Der Negroni wird 100 Gemixt für Liebeskummer

Vor 100 Jahren inspirierte Graf Camillo Negroni einen Barmann zu einem Drink, der bis heute als Klassiker gilt. Aber auch um andere hochprozentige Genüsse ranken sich Geschichten.

 Wodka Martini mit Oliven

Wodka Martini mit Oliven

Foto: shutterstock.com/ Evgeny Karandaev/Shutterstock

Manchmal reicht ein wenig trübe Laune, um einen Klassiker zu kreieren. Aus unbekanntem Grund fühlte sich Graf Camillo Negroni an einem Tag des Jahres 1919 nicht besonders wohl – wahrscheinlich ging es um Frauengeschichten, galt der Graf doch als umtriebiger Lebemann. Also bat er den Bartender Fosco Scarselli im Florentiner Caffé Casoni, seinem üblichen Americano doch etwas mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Scarselli ersetzte einfach das Wasser durch Gin: Der Negroni war geboren.

Ein Drink, zu gleichen Teilen bestehend aus Gin, rotem Wermut und Campari, der sich rund um den Globus verbreitete und in fast jeder Bar zum Repertoire gehört. Was der Graf damals natürlich nicht ahnen konnte. Der Getränkehersteller Campari feierte den 100. Geburtstag seines „Signature Drinks“ in diesem Jahr mit einem zweitägigen Fest in Mailand und dem Film „Entering Red“. Dabei hat nicht nur der Negroni eine Geschichte zu erzählen – auch hinter anderen populären Cocktails steckt oft mehr als lediglich hochprozentige Ingredenzien.

Da wäre der Mojito, dem der sehr dem Alkohol zugeneigte Schriftsteller Ernest Hemingway zu einigem Ruhm verhalf. Der Nobelpreisträger trank den Cocktail aus Rum, Limettensaft, Rohrzucker und Minze am liebsten in der kubanischen Bar Bodeguita del Medio, die bis heute als eine Art Mojito-Mekka gilt. Erfunden hat er ihn allerdings nicht, wird der Mojito bereits 1932 in Sloppy Joe‘s Barbuch erwähnt. Der Name soll entweder auf die Mojo-Soße verweisen, so eine Theorie, oder auf den im Santeria-Glauben der kubanischen Sklaven verankerten Mojo-Zauber. Wie auch immer, hat es der Mojito zum Nationalgetränk Kubas gebracht und weltweit in die Bars geschafft.

Apropos Bar: In die Holztäfelung des Lokas „El Floridita“ auf Kuba wurde „Wiege des Daiquiri“ geschnitzt, was der frühere Stammgast Hemingway wohl unterschreiben würde, aber unterschiedlichen Quellen zufolge nicht stimmt. Neben dem Mojito war der aus weißem Rum, Limettensaft, Zuckersirup und Eis gemixte Daiquiri Hemingways zweite liquide Leidenschaft. Über die Entstehung gibt es verschiedene Versionen: So soll ein Bergbau-Ingenieur im Dorf Daiquiri 1896 der Gin ausgegangen sein, mit dem er seine Arbeiter bewirtete. Stattdessen nahm er Rum und mischte Limettensaft und Zucker hinzu, um den fuseligen Geschmack zu übertünchen. Ein US-Offizier soll den Drink nach Washington exportiert haben, auch als Mittel gegen Skorbut. Oder US-Soldaten haben sich das Getränk 1898 am Strand von Daiquiri vor der Invasion Kubas von Einheimischen abgeschaut beziehungsweise mit kubanischen Freiheitskämpfern entwickelt. Vor allem aber freuten sich wohl amerikanische Prohibitionsflüchtlinge über den fruchtigen wie alkoholhaltigen Drink. Die Frage Daiquiri oder Mojito beantwortet der ansonsten Martini-affine James Bond in „Stirb an einem anderen Tag“: „You should try it“, du solltest ihn probieren, empfiehlt er Jacintha Johnson alias Halle Berry.

Was natürlich direkt zum Martini führt, dem ureigensten Bond-Drink. „Geschüttelt, nicht gerührt“ trank er ihn bereits im ersten Roman von Ian Fleming im Jahr 1953, allerdings als Wodka-Martini-Variante mit einem Schuss des heute nicht mehr erhältlichen Aperitifs Kina Lillet versetzt, dazu kamen Wodka und Gordon‘s Dry Gin. Fleming nannte den Drink Vesper, nach dem Bond-Girl Vesper Lynd, einer russischen Doppelagentin. So prallten auch im Cocktail Ost (Wodka) und West (Gin) aromatisch aufeinander.

Wenn der oberste Geheimdienstler Ihrer Majestät den Martini auch bei einem breiten Publikum bekanntmachte, so bewegte er sich doch auf lange bestelltem Terrain. Zum ersten Mal tauchte der Martini als Martinez 1887 in Jerry Thomas‘ „Bartenders Guide – How to mix Drinks“ auf, einer Art Bibel für Cocktailfreunde, damals noch gemischt aus Maraschino, Bitters, Wermut und Old Tom Gin. Ausgehend von dieser Rezeptur entwickelten sich bald weniger süße Varianten, die mit Olive im Kelchglas serviert wurden – als häufig verwendetes Bar-Logo wohl bis heute das Symbol für Cocktails schlechthin. Dementsprechend gilt der Martini auch als König der Cocktails und wird in jeder Lounge serviert.

 Vielleicht noch verbreiteter, weil auch auf Terrassen ausgeschenkt, ist der Aperol Spritz. Kaum eine italienische (und europäische) Piazza, auf der Menschen im Sommer nicht mit Gläsern anstoßen, deren Inhalt – Prosecco, Aperol und Soda – orangefarben in der Nachmittagssonne schimmert. Seinen Siegeszug hat der fruchtige Cocktail in den 1950er Jahren angetreten, obwohl es den Aperol als leichtere Variante des Campari schon seit 1919 gibt.

Zum internationalen Trendgetränk wurde der Aperol Spritz aber erst in den 2000ern, als sich Campari Aperol einverleibte und aggressiver vermarktete. Wobei mit der steigenden Beliebtheit bei den Konsumenten der Frust unter den Barbetreibern wuchs, weil diese den sommerlich erfrischenden Cocktail als zu leichtgewichtig erachteten. Am Erfolg hat das bis heute nichts geändert. Und wer weiß, vielleicht erlebt auch der Aperol Spritz wie der Negroni seinen 100. Geburtstag. Campari wird’s freuen.

Cocktail-Rezepte (pro Glas)
Mojito

5cl weißer Rum, 6cl Soda, 1 Limette, 4 El Crushed Ice, 2 Tl brauner Zucker, 8 Blätter Minze

Daiquiri

6 cl weißer Rum aus Kuba, 3 cl frischer Limettensaft, 2 cl Rohrzuckersirup, 6 große Eiswürfel


Dry Martini

6cl Gin, 1 cl Wermut (trocken), Eiswürfel, Zitronenschale, Zitrone oder eine grüne Olive

Aperol Spritz

60 ml Prosecco, 40 ml Aperol, 1 Spritzer Mineralwasser, Eiswürfel

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