Eingewanderte Pflanzen Zugereiste, die Wurzeln schlagen

In vielen Gärten finden sich Zierpflanzen, die nicht in unseren Breiten heimisch sind. Ihr ökologischer Nutzen ist umstritten, aber ihr Einsatz kann durchaus auch Vorteile bieten. Vor allem mit Blick auf den Klimawandel.

 Rhododendren sind beliebt, aber ihr ökologischer Nutzen ist umstritten.

Rhododendren sind beliebt, aber ihr ökologischer Nutzen ist umstritten.

Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Es ist wie mit vielen Dingen – alles hat zwei Seiten. Da ist zum einen die Sorge, dass eingewanderte, nicht heimische Pflanzenarten die heimische Flora verdrängen und im schlimmsten Fall sogar ganze Lebensräume stark verändern könnten. Zum anderen bieten sie aber vielleicht auch gerade in Zeiten des Klimawandels eine Chance und haben Vorzüge, die heimische Arten nicht leisten können. Die Sorge ist sicher in der freien Landschaft begründet, wenn zum Beispiel der Riesenbärenklau, bei dessen Berührung Hautreizungen entstehen können, große Flächen wie an Straßenrändern besiedelt oder ein ganzes Biotop durch die massive Ansiedlung einer neuen Pflanzenart „umkippt“.

Im Garten dagegen spricht nichts gegen eine ausgewogene Mischung einheimischer und „zugereister“ Pflanzen, da man diese hier gut im Zaum halten kann, erläutert Professor Andreas Roloff, Forstbotaniker an der TU Dresden: „Man möchte ja auch ein Erlebnis haben, wenn man einen Garten hat, man möchte etwas sehen und entdecken, gerade auch mit Kindern, und da haben etliche nicht einheimische Pflanzen auch durchaus eine besondere Wirkung, die einheimische Pflanzen nicht haben.“ Eine dieser Wirkungen ist die späte Blütezeit vieler Pflanzen, die aus eher wärmeren Klimazonen stammen, bis in den Herbst hinein, wogegen sie bei einheimischen Pflanzen eher in den Frühlings- und Frühsommermonaten liegt. Gutes Beispiel: Der aus China stammende beliebte Sommer- oder Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii) breitet sich zwar stark aus und sollte regelmäßig zurückgeschnitten werden, ist aber gleichzeitig mit seinen doldenförmigen Blüten bis weit in den Herbst hinein ein Nahrungsparadies für seine Namensgeber und viele andere Insekten. Um die Verbreitung von seinen Samen gerade auch in die freie Natur abseits des Gartens zu minimieren, sollte man Verblühtes rechtzeitig vor der Samenbildung abschneiden und nicht zum Kompost beziehungsweise in den Grünabfall geben, sondern getrennt entsorgen. Eine heimische Alternative mit ebenfalls prächtigen Blüten wäre zum Beispiel der Blutweiderich, eine Wildstaude, die ebenfalls im Sommer und Frühherbst blüht und Insekten gute Nahrung bietet. Aber auch hier ist darauf zu achten, dass die Pflanze nicht zu stark wuchert.

Auch die wegen ihrer Optik und Pflegeleichtigkeit beliebten Rhododendren und ihre Verwandten, die Azaleen, kann man kritisch sehen, wie Prof. Roloff weiß: „Diese Pflanzen blühen zwar spektakulär, allerdings ist ihr ökologischer Nutzen gering. Sie ‚schmecken‘ den meisten Insekten einfach nicht, nur wenige werden von ihnen angezogen. Auch tragen sie keine Früchte, die man verwenden könnte.“ Andererseits kommt hier für ihn wieder der Wunsch nach einem Gartenerlebnis ins Spiel, da die immergrünen Pflanzen auch im Winter ein attraktiver Blickfang sind. Und man dürfe auch nicht außer Acht lassen, dass die dichten Gehölze der Rhododendren gute Unterschlupfmöglichkeiten für Vögel und Kleingetier bilden, gerade im Winter, wo es nötig ist. Wie gesagt – alles hat immer zwei Seiten.

Als eine Alternative mit herrlich gelber Blüte im Frühling und Sommerfrüchten, aus denen man sogar Marmelade kochen kann (wenn die Vögel sie nicht früher erwischen …), empfiehlt er die Kornelkirsche, für die man allerdings etwas Platz braucht, da sie als langsamwüchsiger Großstrauch vier bis sechs Meter Höhe und eine üppige Breite erreichen kann, wenn man sie nicht regelmäßig zurückschneidet. Es gibt sie aber auch als Hochstamm im Angebot.

Generell schlägt der Experte vor, wie eingangs schon erwähnt, für sich individuell die Abwägung zu treffen, welche Mischung man in seinem Garten von heimischen und nicht einheimischen Pflanzen zulassen möchte, und es dabei etwas entspannter zu sehen. Das ist auch der Tenor eines Buches, an dem er momentan arbeitet: „Man sollte auch einfach mal ein paar Überraschungen zulassen, schauen, wie sich bestimmte Pflanzen entwickeln und was sie mit ihrer Umgebung machen, nicht per se etwas verteufeln. So kommt man wieder zurück zu einem bewussten, intensiven Naturerlebnis, das auch Auswirkungen aufs Wohlbefinden hat.“

Wer sich intensiver mit dem Thema „Einwanderer“ und invasive Arten beschäftigen möchte, dem sei die Website https://www.floraweb.de/artenschutz/neophyten.html empfohlen. Das Bundesamt für Naturschutz führt hier unter anderem eine Liste mit Pflanzen auf, die als besonders invasiv gelten und deren Ausbreitung im freien Raum eher nicht gewünscht ist. Im heimischen Garten ist generell nichts verboten, man kann aber zum Beispiel durch einfache Maßnahmen wie Gartenabfälle nicht illegal wild zu kompostieren dazu beitragen, dass sich invasive Arten nicht noch weiter ausbreiten.

„Gerade im Hinblick auf den Klimawandel brauchen wir auch bei uns mehr Pflanzen, die mit Trockenheit klarkommen“, erläutert Professor Roloff die Problematik. Ein besonders unkomplizierter Vertreter solcher Arten wäre zum Beispiel die Felsenbirne, ein Großstrauch, der keine großen Ansprüche an Boden und Umgebung stellt, dabei im Frühjahr herrlich blüht, im Sommer kleine essbare Früchte hervorbringt und im Herbst mit einer intensiven Laubfärbung für Aufsehen sorgt. Auch die nichteinheimische Weidenblättrige Birne kommt mit Trockenheit gut zurecht, überzeugt durch eine schöne Krone, die aus der Ferne mit Form und Blättern einem Olivenbaum ähnelt, und zeigt früh im Jahr attraktive Blüten. Qualifizierte Beratung zur passenden Pflanzenauswahl bieten Baumschulen und Gärtnereien. Einen Fachbetrieb in der Nähe findet man im Internet beim Bund deutscher Baumschulen e. V. unter www.gruen-ist-leben.de

Beim Unternehmen „WeGrow“ in Tönisvorst, 2009 gegründet als Spin-Off-Unternehmen des Forschungsbereiches Nachwachsender Rohstoffe der Universität Bonn, ist man sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hat aus zwei Arten des Paulownia-Baumes mittels einer Hybrid-Züchtung die besten Eigenschaften wie geradstämmiger Wuchs, Frosthärte und gute Verträglichkeit von Trockenheit und Wärme in einer neuen Art, dem „Kiri-Baum“ zusammengeführt. Der schnellstwachsende Baum Europas ist dabei keine invasive Art, da er sich nicht unkontrolliert ausbreiten kann. Durch das rasche Wachstum kann er viermal so viel CO2 aufnehmen, wie Buchen oder Eichen in derselben Zeit und wird deshalb auch „Klimabaum“ genannt. Im Garten braucht er einen leichten, lockeren, nicht zu nassen Boden und vor allem Platz, da er bis zu 15 Meter hoch werden kann. Man kann ihn aber jederzeit gut zurückschneiden und kleiner oder pyramidenförmig halten. Sogar wenn er komplett auf Bodenhöhe abgesägt wird, treibt er wieder aus, und ein neuer Baum wächst nach. Im Frühjahr sind zahlreiche blauviolette Blüten eine gute Nahrungsquelle für Insekten, zum Beispiel Wildbienen und Schmetterlinge. Mehr Informationen im Internet unter www.wegrow.de, Bestellmöglichkeit für Privatkunden unter www.blu-blumen.de, Stichwort CO2-Klimabaum, erhältlich sind Kiri-Bäume für den Garten auch im gut sortierten Fachhandel.

Info Andreas Roloff: Inspiration Natur – Mentale Stärkung und Motivation durch Erleben von Bäumen, Parks, Gärten und Wäldern im Jahreslauf, Quelle & Meyer Verlag. Erscheint Oktober 2022.

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