Unverzichtbarer Alleskönner Ein Hoch auf die Tomate
Ohne die rote Frucht geht fast nichts in den Küchen der Welt. Wie vielseitig das Nachtschattengewächs ist und warum es so wichtig ist, auf Qualität zu achten, kann man nun in einem neuen Kochbuch nachlesen.
Ohne Tomate geht (fast) nichts. Die rote Frucht mit dem unverwechselbaren Aroma ist nicht nur in unserer Küche unverzichtbar. Kein Wunder, dass bei den Hamsterkäufen der Corona-Zeit Tomaten in Dosen mit zu den am schnellsten ausverkauften Produkten gehörten. Denn im Gegensatz zu manch anderem Gemüse kann man bei der Tomate zumindest beim Kochen genauso gut auf konservierte Varianten zurückgreifen, ohne dass der Geschmack leidet. Ganz im Gegenteil: Gerade Flaschen- oder Kirschtomaten aus der Dose besitzen einen erstaunlich intensiven Geschmack – einen Geschmack, den man bei frischen Tomaten leider häufig vergeblich sucht.
Denn allzu oft stammen unsere Tomaten aus Gewächshäusern und haben das Licht der Sonne nie direkt gesehen. Das macht sich bemerkbar. Frisch vom Feld oder aus dem heimischen Garten schmecken sie häufig viel aromatischer. Deshalb plädiert Autorin Claire Thomson in ihrem neuen Buch dafür, Tomaten nur in der Saison, also im Sommer, frisch zu verwenden und im Winter auf importierte Tomaten aus fernen Gefilden zu verzichten: „Wechseln Sie einfach je nach Jahreszeit von frischen zu konservierten Früchten.“
Die britische Köchin hat sich in einem neuen Kochbuch ganz dem roten „Paradiesapfel“ gewidmet. Der Titel „To Mate“ ist dabei natürlich doppeldeutig zu verstehen: Als Verb bedeutet es auf deutsch „sich zu paaren“ – sich auf eine Liaison mit diesem Tausendsassa der Küche einzulassen, fällt nicht schwer. „Tomaten verleihen gekochten Gerichten Tiefe. Sie ergänzen Saucen, zerfallen und dicken die Flüssigkeiten an, machen sie cremig und samtig“, schwärmt Thomson in ihrem Buch.
Die Tomate gehört zu den Nachtschattengewächsen und stammte ursprünglich aus Südamerika. Eigentlich eine Wildpflanze, wurde sie schon im Mittelalter in Mexiko kultiviert. Die spanischen Eroberer brachten schließlich die ersten Samen mit nach Europa. Und da Tomaten auch nicht nur Geschmacksträger, sondern auch gesund sind, setzte sich die rote Frucht immer weiter in den Küchen der Welt durch. Heute werden jährlich weltweit 180 Millionen Tonnen Tomaten angebaut. Sie besitzen reichlich Vitamin C, Kalium und Ballaststoffe. Dabei bestehen sie zu 94 Prozent aus Wasser und besitzen nur 17 Kalorien pro 100 Gramm.
Die Autorin hat für die 80 Rezepte ihres Buches rund 75 Kilogramm frische Tomaten plus fast 100 Dosentomaten und etwa 25 Tomatenmark-Tuben verbraucht. Sie beschreibt ihr Buch als „einen Liebesbrief an die Tomate“ und das Häuten frischer Tomaten als sinnlichen Akt: das Einritzen einer festen, frischen, aromatischen Tomate mit einem scharfen Messer, die man dann für zehn Sekunden in sprudelnd kochendes Wasser taucht. Anschließend kommen sie sofort in eine Schüssel mit Eiswasser. Nach weiteren zehn Sekunden „gleitet die Haut ab wie dickes Wachspapier. Darunter erscheint ein weiches, hellrosafarbenes und fast schillerndes Fleisch“. Dabei komme sie sich vor, „wie bei Rumpelstilzchen und dem zu Gold gesponnenen Stroh“. Zahlreiche künstlerisch anmutende Fotos verdeutlichen die Erklärungen der Arbeitsschritte anschaulich und sinnlich.
Die Vielseitigkeit der Tomate ist dabei wirklich beachtlich. Man kann sie als Würzmittel verwenden, für Suppen oder Salate. Viele Saucen erhalten durch die Frucht erst Geschmack. Aber auch gebraten und frittiert macht sie etwas her. Man kann sie auch schmoren, kochen, backen oder rösten – für jedes Gericht scheint es die passende Tomate zu geben, was Claire Thomson beweist. Als Würzmittel eignen sich vor allem frische Tomaten, prall und aromatisch. Die als Ketchup, Tomaten-Chili-Konfitüre, Salsa oder als Chutney verarbeiteten Tomaten kann man in Gläser abfüllen und im Laufe des Jahres nach und nach zum Verfeinern von Gerichten verwenden.
Tomatensuppe ist natürlich ein Klassiker, bei Jung und Alt gleichermaßen beliebt. Tomaten eignen sich hervorragend für die Zubereitung von Suppen, „denen sie fruchtiges Aroma und eine samtige Konsistenz verleihen“. Es gibt Unmengen an Rezepten, Claire Thomson hat für das Kochbuch ihre liebsten acht Suppen zusammengestellt, wobei manche mit frischen Tomaten und manche mit konservierten gemacht werden.
Die kalte Gemüsesuppe Gazpacho kennen die meisten sicher; eine Rösttomaten-Joghurt-Suppe mit Pinienkernen und Minze ist schon deutlich origineller. Die Methode, eine Suppe mit einer Mischung aus Ei und Joghurt sowie ein wenig Mehl anzudicken, hat die Köchin aus der türkischen Küche übernommen. Die Tomaten werden für die Suppen vorher im Ofen mit Knoblauch gespickt geröstet, bis sie weich sind und an den Rändern karamellisieren. Erst dann püriert die Köchin die Früchte für die Suppe.
Für Salate sei die Tomate „wie gemacht“, schreibt Thomson. Sie versucht, ihre Salate ausgewogen zu gestalten, mit Obst und mit frischen Kräutern. Dabei regt sie an, selbst kreativ zu werden und ungewöhnliche Kombinationen zu vagen. Sie kombiniert Tomaten mit Pfirsichen, Weintrauben, Feta und Oregano und sorgt so für Geschmacksexplosionen im Mund. Der italienische Brotsalat Panzanella mit Sardellenfilets muss gut durchziehen, damit der Saft der Tomaten hier geschmacklich Wunder wirken kann. Salat Nicoise ist ein Klassiker, der nicht nur im Südfrankreich-Urlaub gut schmeckt. Und auch das Tomaten-Carpaccio mit Fenchel und Rucola bekommt mit einer Tapenade aus Oliven und Sardellenfilets ein mediterranes Flair.
Tomatensaucen passen zu allem, mehr als ein paar Nudeln braucht es oft nicht. Es geht aber auch deutlich raffinierter, wie die Britin hier belegt. Sie kreiert eine Sauce aus geriebenen Tomaten mit Ingwer und Koriander und serviert sie zu gegrilltem Fisch oder Fleisch. Bei der Muskatnuss-Mascarpone-Sauce (mit Bratwurst) „verbindet sich die warme Nussnote des Gewürzes herrlich mit der Säure der saftigen Tomaten und dem üppigen Mascarpone“. Das A und O bei den Saucen sind die hochwertigen Früchte, aus denen sie gemacht sein sollen: „Besorgen Sie unbedingt die reifsten, süßesten und prallsten Exemplare, die Sie bekommen können“, rät Claire Thomson. Einer „einfachen Tomatensauce“ verleiht sie Aroma mit Basilikum, Majoran, Oregano und rührt am Ende auch noch etwas hochwertiges Olivenöl unter.
Gebraten und frittiert offenbart die Tomate ganz neue Möglichkeiten. Im Mixer glatt pürierte Rösttomaten verleihen den Tomaten-Falafeln eine klinkerrote Farbe. Dabei rät die Köchin, das heiße Öl in einer (hohen) Pfanne immer mit dem Küchenthermometer zu messen: Ist das Fett zu kalt, wird sich das Gargut nur damit vollsaugen; so wird es schlaff und unansehnlich. Ist das Fett zu heiß, nimmt das Hineingeworfene zu rasch Farbe, das Innere jedoch bliebe dann zu rot, so die Expertin. Sie paniert Tomatenscheiben auch wie ein Schnitzel, brät sie und gibt sie anschließend in eine Auflaufform, um sie mit einer Sahne-Senfcrème zu überbacken – fertig ist eine originelle Beilage etwa zu Backhähnchen.
Im Kapitel „Geschmort & Gekocht“ offenbart sich das Talent von Tomaten, jedem Gegartem im eigenen Saft Tiefe zu verleihen. Beim Butter-Hähnchen nach indischer Art mit Ingwer, Garam masala und getrockneten Bockhornkleeblättern oder bei der Tajine mit Hähnchen kann das Fleisch vorher gegrillt werden oder gleich roh in die Sauce kommen, je nach Geschmack. Originell sind auch die Tomaten-Köfte: Mit Bulgur und Lamm- oder Rinderhack formt die Köchin Hackbällchen, die sie in die ausgehöhlte Tomatenhälfte legt und mit der zweiten Hälfte schließt. In Tomatensoße gegart, kann man die Tomaten-Köfte anschließend mit Salat und Fladenbrot essen. Bei Tomate lässt sich fast nichts falsch machen. Nur die richtige Frucht sollte es sein.
Info Claire Thomson, To Mate, 80 Rezepte feiern die Tomate, Sieveking Verlag, 208 S., 36 Euro.
REZEPTE
Zaalouk
Zaalouk ist ein marokkanisches Gericht, beliebt in ganz Nordafrika. Man sollte es unbedingt mit Fladenbrot zum Auftunken der Sauce servieren.
Zutaten (für vier Personen): 1 große Aubergine, 3 EL Olivenöl, plus mehr zum Servieren, 1 Zwiebel, in dünne Ringe geschnitten, 2 Knoblauchzehen, in dünne Scheiben geschnitten, 400 g Tomaten oder 1 Dose Flaschentomaten (400 g), grob gehackt, 1 EL Tomatenmark, 1 TL gemahlener Kreuzkümmel, 1 große Prise Chiliflocken, plus mehr zum Abschmecken, 1 TL Paprikapulver (edelsüß oder rosenscharf), Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, 1 kleines Bund Koriandergrün, Blätter abgezupft und grob gehackt, zum Servieren
Zubereitung: Einen Grill (oder den Backofengrill) vorheizen. Alternativ die Aubergine über der offenen Flamme des Gasherds rundherum schwärzen. Das Fleisch sollte vollständig weich sein und in sich zusammenfallen. Das dauert etwa 15 Minuten – die Zeit variiert je nach Größe der Aubergine. Die Aubergine anschließend so abkühlen lassen, dass sie sich gut häuten lässt. Die Haut entsorgen.
Das Olivenöl in einem Topf bei mittlerer Temperatur erhitzen. Die Zwiebel darin etwa 10 Minuten anschwitzen. Den Knoblauch hinzufügen und 1–2 Minuten mitgaren, er sollte duften. Dann die Tomaten, das Tomatenmark und die Gewürze einrühren. Alles kräftig mit Salz und Pfeffer abschmecken und die Temperatur auf mittlere bis niedrige Stufe reduzieren. Einen Deckel auflegen und alles weitere 10–15 Minuten garen, bis die Sauce andickt.
Auf einem Arbeitsbrett das abgekühlte Auberginenfleisch klein hacken und in die Tomatensauce rühren. Das Ganze etwa 3 Minuten sanft garen, damit alles warm wird. Die Aubergine dickt die Sauce weiter an und macht sie sämig. Mit Salz, Pfeffer und Chiliflocken abschmecken. Dann vom Herd nehmen.
Die Tomaten-Auberginen-Sauce auf einer Servierplatte verteilen, mit etwas Koriandergrün bestreuen und mit Olivenöl beträufelt servieren.