Türkische Küche aus Düsseldorf Kochen wie im Ramadan

Düsseldorf · Während der türkischen Fastenzeit kommen viele Gerichte auf den Tisch, die es nur in diesen Tagen gibt. Das Düsseldorfer Ehepaar Orhan und Orkide Tançgil hat fast 70 Rezepte dazu im Kochbuch „Bayram“ versammelt.

 Reich gedeckte Tafel mit türkischen Gerichten.

Reich gedeckte Tafel mit türkischen Gerichten.

Foto: Christian Verlag

Beiläufig nippt Orhan Tançgil während des Gesprächs an seinem Kaffee. „Wir sind zwar gläubig, aber nicht praktizierend“, erklärt der türkischstämmige Düsseldorfer den Verstoß gegen die Regeln des Fastenmonats Ramadan. „Wir lieben mehr die Traditionen, die damit verbunden sind, das gegenseitige Einladen zum Beispiel“, sagt Orhans Frau Orkide. Gefastet wird im Hause Tançgil nicht. Die Liebe zur türkischen Küche und Kultur hat das Ehepaar aber inspiriert, den kulinarischen Gepflogenheiten rund um Feste und Feiertage nachzugehen und einige davon festzuhalten. Auf Hunderte von Rezepten sind die beiden gestoßen, etwa 70 davon haben sie in ihrem neuen Kochbuch „Bayram“ verewigt. „Es ist das erste Buch über türkische Feiertage in Deutschland“, sagt Orkide Tançgil, „es gibt nicht mal eines auf Türkisch.“

Bayram ist die türkische Bezeichnung für Feier- und Festtage. Am bekanntesten ist hierzulande sicher der Fastenmonat Ramadan, der mit dem dreitägigen Ramadanfest, auch bekannt als Zuckerfest, endet. In diesem Jahr hat der Fastenmonat am 2. April begonnen und endet am 2. Mai. Das Buch geht unter anderem auch auf das Opferfest, die Kandil-Nächte und den Aschura-Tag sowie Neujahr ein. Den größten Raum aber nimmt der Ramadan ein. In Deutschland gebe es viel Nachholbedarf, was die Kenntnisse über Bedeutung und Ablauf des Fastenmonats betreffen, sagt Orkide Tançgil. „Viele Menschen denken, das Fasten funktioniert so wie bei den Christen, man verzichtet auf bestimmte Speisen und nach 30 Tagen wird richtig gefeiert. Das ist aber nicht so.“

Während des Fastenmonats verzichten gläubige Muslime nämlich nur von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf alle Genüsse. Dazu zählen natürlich Essen und Trinken, aber auch beispielsweise Rauchen, böse Gedanken und Äußerungen. Man soll in dieser Zeit viel meditieren, Gebete sprechen, zu sich kommen. Nach dem Sonnenuntergang folgt das Fastenbrechen gemeinsam mit der Familie, Freunden oder Bekannten. Vor der Morgendämmerung darf ein Frühstück eingenommen werden. Generell gehe es darum, Dankbarkeit zu zeigen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, sich mit der Familie und Freunden auszusöhnen und Ärmeren zu helfen, erklärt das Ehepaar. „Türkische Restaurants öffnen in dieser Zeit etwa ihre Türen für Bedürftige“, sagt Orhan Tançgil, „am Eingang steht dann: ,Komm herein und iss etwas’.“

 Orkide und Orhan Tançgil

Orkide und Orhan Tançgil

Foto: Christian Verlag

Die Tançgils arbeiten schon seit Jahren daran, die Vielfalt der türkischen Koch- und Lebenskultur in Deutschland zu verbreiten. Beide führen einen Laden mit türkischer Feinkost in Düsseldorf, veranstalten Kochkurse, betreiben einen Food-Blog (kochdichtuerkisch.de) und haben schon mehrere Kochbücher veröffentlicht. Zwar sei die türkische Küche noch meilenweit davon entfernt, so selbstverständlich in den deutschen Alltag integriert zu werden wie etwa die italienische, aber es habe sich schon viel getan. „Eines der ersten Gerichte, die wir online gestellt haben, war der damals hier noch vollkommen unbekannter Bulgursalat“, erzählt Orhan Tançgil. „Heute bekommt man fertige Bulgursalate im Supermarkt, und in den Kantinen werden Köfte angeboten.“

Auch die Akzeptanz des Ramadan in Deutschland habe sich verändert, sagt der 48-Jährige. Während in seiner Schulzeit viele Lehrer fastende Türken noch mit Argwohn betrachtet hätten, werde die Tradition heute breiter wertgeschätzt. „Das liegt vielleicht auch daran, dass Achtsamkeit und Intervallfasten heute zum Alltag gehören“, sagt Orkide Tançgil. Gesundheitliche Aspekte hätten teils religiösen Charakter angenommen, was andererseits dabei helfe, religiöse Traditionen zu akzeptieren. Allerdings gehen auch viele Türken eher leger mit den Gebräuchen um, nicht alle halten sich an die Regeln des Ramadan. Da sich die islamischen Feiertage wegen des Mondkalenders jedes Jahr um etwa elf Tage verschieben, durchlaufen sie innerhalb von ungefähr 33 Jahren einmal das komplette Jahr. Heißt aber auch: Wenn der Ramadan in Deutschland auf den Sommer fällt, muss bis zu 18 Stunden gefastet werden. „Das ist natürlich hart“, sagt Orhan Tançgil, „aber hinterher schmeckt einem das Wasser besonders gut, und man ist dankbar dafür.“

Wegen der körperlichen Belastung müssen zum Beispiel alte Menschen, Kranke, Schwangere oder Stillende nicht fasten, können dies aber nachholen, wenn sie möchten. Generell gilt es, während der Fastenzeit bestimmte Regeln zu beherzigen. Es geht darum, den Magen nicht zu überfordern, am Abend langsam zu essen, leichte, keine fettige Kost zu sich zu nehmen und viel zu trinken, um die Defizite des Tages auszugleichen. „Angefangen wird oft mit einer leichten Suppe“, sagt Orkide Tançgil, „wer sich zu einem Festgelage hinreißen lässt, bereut das sehr schnell.“ Beim Essen sollen Pausen eingelegt, das Bewusstsein für die Genüsse geschärft werden. Einige Menschen würden auch danach ihre Ernährung umstellen und auf bestimmte Dinge verzichten.

Mit dem Kochbuch der Tançgils lässt sich auch am heimischen Herd ein Gefühl für die Küche des Ramadanmonats entwickeln, die stark abweicht von der Alltagsküche. Gut eigne sich dafür Güllaç, sagt Orkide Tançgil – hauchdünne Reis- oder Stärkeblätter, die in Milchsirup eingeweicht und mit Nüssen und Früchten geschichtet werden. „Das ist eine leichte und sehr leckere Nachspeise“, sagt die 47-Jährige. Ihr Mann empfiehlt Schmorgerichte wie Lammragout mit Quitten, gerade auch passend zum Osterfest. „Oder man geht einfach mal in eine türkische Bäckerei und lässt sich Spezialitäten zu Ramadan empfehlen, etwa Fladenbrot mit Ei bestrichen oder Sesampaste“, sagt Orhan Tançgil.

Durch die Pandemie haben die Zusammenkünfte im Ramadan in den vergangenen zwei Jahren stark gelitten, erzählen die Tançgils. Dies ändere sich aber gerade wieder. Zudem gibt es im Sommer weniger geselliges Fastenbrechen, weil die Sonne so spät untergeht. Gerade aber auf das Miteinander komme es im Ramadan an, sagt das Ehepaar, Zusammenhalt, Gastfreundschaft und Dankbarkeit würden groß geschrieben, gegenseitige kultur- und religionsübergreifende Einladungen gehörten zum Fastenbrechen dazu. Bis alles im Ramadanfest seinen Höhe- und Endpunkt findet. Mit dem Kochbuch der Tançgils demnächst vielleicht auch in manchem deutschen Haushalt.

Info Orkide und Orhan Tançgil, „Bayram - 65 Rezepte für das Ramadan-Fest und alle islamischen Feiertage. Das Beste zum Zuckerfest!“, Christian Verlag, 192 Seiten, 29,99 Euro (ab 19. April im Handel oder über kochdichtuerkisch.de)

Rezept

Lammragout mit Quitten

Zutaten (für sechs bis acht Personen)

1 kg Lammfleisch aus der Keule, gewürfelt (etwa 2 bis 3 cm groß), 1 ½ EL Mehl, 500 g sehr kleine Schalotten oder Perlzwiebeln, abgezogen, 1 ½ EL salça (gewürztes Tomaten- oder Paprikamark), 3 bis 4 EL Butter, 7 bis 8 frische Zweige Thymian, Blätter abgezupft, ½ TL Koriandersamen, im Mörser zerstoßen, 1 TL Baharat-Gewürzmischung, 1 TL Salz, ½ TL gemahlener Pfeffer, 2 EL nar ekşisi (100 % Granatapfeldicksaft), 2 Lorbeerblätter, 2 kleine türkische Quitten, geachtelt und entkernt, etwas frischer Thymian zum Garnieren

Zubereitung

Weiten Schmortopf (schweren Topf aus Edelstahl oder Gusseisen) erhitzen, Lammfleisch ohne weitere Fettzugabe von allen Seiten scharf anbraten, bis es Farbe bekommt und sich vom Topfboden löst. Mehl dazugeben und unterrühren. Schalotten und Tomatenmark hinzufügen und 2 bis 3 Minuten mitbraten.

Butter, Kräuter, Gewürze und Granatapfeldicksaft zum Fleisch geben und alles mit kochendem Wasser auffüllen, bis das Fleisch gerade so bedeckt ist. Den Bratensatz mit dem Holzlöffel vom Topfboden lösen und unterrühren, damit die Aromen in die Sauce übergehen. Lorbeerblätter und Quitten mit der Schale nach oben dazugeben. Alles kurz aufkochen und dann bei aufgesetztem Deckel und niedriger Temperatur 1 bis 1 ½ Stunden schmoren lassen, bis das Fleisch butterzart wird. Heiß mit frischen Kräutern garniert servieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort