Mehr Bäume, bessere Bewässerung So kommt das Grün in Metropolen

Städte sollen grüner werden – auch, um sich an den Klimawandel anzupassen. Doch die Gewächse leiden selbst unter Hitze, Dürre, Enge und Stress. Wie eine Lösung aussehen könnte.

 Auch Dachbegrünungen verändern das Mikroklima einer Stadt.

Auch Dachbegrünungen verändern das Mikroklima einer Stadt.

Foto: dpa/dpa, may

Um 1870 gab es mit London, Paris und New York City weltweit nur drei Millionenstädte. Heute, nur 150 Jahre später, sind es 500. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits jetzt in Städten; in Deutschland sind es sogar 85 Prozent. Bis 2050 sollen einem UN-Bericht zufolge gar zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Die Herausforderungen an die Städte der Zukunft sind riesig. Umso wichtiger ist es, dass sie bereits heute nachhaltig gestaltet werden.

Beete an der Wand, Bäume auf dem Dach – Ideen gibt es viele, damit die Stadt bei Hitze, Dürre und Starkregen bewohnbar bleibt. Fest steht: Es braucht mehr Grün und zündende Ideen, wo das Gießwasser herkommen soll. Der vergangene Sommer war der heißeste in Europa seit mindestens 500 Jahren, „Was früher ein extrem heißer Sommer war, ist heute ein durchschnittlicher Sommer“, heißt es vom Deutschen Wetterdienst, „aus extrem wurde normal.“

Steigende Temperaturen und die Zunahme an Hitzetagen führen in urbanen Lebensräumen einerseits zu einem deutlichen Mehrbedarf an kühlendem Grün (Stadtgrün kann Hitzetote verhindern) – andererseits ist der Druck auf verbleibende Freiflächen groß. Dazu kommt, dass trotz in Summe gleichbleibender Jahresniederschläge das für Pflanzen verfügbare Wasser stetig abnimmt. Gründe dafür sind die immer länger anhaltenden Trockenperioden in den Sommermonaten sowie die Tatsache, dass heute der Niederschlag aufgrund der starken Versiegelung der Flächen unmittelbar abgeleitet wird.

Jeder Quadratmeter Grün hilft. Das gilt auch für Gründächer, begrünte Fassaden und alle Grünflächen – diese bewachsenen Flächen werden gebraucht zum Aufsaugen von Starkregen. Denn der ist eine weitere Folge des Klimawandels.

Die Lösung heißt „Schwammstadt“ – also Städte, Städtchen und große Dörfer, die so wasseraufnahmefähig sind wie ein Schwamm: mit wenig asphaltiertem Boden, dafür vielen Wiesen und grünen Senken, wo sich das Wasser sammeln und dann versickern und verdunsten kann. Kopenhagen beispielsweise ist mit der Umgestaltung zur Schwammstadt weit gekommen. Ganze Straßen wurden in Grünflächen verwandelt. Plätze sind dort inzwischen leicht geneigt, damit kein Wasser in die Häuser läuft. Aus unterirdisch angelegten Sammelbehältern können sich in Trockenphasen die Bäume bedienen. In Deutschland dagegen wird das Schwammstadtprinzip bisher meist nur bei Neubauvierteln oder bei der Sanierung bestehender Plätze realisiert.

Unbestritten ist: Städtische Grünanlagen, Parks, Grünflächen, Straßen- und Parkbäume, begrünte (Solar-)Dächer und Fassadengrün leisten einen großen Beitrag dazu, die Folgen des Klimawandels abzumildern. Dadurch machen sie nicht nur die Städte attraktiver und stärken wichtige Standortfaktoren, sondern sie schaffen auch die Voraussetzungen für eine lebenswerte Zukunft der nachfolgenden Generationen.

Metropolen müssen aufforsten: Das wird in jeder Stadtentwicklungsagenda gefordert, denn Bäume schützen vor Wind und Lärm, filtern Feinstaub, Kohlendioxid und Ozon aus der Luft.

Klimaschutz und Klimaanpassung sind die Gebote der Stunde. Anpassung bedeutet: Mit Hilfe von Pflanzen das abfedern, was die Klimakrise schon angerichtet hat – Hitze, Dürre, Starkregen. Beispielsweise mit Bäumen. Doch welche eignen sich? Wer Bäume pflanzt, denkt in Jahrzehnten, wenn nicht gar in Jahrhunderten. Was also pflanzen bei aktuellen Projekten, an Straßen, in Grünanlagen und (denkmalgeschützten) Parks?

Die klassischen Straßenbäume wie Sommerlinde oder Kastanie kommen mit der Hitze und Trockenheit nicht zurecht. Gerade Berg- und Spitzahorn, aber auch Stiel-Eichen, Eschen und sogar schon Hainbuchen haben deutlich unter den Witterungsverhältnissen gelitten. Baumarten aus südlichen Ländern wie Italien und Spanien wiederum halten die hiesigen Fröste nicht aus.

Die Erkenntnis, dass einheimische Baumarten vor allem als Straßen- und Platzbäume in urbanen Räumen zukünftig keine größere Rolle mehr spielen werden, hat sich inzwischen auch in naturschutzfachlichen Kreisen durchgesetzt. Sogenannte Exoten bestimmen mehr und mehr das Bild unserer Städte, weil sie mit den neuen Gegebenheiten (noch?) besser zurechtkommen.

Das Stichwort Zukunftsbäume macht die Runde. Doch sie werden nur zu großen Schattenspendern, wenn ihre Wurzeln sich ausbreiten können. Da geht es ums Überleben zwischen Abgasen und Asphalt. „Es braucht große Baumgruben; mindestens sechs Kubikmeter – so auch die Empfehlung der FLL-Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau – sind notwendig, damit Stadtbäume das leisten können, was wir von ihnen erwarten. Nur gut versorgte Bäume verbessern das Stadtklima und sorgen für spürbare Wohlfahrtswirkung im öffentlichen Raum“, sagt Baumpfleger Eiko Leitsch, Gründer und Inhaber des gleichnamigen Baumpflegeunternehmens.

Aber auch klimastabilere Baumarten brauchen zunächst ausreichend Wasser und eine sorgfältige Pflege. Das Pflanzen von Bäumen und insbesondere deren Bewässerung ist eine bedeutsame Klimaanpassungsmaßnahme, denn die Produktion von Sauerstoff und Verdunstung von Wasser im Rahmen der Fotosynthese kann nur erfolgen, wenn ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Große Bäume verbrauchen an heißen Sommertagen bis zu 400 Liter Wasser, das im Boden vorhandenen sein oder zugeführt werden muss. Egal, welche Baumarten gepflanzt werden, alle müssen zunächst sorgfältig für mehrere Jahre bewässert werden, damit sie anwachsen.

Der Bund Deutscher Baumschulen (BdB) hat eine Broschüre herausgegeben, in der eine ganze Reihe an Bäumen als klimarobust und Insektenfreundlich ausgewiesen sind. Dazu zählen unter anderem: Feldahorn, Felsenbirne, Erle, Gleditschie, Robinie, Hopfenbuche, Amberbaum, Pyramidenpappel und Traubeneiche.

Mehr Stadtgrün erfordert auch mehr Stadtblau. Während also das Wasser ungenutzt in die Kanalisation fließt, vertrocknen gleichzeitig die Bäume in den Städten. Das Forschungsprojekt „Interess-I“ hat unter der Leitung von Landschafts- und Freiraumplaner Bernd Eisenberg neue urbane blau-grüne Infrastrukturen erprobt und beispielsweise in Stuttgart Pflanzen mit dem Duschwasser von Bauarbeitern gegossen. Durch den Gleisrückbau im Rahmen von „Stuttgart 21“ wurde direkt hinter dem Bahnhof eine Fläche von rund 85 Hektar frei, auf der in den nächsten Jahren ein komplett neuer Stadtteil entstehen wird. Am Rande dieses Pilotgebietes wurde auch ein temporäres, offenes Labor eingerichtet.

Gartenserie-LOGO

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Foto: RP/Schnettler, Carla

Kernstück des Labors waren zwölf mehrgeschossige Wohncontainer, in denen Arbeiter während ihres Einsatzes auf der Großbaustelle untergebracht waren. Wissenschaftler und Gartenexperten wagten dort das Experiment, wie sich „Grün“ und „Blau“ – Bepflanzung und Bewässerung – verbinden lassen. Die Container wurden mit Modulpflanzen begrünt, das sogenannte Grauwasser aus Duschen und Waschbecken floss nicht wie in Wohngebäuden üblich mit der Toilettenspülung über die Kanalisation in die Klärwerke, sondern wurde in eine Pflanzenkläranlage geleitet. Mit dem separat aufgefangenen „Klarwasser“ wurden anschließend die Pflanzen versorgt. Und weil es Grauwasser aus Waschbecken und Duschen auch in Dürrezeiten gibt, soll das Container-Pilotprojekt nun in Stuttgart im Rosensteinviertel, das auf dem ehemaligen Bahngelände entsteht, im großen Stil realisiert und so eine neue blau-grüne Infrastruktur geschaffen werden.

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