Die Störenfriede (24) Herr Sieben leidet an den katastrophalen Folgen einer „professionellen Zahnreinigung“

Düsseldorf · Herr Sieben nimmt leichtsinnigerweise eine „Individuelle Gesundheitsleistung“ in Anspruch, leidet schrecklich unter den Folgen und wird angeschrien. Herr Goertz nimmt aufrichtig Anteil und versucht Synergien für die Zukunft auszumachen. Die 24. Folge der Störenfriede.

 Nicht erschrecken! Dieses Bild ist gestellt. Und sehr alt. Es stammt aus unserem Archiv.

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Foto: dpa-tmn/Frank Rumpenhorst

Einmal in der Woche chatten die Redakteurs-Kollegen Christian Sieben und Wolfram Goertz miteinander, um sich nach dem Befinden des anderen zu erkundigen. Beide verbindet eine satirische Sicht auf die Dinge, ansonsten sind sie streng beim Sie. In ihren Gesprächen geht es oft um Alltägliches, gelegentlich um Grundsätzliches, und manchmal steht am Ende sogar eine Erkenntnis.

Goertz Lieber Kollege, wobei störe ich hoffentlich nicht?

Sieben Herr Goertz, Sie treffen mich in elender Verfassung an. Meine Geschichte handelt von Schweiß, Blut und Eiter. Darf ich mir die Freiheit nehmen zu berichten?

Goertz Ich leihe Ihnen mein Mitgefühl. Beginnet!

Sieben Bislang dachte ich, dass es sich bei einer sogenannten „Medizinischen Zahnreinigung“ um eine dusselige IGeL-Leistung handelt, mit denen die geschätzte Ärzteschaft versucht, RTL-Soap-Darstellern oder Instagram-Influencern ein paar Taler aus der Börse zu ziehen. Folgerichtig war ich nie dort. Bis heute Vormittag. Und da nahm das Unheil seinen sogenannten Lauf. Haben Sie starke Nerven?

Goertz Ich bin, wie Sie wissen, in medizinischen Dingen recht robust. Also immer weiter mit dem Eiter!

Sieben Sehen Sie, das regelmäßige Zähneputzen und die Verwendung von Mundspülungen hilft offenbar gar nichts. Oder nur sehr kurzfristig wie Johnson & Johnson beim Impfen. In Wirklichkeit sinkt über die Jahre alter Zahnstein und allerlei Unrat in die Zahntaschen und ins Zahnfleisch. Und dies wird dann von einer energischen Arzthelferin entfernt. In einer sehr aufwändigen Prozedur. Zum Einsatz kommen Kratzhaken, Ultraschall-Düsen und Sandstrahler. Zum Höhepunkt der Behandlung mussten alle Anwesenden eine Schutzbrille aufsetzen. Einmal wurde ich angeschrien.

Goertz Was habt Ihr verbrochen?

Sieben Mir wurde vorgehalten, dass ich bei der Anwendung des Sandstrahlers (im Einzelhandel übrigens unter der euphemistischen Bezeichnung „Pulverstrahlgerät" zu beziehen) sowohl die Zunge als auch die Wangenmuskeln übermäßig angespannt habe. Da wurde ich barsch davor gewarnt, „aktiv dagegen anzuarbeiten“.

Goertz Ich kenne Ihre Neigung, aktiv gegen etwas anzuarbeiten, aus dienstlicher Erfahrung. Dass auch eine Zahnarzthelferin zum Opfer Ihrer Renitenz wird, verwundert mich gleichwohl. Andererseits ahne ich, dass die Leiden des mitteljungen Herrn S. recht ausgeprägt gewesen sein müssen.

Sieben Mein Kiefer ist immer noch brandig, ich schlucke seit Stunden fürchterliche Körperflüssigkeiten, die sich im Mund bilden. Laut der Frau am Sandstrahler sei dies aber zu begrüßen. Es müsse nun halt alles „rauslaufen“. Nun frage ich mich natürlich, welche anderen tollen IGeL-Leistungen es noch gibt, mit denen man seine Gesundheit ruinieren kann.

Goertz Ihr könnt Euch Blutegel ans Knie setzen lassen oder eine Bachblüten-Therapie beginnen. Nutzen unklar oder tendenziell negativ, sagen einige. Andere schwören drauf. Wie viele Jahre wollt Ihr Euer Zahnfleisch nun wieder unbeobachtet lassen?

Sieben Bitte unterlassen Sie diese passiv-aggressiven Sottisen. Meine Zähne sind kerngesund. Keine Füllungen, keine Kronen. Man hätte mich nur beizeiten darauf hinweisen können, dass man das Zahnfleisch auch auf der Innenseite mit einem Spiegel untersuchen muss. 42 Jahre lang lief es erstaunlich gut. Mein einziger Trost: Die Frau am Sandstrahler sieht mich frühestens 2063 wieder. Dann bin ich 84.

Goertz Die Alternative wäre, dass Sie einen der beiden jährlichen Corona-Booster-Termine, die vermutlich auf uns zukommen, beim Zahnarzt absolvieren und sich zur Belohnung am selben Tag eine Zahnreinigung gönnen.

Sieben Stimmt, Pandemie haben wir ja auch noch. Immerhin das hatte ich kurz vergessen. Wir sprechen uns noch!

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