„Kamelle“ an Karneval Düsseldorferin stellt in Manufaktur Bonbons her

Düsseldorf · Das Bonbon erfährt an Karneval im Rheinland mit den Rufen der Jecken eine lautstarke Würdigung. Ansonsten ist es doch etwas verpönt. Der richtige Zeitpunkt also für eine Ehrenrettung und einen Besuch in einer Bonbonmanufaktur.

So werden Bonbons gemacht
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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Im Kochtopf blubbern Zucker, Glukose und Wasser, immer wieder richtet Yvette Kuth eine Art Pistole auf die Oberfläche. Mit dem Laserthermometer überwacht sie die Temperatur der Masse. Das Wasser muss auf den perfekten Anteil reduziert werden, zwei bis drei Grad entscheiden darüber, ob das Bonbon zu hart wird oder verbrennt. Bei rund 155 Grad hat die Masse die perfekte Temperatur erreicht. Yvette Kuth gibt Johannisbeeraroma dazu, es dampft und wabert – wie in einer Hexenküche.

In ihrer Bonbonmanufaktur „Snoep­jes“ kocht die Düsseldorferin kiloweise Bonbons. Kräftezehrend wird die Arbeit, wenn die Zuckermasse fertig gekocht und aromatisiert ist: Dann wird sie in einen Metallrahmen gegossen, die Hälfte wird eingefärbt. die andere mit Zitronensäure bestreut. Wichtig beim Bonbonkochen ist Wärme. Die Stücke liegen bei Kuth auf einer riesigen Heizplatte. Die bunten Stücke sollen knackiger, glänzender Glaszucker werden, das ungefärbte Stück wird das Innere. Und deshalb kommt es an den Haken, der an der Wand hängt. Daran wird der Zucker eingehakt und immer wieder in die Länge gezogen, seine Farbe verändert sich von durchsichtigem Beige in mattes Weiß. Wie Baiser. „Ich arbeite so Luft ein, die gibt dem Bonbon später diesen Crunch-Effekt“, sagt Kuth. Aus den beiden Massen baut sie ein Riesen-Bonbon, das sowohl im Großen als auch in der späteren mundgerechten Variante gleich aussieht. Diesen Riesen zieht sie zu einem langen, immer dünneren Strang, von dem dann die einzelnen Bonbons abgeschnitten werden. Das muss zügig gehen, denn der Zucker verliert auch auf der Wärmeplatte seine Elastizität.

Weil Zucker früher so teuer war, war das Bonbon etwas Besonderes. An Karneval rufen alle Jecken am Zug „Kamelle, Kamelle“ – das Wort stammt laut Sprachforscher Peter Honnen vom Französischen „caramel“ für Karamell, gebrannten Zucker – und wollen doch eigentlich ganz andere Dinge: Schokolade, Pralinen, Gummibärchen. Immer häufiger werden heutzutage auch kleine Geschenke geworfen. Für Kamelle bückt sich allerdings kaum noch einer. Sie bleiben oft unbeachtet liegen und kleben noch Tage später unter den Schuhen fest.

Das wäre bei den handgemachten Bonbons von „Snoepjes“ sicher nicht der Fall. Dafür wären sie auch zu schade und zu teuer. 4,80 Euro kosten 65 Gramm Fruchtbonbons im Glas, 6,80 Euro 200 Gramm in der Tüte. Es gibt sie im Onlineshop oder vereinzelt auch im Einzelhandel. „Unsere Bonbons sind ein Genussmittel“, sagt die Zuckerbäckerin, die ihre Werkstatt, in der sie auch Workshops anbietet, passenderweise neben einer Zahnarztpraxis hat. „Davon stopft man ja nicht in 20 Minuten eine Tüte in sich rein.“ Dafür seien sie schon allein viel zu hart. In der Bibliothek hat die Mutter eines Sohnes zuletzt lauter Bücher gesehen mit Titel wie „40 Tage ohne Zucker“ oder „60 Tage ohne Zucker“ – „das wäre schlimm für mich“, sagt sie. Zucker gehört für sie dazu.

Yvette Kuth arbeitete früher in der IT-Branche, dann nutzte sie eine Umstrukturierung – die Personalabbau bedeutete – für einen Neuanfang. „Meine Abfindung hat mir den Start in die Selbstständigkeit ermöglicht“, sagt sie. Zunächst begab sie sich für sechs Monate auf eine Bonbon-Expedition nach Schweden, Dänemark und nach Amsterdam. Dort haben Süßigkeiten wie Zuckerstangen und Lakritz einen ganz anderen Stellenwert, sagt sie. „In den Niederlanden kaufen sich auch Erwachsene jede Woche eine süße Tüte“, sagt Kuth. „Snoepjes“ heißt auf Niederländisch Bonbons, Süßigkeiten. Und dort würden wohl nur wenige auf die Idee kommen, außer aus religiösen Gründen monatelang auf Zucker zu verzichten.

 9. Bunt wie ein Regenbogen: Fertig sind die Kissenbonbons mit Johannisbeer- geschmack.

9. Bunt wie ein Regenbogen: Fertig sind die Kissenbonbons mit Johannisbeer- geschmack.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Als sie vor elf Jahren begonnen hat, hatte Yvette Kuth nach eigenen Angaben die erste Bonbonmanufaktur in Deutschland. Ihr Hauptgeschäft sind Bonbons für Firmen oder Hochzeiten. Zehn Kilogramm für eine Hochzeit mit den Anfangsbuchstaben des Paares kosten unverpackt 280 Euro. Gerade bei den Bonbons mit Motiv sind Erfahrung und Wissen gefragt. „Alles Symmetrische ist eigentlich kein Problem, asymmetrische Dinge sind schwierig.“ Und selbst einer erfahrenen Bonbonmacherin passieren Fehler, so dass ein Schriftzug spiegelverkehrt ist. Diese Fehl-Produkte landen mitunter in der Kiste für den Kinder-Karneval. Und so werden aus „Snoepjes“-Bonbons dann auch Kamelle.

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