man mehrere Sorten durchprobieren könne. Billiger Kaffee sei häufig schon an den Bohnen erkennbar, weil mehr Bruch verarbeitet werde, auch die Färbung sei oft ungleich. Je preiswerter der Kaffee, desto billiger der Inhalt, lautet Gliss‘ Faustregel, im Fachgeschäft würden andere Kriterien gelten. „Dort sind die Bohnen schon nach einer ähnlichen Größe ausgewählt“, erklärt der Experte. „Je einheitlicher die Bohnen, desto einheitlicher das Röstergebnis und desto überzeugender das Geschmacksprofil.“

Dass Kaffee aus der Mode geraten oder vom Spitzenplatz der Getränke verdrängt werden könnte, hält Gliss für ziemlich unwahrscheinlich. Dazu sei der Markt zu sehr in Bewegung, würden ständig zu viele neue Variationen kreiert. So seien seit einiger Zeit besonders helle Röstungen aus Skandinavien sehr beliebt. Ausbaufähig sieht Gliss das Angebot an entkoffeiniertem Kaffee, wobei sich bei diesen sogenannten Decafs mittlerweile der Hauch eines Trends abzeichne. Mindestens zwiespältig bewertet der Sommelier die starke Zunahme von hippen Cafés im großstädtischen Raum. „Die klassische Kaffeehauskultur bleibt dabei leider etwas auf der Strecke“, sagt Gliss. „Davon würde ich mir mehr wünschen, weil damit auch ein anderes, etwas älteres Publikum angesprochen wird.“ Generell lasse die Qualität des in der Gastronomie angebotenen Kaffees seiner Meinung nach oft zu wünschen übrig. Daher trinkt Michael Gliss seine favorisierten Kaffee-Varianten, einen Espresso oder einen Café Noisette, am liebsten zu Hause. Vom Experten höchstpersönlich zubereitet.

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