Die Störenfriede (4) Herr Sieben meldet sein Auto zur Inspektion an

Duisburg · Muss ein Auto, das nie fährt, in die Inspektion? Gibt es wirklich Abgaskappenstutzen und kann man mit einem roten Alfasud ti die Aufmerksamkeit der Mönchengladbacher Damenwelt gewinnen? Die vierte Folge von „Goertz und Sieben“.

 Der Alfasud ti von Herrn Goertz bei einer Italienreise. (Tief aus dem Archiv)

Der Alfasud ti von Herrn Goertz bei einer Italienreise. (Tief aus dem Archiv)

Foto: Goertz

Einmal in der Woche chatten die Redakteurs-Kollegen Christian Sieben und Wolfram Goertz miteinander, um sich nach dem Befinden des anderen zu erkundigen. Beide verbindet eine satirische Sicht auf die Dinge, ansonsten sind sie streng beim Sie. In ihren Gesprächen geht es oft um Alltägliches, gelegentlich um Grundsätzliches, und manchmal steht am Ende sogar eine Erkenntnis.

Goertz Herr Sieben, wobei störe ich gerade?

Sieben Ich suche meinen Fahrzeugschein. Ich ringe mit mir, mein Fahrzeug zur Inspektion anzumelden.

Goertz Ich mache alles streng nach Plan. Wieso ringen Sie? Inspektionen sind wichtig.

Sieben Auf dem Aufkleber steht: "Nächste Inspektion in zwölf Monaten oder nach 20.000 Kilometern". Nun sind es 16 Monate, aber nur 969 Kilometer. Corona und so. Sie wissen schon.

Goertz Parkt Ihr Auto unter der Laterne oder in der Garage?

Sieben Halblegal auf einem Garagenhof, ohne Garagenbesitzer zu behindern. Warum ist das wichtig?

Goertz Schon mal etwas von Rost am hinteren Auslassventil des Abgaskappenstutzens gehört? Oder von feuchtigkeitsbedingten Irritationen an der Elektrik des Zündkraftverteilers?

Sieben Ich bin recht sicher, dass mein Fahrzeug über keines dieser Teile verfügt. EU-Reimport ist das Stichwort. Letztes Jahr hatte ein Marder eine halbgefressene Taube im Motorraum deponiert. Ohne Folgen. Aber wir schweifen ab. Warum soll das Auto in die Inspektion? Es stand nur rum.

Goertz Glauben Sie, dass die Formulierung "in zwölf Monaten" nur dem Portemonnaie des Mechanikers dienen soll? Ich glaube, in 16 Monaten macht der Rost Dinge, von denen Sie nicht einmal träumen. Ich kenne mich mit dem Problem Rost beim Auto sehr gut aus. Und ich weiß, welche Folgen es hat, wenn man das Auto nur als Poser nutzt, nicht aber als kluger Halter, der die Karre in die Inspektion bringt.

Sieben Ein Argument, das ich gelten lassen würde, ist der Status "scheckheftgepflegt". Da fühlt man sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Aber vergessen Sie meine Eingangsfrage. Sie sind Auto-Poser, Herr Kollege? Oder waren Sie es?

Goertz Der Terminus "scheckheftgepflegt" stammt aus dem 20. Jahrhundert. Ein Wort, das von gutem Kontostand und Rechtschaffenheit im Straßenverkehr kündete. Und jedem Käufer das Gefühl vermittelte, dass der Vorbesitzer es an nichts hat mangeln lassen.

Sieben Darum geht es nicht. Sie weichen aus. Ich frage Sie abermals: Standen Sie früher an der B8 in Duisburg-Hamborn auf dem Kaufland-Parkplatz, wenn ich freitagsabends vom Schwimmen kam?! Bei Ihren Auto-Poser-Freunden?  

Goertz Herr Sieben, ich fahre als Mönchengladbacher nur ungern auf die andere Rheinseite. Nein, ich hatte mal das schönste Auto der Welt, nämlich einen Alfasud ti in roter Farbe, das mir leider wegen mangelhafter Wartung und Rostfraß der TÜV wegnahm. Ich fuhr mit diesem Auto, dessen Auspuff legendäre Geräusche von sich gab, sehr gern über den Alten Markt in Mönchengladbach und hoffte, dass hübsche Brünette auf den Fahrer aufmerksam wurden. Das war eine zarte Form von Posing, ja.

Sieben Dabei geht es ja sonst in Mönchengladbach in Sachen Ästhetik eher rustikal zu. Mir hat mal die Mitarbeiterin eines Autohauses verraten, woran man den typischen Auto-Poser beim Autokauf erkennt. Am Finanzierungsvertrag. Lange Laufzeiten, viele Kreditnehmer. Hatten Sie denn wenigstens Erfolg damals? Bitte keine Details.

Goertz Nein, ich war mit 21 Jahren und meinem Alfasud ein einsamer Kurver auf dem Asphalt des Herrn. Später lernte ich: Auf dem Klavier kann man ebenfalls erfolgreich sein, jedoch nicht bei Frauen, die auf Auto-Poser stehen.

Sieben Ich habe meinen Fahrzeugschein gefunden. Das Auto muss zum TÜV. Seit April. Nun wird die Sache kriminell. Eine Frage hätte ich aber in der Tat noch. Warum heißt es „scheckheftgepflegt“. Und nicht "checkheft-gepflegt"?

Goertz Weil es früher in der BRD den Scheck gab, mit dem man bezahlen konnte, ohne Bargeld zu haben. Der Scheck war eine frühe Form von bargeldlosem Zahlungsverkehr. Man sah es nicht physisch, wie teuer eine Inspektion war, man trug nur einen Betrag ein. Ich lasse den TÜV immer im Rahmen einer Inspektion beim Händler machen. Schont die Nerven.

Sieben Ich wusste, dass Sie eine Neigung zum Spießigen haben.

Goertz Das ist die Lebenserfahrung, Herr Kollege. Beim TÜV hat man, so glauben manche, nur gute Karten, wenn man aussieht wie eine Frau, die auf einen Auto-Poser reinfällt. Das stimmt aber nicht. Der TÜV entscheidet nach dem Radiogeschmack des Fahrers. Wenn der Inspekteur über die Grube fährt, das Radio anschaltet und dann WDR 3 hört, weiß er: Der Fahrer ist seriös und pflegt sein Auto.

Sieben Ich rufe nun in der Werkstatt an. Am TÜV und an der Steuer kommt niemand vorbei. So nimmt einem das Leben die Entscheidungen ab. Danke für Ihre Gedanken. Sehr interessant, aber letztlich ohne konkrete Folgen für den Alltag. Sie hätten Feuilletonist werden sollen. Oh, mein Mittagessen klingelt!

Goertz Guten Appetit. Ich melde mich wieder.

Sieben Ich freue mich.

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