Kochbuch über Hühner Vom Schnabel bis zum Bürzel
In seinem neuen Kochbuch „Das ganze Huhn“ erklärt Steffen Kimmig, wie sich Geflügel komplett verwerten lässt. Neben vielen Rezepten liefert er auch Hintergründe und Tipps zu Lagerung und Zubereitung.
Tiere in der Küche in Gänze zu verwenden, hat sich seit Jahren in vielen Restaurants und Haushalten etabliert. „From Nose To Tail“ heißt das Konzept, von der Nase bis zum Schwanz. Vor allem bei Rind und Schwein ist es mittlerweile üblich, auch vermeintlich unattraktivere Partien zu hochwertigen und leckeren Gerichten zu verarbeiten. Koch und Autor Steffen Kimmig legt das Prinzip nun auf Hühner um und bietet in seinem neuen Buch „Das ganze Huhn“ etliche Ideen vor, wie sich Geflügel vom Schnabel bis zum Bürzel verwenden lässt. „Gerade bei Geflügel lohnt es sich, das Tier im Ganzen zu kaufen“, schreibt Kimmig in der Einleitung des Kochbuchs. „Dadurch unterstützen wir die Geflügelbauern, die Tiere artgerecht zu halten, und verringern die Züchtung von Tieren, die nur das Ziel hat, bestimmte Körperteile wie die Brust stärker auszubilden.“
Kimmig beschreibt, wie er in seiner Zeit als Koch in verschiedenen Spitzenrestaurants oft abends noch Hühnchen, Enten oder Puten rupfte und die Tiere ausnahm. In den Tagen danach hätten dann köstliche Gerichte mit Brust, Keulen und Flügeln auf der Karte gestanden, aber auch mit Innereien oder dem ganzen Tier. Wer es nicht schaffe, gleich das gesamte Huhn zu verzehren, könne die einzelnen Teile sehr gut einfrieren und später benutzen. Kimmig gibt in den einzelnen Kapiteln mit Rezepten auch Tipps, wofür sich einzelne Teile des Huhns besonders eignen beziehungsweise welche speziellen Eigenschaften sie besitzen, auf die beim Braten, Kochen oder Schmoren zu achten ist. Und er stellt auch scheinbar Exotisches vor. Denn Gerichte mit Perlhühnern, Wachteln oder Tauben seien nicht nur Restaurants vorbehalten, sondern gut zu Hause zuzubereiten. „Tantris“-Spitzenkoch Hans Haas schwört im Vorwort etwa auf Kimmigs „Gedämpfte Taubenbrust im Wirsingmantel“ - ein leckeres Geflügelgericht, das auch am heimischen Herd gelingt.
Vor dem Kochen gilt es jedoch einiges zu beachten. Kimmig hat seinen Rezepten daher eine kleine Warenkunde vorangestellt. Denn Huhn ist nicht gleich Huhn. Kleinster Vertreter ist das Stubenküken, das weniger als 650 Gramm wiegt und über zartes Fleisch verfügt. Der Name leitet sich davon ab, dass die Küken früher in der Stube großgezogen wurden, um sie vor Kälte zu schützen. Über den Stubenküken rangiert das Masthähnchen, das bei 800 bis 1200 Gramm liegt und sich gut zum Grillen und Braten eignet. Kimmig führt auch besondere Vertreter an wie den „Eifeler Prachthahn“ oder das Bressehuhn, die man auch als Maishühner kennt, wenn sie überwiegend damit gefüttert wurden. Wegen des hohen Fettanteils schmecken sie dann intensiver, man erkennt sie am gelblichen Fleisch. Sie werden auch doppelt so alt wie herkömmliches Geflügel.
Suppenhühner bringen 1000 bis 2000 Gramm auf die Waage und besitzen festes, aromatisches Fleisch. Meist sind dies bis zu 15 Monate alte Legehennen. Sie werden häufig benutzt, um daraus Fonds und Frikassees zu kochen, aber selbstverständlich auch, wie der Name schon sagt, für Suppen. Poularden schließlich sind so etwas wie die Riesen unter den Hühnern; sie werden bis zu 3500 Gramm schwer und landen oft auf dem Grill. Die Poularde macht dabei schon fast einem anderem Geflügel Konkurrenz, der Pute. Diese ist ursprünglich aus Nordamerika nach Europa gekommen. In den USA zum Beispiel gehört der Truthahnbraten an Thanksgiving zum absoluten Muss. Auch Restaurants bieten das Gericht dann an, dazu gehört zwingend eine fette Sauce. Das Fleisch der Pute ist besonders fettarm, geschmacklich ist es aus der Brust milder und von der Keule etwas aromatischer.
Kimmig will mit seinem Kochbuch aber auch die Scheu vor anderem Geflügel ablegen. Während die Ente zumindest an Weihnachten wegen ihres delikaten Geschmacks in vielen Haushalten als gefüllter Braten serviert wird, finden sich Perlhühner schon deutlich seltener auf den Tellern. Laut Kimmig ist deren Fleisch saftig, zart und schmeckt leicht nach Wild, trocknet aber wegen seines geringen Fettanteils beim Kochen leicht aus. „Junge Perlhühner eignen sich zum Braten, ältere Tiere hingegen zum Schmoren, Dämpfen oder Dünsten“, schreibt Kimmig. Ebenfalls im Aroma etwas an Wild erinnert das rötliche Fleisch der Taube, die aber schwer zu bekommen ist und das meistens nur auf Bestellung. Tauben können 300 bis 600 Gramm schwer werden, je nach Rasse, und eignen sich, wenn es sich um jüngere Tiere handelt, zum Braten, ältere Exemplare sollten gekocht oder geschmort werden. Mit 100 bis 150 Gramm noch kleiner sind Wachteln, deren zartes und aromatisches Fleisch sich laut Kimmig ausgezeichnet zum Braten eignet.
Der Koch gibt auch einige grundsätzliche Tipps, was Qualität, Lagerung und Zubereitung von Geflügel angeht. Frische Vögel seien demnach gut ausgeblutet und gerupft und hätten eine saubere, unverletzte Haut. „Das Fleisch ist fest und fühlt sich nicht schwammig oder schmierig an“, schreibt Kimmig. „Es sollte frisch und typisch nach Geflügel riechen und keinen süßlichen oder anderen intensiven, unangenehmen Geruch ausströmen.“ Beim Transport des Geflügels vom Einkauf nach Hause und bei der Lagerung sollte auf eine gute Kühlung geachtet werden. So empfiehlt sich für den Einkauf beispielsweise eine Kühltasche. Daheim kommt ein Huhn entweder in das Null-Grad-Fach des Kühlschranks oder auf die Glasplatte oberhalb des Gemüsefachs, weil es dort am kältesten ist. In der Regel sollte Geflügel innerhalb von zwei Tagen verarbeitet werden; auf der Packung ist nicht das Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben, sondern das Datum, bis wann es unbedingt verarbeitet werden sollte.
Um Bakterien nicht unnötig im Waschbecken und in der Küche zu verbreiten, sollte man Geflügel nicht mit Wasser abwaschen, sondern nur mit Küchenpapier abtupfen. „Der Grund liegt darin, dass rohes Geflügel mit Krankheitserregern wie Salmonellen und Bakterien belastet sein kann. Diese werden auch bei Minusgraden nicht abgetötet und können lange infektionsfähig bleiben“, schreibt Kimmig. Auch sollten beim Verarbeiten von rohem Geflügel andere Bretter und Messer als für die Zubereitung der Beilagen benutzt werden, möglichst solche mit einer glatten Oberfläche, damit sich keine Keime ansiedeln können. Bretter und Messer müssen im Anschluss gründlich mit heißem Spülwasser gereinigt werden. Für das Fleisch gilt: Man sollte es mindestens zwei Minuten bei einer Kerntemperatur von 70 Grad braten. Sieht das Fleisch beim Anschneiden durchgehend weiß aus, ist es durch.
Info Steffen Kimmig, „Das ganze Huhn. 90 Rezepte rund ums Geflügel, Olivia Verlag, 224 Seiten, 29,90 Euro
REZEPTE (aus „Das ganze Huhn“)
Gebratene Wachtelbrust
Zutaten (für vier Personen als Vorspeise): 12 Wachtelbrüstchen, 250 g Berglinsen oder Le-Puy-Linsen, 2 Zwiebeln, 1 Knoblauchzehe, Butter, 1 getrocknete Chilischote, 2 EL Tomatenmark, 500 ml Gemüsebrühe, Lorbeerblatt, 2 Thymianzweige, 1 Rosmarinzweig, 1 Karotte, ¼ kleiner Selleriekopf, 1 Frühlingszwiebel, Milder Sherryessig, Gutes Olivenöl, 1 EL Akazienhonig, 200 g küchenfertiger Babyspinat, 1 EL saure Sahne, Alter Sherryessig (alternativ alter Aceto Balsamico)
Zubereitung: Die Linsen kalt abwaschen und einweichen, am besten 3 bis 4 Stunden. Dann abgießen. Es geht aber auch ohne Einweichen, dann verlängert sich die Kochzeit etwas. Die Zwiebeln fein würfeln, den Knoblauch mit einem breiten Messerrücken andrücken. Beides in etwas Butter glasig anschwitzen. Die Linsen zugeben, leicht salzen, die Chilischote zugeben und mit dem Tomatenmark leicht anrösten. Die Brühe angießen, die Kräuter dazugeben und das Ganze mit Backpapier abgedeckt im 150 Grad heißen Ofen weich garen. Bei eingeweichten Linsen dauert das 20 bis 30 Minuten. Den Knoblauch herausnehmen.
Karotte und Sellerie in sehr feine Würfel schneiden. Beides in kochendem Wasser blanchieren, abgießen und kurz in Eiswasser geben. Herausnehmen und zu den Linsen geben. Die Frühlingszwiebel fein schneiden und untermengen. Mit Sherryessig, Olivenöl, Akazienhonig, Salz und Pfeffer abschmecken und lauwarm halten.
Die Wachtelbrüstchen salzen und pfeffern und mit der Hautseite nach unten in eine beschichtete Pfanne legen. So lange bei mittlerer Hitze braten, bis die Haut schön goldbraun und kross ist, das dauert 7 bis 10 Minuten. 1 EL Butter zugeben, das Fleisch wenden und noch etwa 3 Minuten ziehen lassen.
Die Spinatblätter und die saure Sahne zu den Linsen geben und kurz untermischen. Dann auf Teller verteilen, die Wachtelbrüstchen darauf anrichten und mit etwas altem Sherryessig beträufelt servieren.
Gedämpfte Taubenbrust im Wirsingmantel mit Trauben und Kartoffelrisotto
Zutaten (für vier Personen): 8 Taubenbrüste, 150 g Hähnchenbrust, Cayennepfeffer, 1 Eigelb, 100 g kalte Sahne, 8 schöne Wirsingblätter, 1 Rispe helle kernlose Trauben (ca. 20 Stück)
Risotto: 1 kg festkochende Kartoffeln, 2 weiße Zwiebeln, 1 Knoblauchzehe, 50 g Butter, Frisch geriebene Muskatnuss, 500 ml Geflügelfond, 25 g Parmesan, 1 kleine getrocknete Chilischote, 100 ml Weißwein, 2 EL Meerrettich aus dem Glas, 1 Bund Schnittlauch
Zubereitung: Die Haut und die Flügelknochen der Taubenbrüste entfernen, das Fleisch mit Küchenpapier abtupfen und von beiden Seiten mit Salz und Pfeffer würzen. Für die Farce die Hähnchenbrust in feine Stücke schneiden und im Kühlschrank gut durchkühlen lassen. Dann mit etwas Salz und Cayennepfeffer würzen. Mit dem Eigelb in der Küchenmaschine mixen, nach und nach die kalte Sahne zugeben, bis eine homogene Masse entsteht. In eine Schüssel geben und diese auf Eis setzen, damit sie gut kühl bleibt.
Die Wirsingblätter vom Strunk befreien, in Salzwasser blanchieren, in Eiswasser abschrecken und abtropfen lassen. Auf ein Küchentuch legen, ein zweites Tuch von oben andrücken, damit die Blätter flach und trocken werden. Mit der Farce dünn bestreichen und auf jedes Blatt 1 Taubenbrust legen.
Die Wirsingblätter aufrollen und zu kleinen Päckchen formen. Einen Topf so hoch mit Wasser füllen, dass der Dämpfeinsatz nicht im Wasser hängt. Das Wasser zum Kochen bringen, die Wirsingpäckchen in den Dämpfeinsatz legen und diesen in den Topf geben. Deckel auflegen und die Hitze reduzieren. Das Wasser sollte nur noch leicht simmern. Die Taubenbrüste für ca. 20 Minuten dämpfen, sie sollten innen noch schön rosa sein. Kurz vor Ende der Garzeit die Trauben zufügen, damit diese auch erwärmt werden.
Für das Risotto die Kartoffeln schälen und in ca. 2 cm große Würfel schneiden. Die Zwiebel in feine Würfel schneiden, den Knoblauch mit einem breiten Messerrücken andrücken. Beides in der Hälfte der Butter in einem passenden Topf glasig anschwitzen, die Kartoffelstücke zugeben und mit Salz und Muskatnuss etwas würzen. Dann nach und nach den Fond angießen, die Kartoffeln sollten immer gerade so bedeckt sein. Ab und zu rühren, damit es nicht ansetzt. Den Vorgang so lange wiederholen, bis die Kartoffeln weich sind.
Den Parmesan reiben. Die Chilischote hacken. Den Knoblauch entfernen. Weißwein, Meerrettich, Parmesan, Chili und die restliche Butter unterrühren, alles mit Salz und Muskatnuss abschmecken. Das Risotto sollte eine schöne cremige Konsistenz haben. Den Schnittlauch in feine Röllchen schneiden. Das Risotto mit dem Schnittlauch bestreuen und zur Taubenbrust servieren.