Durchschnittsalter erhöht sich Bevölkerung in Deutschland geht erstmals wieder zurück

Wiesbaden · Erstmals seit 2011 leben weniger Menschen in Deutschland als noch im Vorjahr. Die Entwicklung geht vor allem auf zwei Dinge zurück: Im Corona-Jahr 2020 kommen weniger Einwanderer ins Land und es gibt mehr Todesfälle.

 In Deutschland leben 2020 laut Statistischem Bundesamt nicht nur weniger, sondern auch immer ältere Menschen.

In Deutschland leben 2020 laut Statistischem Bundesamt nicht nur weniger, sondern auch immer ältere Menschen.

Foto: dpa/Michael Reichel

Die Bevölkerung in Deutschland ist erstmals seit fast zehn Jahren leicht zurückgegangen. Allerdings war der Zuwachs in den vergangenen Jahren schon abgeflacht. Allein durch steigende Einwandererzahlen wuchs die Bevölkerung in den Jahren 2011 bis 2019 kontinuierlich von 80,3 Millionen auf über 83 Millionen. Da seit 1972 hierzulande jedes Jahr mehr Menschen sterben als Kinder geboren werden, würde die Bevölkerungszahl in Deutschland ohne Zuwanderung seit 40 Jahren schrumpfen.

Konkret lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Jahresende 2020 rund 83,2 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, 12.000 Menschen weniger als im Vorjahr. Für das leichte Minus im Corona-Jahr nannten die Statistiker zwei Gründe: Zum einen ist die Nettozuwanderung – also die Differenz zwischen Einwanderung und Auswanderung – von 294.000 im Jahr 2019 auf 209.000 im Jahr 2020 zurückgegangen.

Zum anderen nahm die Differenz zwischen Todesfällen und Geburten weiter zu: Im Jahr 2020 kamen in Deutschland rund 773.000 Kinder zur Welt, 5000 weniger als im Vorjahr. Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der Sterbefälle im ersten Corona-Jahr 2020 deutlich an: Mit rund 986.000 wurden etwa 46.000 Sterbefälle mehr registriert als im Jahr zuvor; das entspricht einem Anstieg um fünf Prozent. Insgesamt starben im vergangenen Jahr also 212.000 Menschen mehr als Kinder geboren wurden. 2019 lag dieses Geburtendefizit noch bei 161.000.

Die Bevölkerungszahl in Deutschland hat über einen langen Zeitraum hinweg stetig zugenommen: Sie erhöhte sich von 41 Millionen im Jahr 1871 auf 56 Millionen um 1900 und weiter auf gut 69 Millionen im Jahr 1939. Auf dem heutigen Gebiet Deutschlands lag die Bevölkerungszahl im Jahr 1952 zum ersten Mal bei mehr als 70 Millionen und 1991 zum ersten Mal bei mehr als 80 Millionen. In den drei Jahrzehnten seit der deutschen Vereinigung ist die Bevölkerung überwiegend leicht gewachsen, mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010.

„Deutschland schrumpft. Irgendwann“, so prognostiziert das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung die zukünftige Bevölkerungsentwicklung. Für die kommenden Jahre erwarten die Demografen, dass die Zahl der Gestorbenen weiter zunehmen wird, da die zahlenmäßig starken Jahrgänge der Babyboom-Generation ins hohe Alter hineinwachsen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung erhöhte sich 2020 wie im Vorjahr um 0,1 auf 44,6 Jahre. Vor über einem Jahrhundert (1910) lag der Wert noch bei 23,6 Jahren. Zugleich wird die Anzahl potenzieller Mütter in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich zurückgehen, da die schwach besetzten 1990er Jahrgänge in die gebärfähige Altersphase kommen.

Längerfristige Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland sind schwierig. Konflikte im Nahen Osten oder Krisen in Nordafrika könnten für weitere Massenzuwanderung sorgen. In ihren Langfristprognosen rechnen die Statistiker allerdings nicht mit solch großen Krisen, sondern einer durchschnittlichen Entwicklung.

„Die Zahl der Gestorbenen wird die Zahl der Geborenen immer stärker übersteigen. Diese Lücke kann nicht auf Dauer durch den positiven Saldo aus Zuzügen nach und Fortzügen aus Deutschland geschlossen werden“, unterstrich etwa 2015 der damalige Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, in einer langfristigen Prognose. Der demografische Rahmen verschiebe sich in bisher nicht gekannter Art und Weise.

Für das Jahr 2060 schätzen die Wissenschaftler vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung die Einwohnerzahl der Bundesrepublik auf 67,6 Millionen bei schwächerer Zuwanderung und 76,5 Millionen bei stärkerer Zuwanderung – ohne größere Krisen oder Kriege.

Besonders stark wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpfen: Die Anzahl der 20- bis 64-Jährigen wird laut Prognose deutlich zurückgehen und 2060 je nach Stärke der Nettozuwanderung etwa 34 beziehungsweise 38 Millionen betragen. 2020 umfasst sie noch 43,7 Millionen.

(jlu/kna)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort