Die Störenfriede (12) Herr Sieben und Herr Goertz rätseln über ein Zahnpasta-Problem

Duisburg · Sieben versteht lange Zeit nicht, warum Goertz überall in seiner Wohnung Zahnpasta-Flecken hinterlässt. Nach einem Abstecher ins männliche Unterbewusstsein nimmt Goertz Abschied von einer verehrten Professorin. Sieben setzt eine Pointe. Die zwölfte Folge der Störenfriede.

 Geht bekanntlich nicht mehr zurück in die Tube: Zahnpasta. (Archiv, Symbol)

Geht bekanntlich nicht mehr zurück in die Tube: Zahnpasta. (Archiv, Symbol)

Foto: Shutterstock/ADragan

Sieben Herr Goertz, wobei störe ich?

Goertz Herr Sieben, ich entferne lauter weiße Flecken in diversen Zimmern meiner Wohnung.

Sieben Kaffeemilch, Sonnencreme oder Zahnpasta? Ich hätte für alles Verständnis.

Goertz Es ist Zahnpasta. Es gelingt mir nicht, das Zähneputzen als defensiven, vorsichtigen Vorgang durchzuführen. Ich bin keinesfalls ein Schrubber, im Gegenteil. Trotzdem putze ich die Zahnbürste hinterher am Handtuch ab, doch nie meine rechte Hand. Ich vergesse es immer. Und dann kommen Flecken in die Wohnung.

Sieben Ich verstehe. Aber Sie putzen schon im Bad vor dem Spiegel? Ich erwische mich ja manchmal dabei, putzend durch die Wohnung zu laufen. Badezimmer sind langweilig.

Goertz Ich hänge dem Glauben an, dass sich die Aufhellung und Verschönerung der Gesichtsfront beim Putzen sekündlich überprüfen lässt. Ich putze auch immer zwei volle Minuten. Danach, so bilde ich mir ein, sieht es gleich viel besser aus. Wenn ich putzend durch die Wohnung liefe, müsste ich mir danach Telefonnummern für eine Kernsanierung besorgen.

Sieben Aber woran scheitert das Abspülen der Hand? Den Wasserhahn müssen Sie ohnehin aufdrehen, um die ausgespuckte Zahnpasta aus dem Becken zu spülen. Was läuft denn da schief bei Ihnen?

Goertz Der Wasserhahn läuft ja auch noch, wenn ich die Zahnbürste reinige. Die Bedingungen, dass auch die Hand sauber wird, sind beinahe ideal. Trotzdem vergesse ich die Patschehand immer. Und dann sieht es aus, als sei frischer Gips ins Haus getropft.

Sieben Ich habe ein vergleichbares Problem. Mir gelingt es selten, die Zahnpasta so auszuspucken, dass der Wasserhahn nichts abbekommt. Gleiches gilt für das Mundwasser. Der Hahn sieht nicht mehr gut aus, trotz regelmäßiger Reinigung. Bekommt man Zahnpasta aus dem Sofa wieder raus?

Goertz Auf diese Frage habe ich gewartet, lieber Herr Kollege. Jetzt sind wir nämlich beim entscheidenden Moment: bei der Aktivierung des männlichen Unterbewusstseins. Mein Sofa bekommt nie Flecken ab. Irgendetwas lässt mich auf meine Hände schauen, bevor ich auf dem Sofa Platz nehme. Und dann mache ich sie sauber, sofern ich soeben aus dem Badezimmer komme. Ist das nicht kurios?

Sieben Kurios ist die gesamte Problemlage. Der Wasserhahn läuft. Ihre Hand ist in der Nähe des Strahls. Schon ein kurzes Schwenken der Flosse in den Strahl würde 90 Prozent der Spritzer entfernen. Aber mit Logik scheint man Ihnen bei dieser Frage nicht beizukommen.

Goertz Ich wurde als Kind in einem Hause groß, in dem ich mir nie die Frage stellte, ob man etwas herausbekommt. Meine Mutter selig bekam ALLES heraus. Ihre Instrumente bekam ich kaum zu Gesicht. Fleckenteufel, Gallseife, Waschen mit 120 Grad, ich wollte es nie wissen. Und zu den besten Freundinnen meiner Mutter zählte Frau Peters, die eine Reinigung betrieb. Für Flecken und deren Folgen war ich nicht sensibilisiert.

Sieben Gallseife ist ein tolles Wort. Es stammt aus einer ähnlichen Zeit wie Frauengold. Die Väter fuhren Autos mit Wankelmotor. Aber das hilft Ihnen heute nicht weiter. Was also tun?

Goertz Ich werde mit diesem Defizit leben müssen. Und dazu all meinen Stolz aufbringen. Und an eine der legendären Professorinnen meines Lebens denken. Von ihr konnte man lernen, was es heißt: sich einsauen und damit durchs Leben zu kommen.

Sieben Was hat sie denn unterrichtet? Tribologie? Das ist die Lehre von Schmierölen in der Mechanik, müssen Sie wissen.

Goertz Nein, Philosophie. Es war Prof. Dr. phil. Marion Soreth. Ich studierte das Fach in Köln von 1980 bis 1988, nur als Nebenfach, aber jedes Semester bei ihr. Sie war genial in Aussagenlogik und antiker Philosophie. In Logik liebte sie es, lange Gleichungen mit Kreide an die Tafel zu schreiben. Und dann wischte sie ihre Hand immer an ihrem dunklen Rock und ihrem dunklen Pulli ab. Sie merkte es gar nicht, vielleicht war sie auch ein wenig schusselig. Doch ihre Genialität überstrahlte alles, sogar die Kreideflecken.

Sieben Damit hätten wir Ihr Problem zwar nicht gelöst, aber immerhin Licht ins Dunkel gebracht. Ihr Unterbewusstsein macht aus jedem Zähneputzen eine Hommage an Prof. Dr. phil. Marion Soreth!

Goertz Mag sein. Sie ist im Januar gestorben, mit 94 Jahren. Wir haben sie alle verehrt. Ich hatte mündliches Magisterexamen bei ihr. Wir haben nur über Epikur gesprochen. 50 Minuten, 30 Minuten länger als nötig; sie kannte mich ja. Als die Prüfung begann, gucke sie in eine Kladde und sagte: "Ah, Sie sind mit 1 vorzensiert, da prüfe ich Sie ja nicht runter." Das waren noch Zeiten!

Sieben Irgendwann berichte ich Ihnen mal von meiner Zwischenprüfung in Mittelalterlicher Geschichte bei Professor Dr. Heinz Finger. Aber heute bleibt für mich das Fazit: Die Zahnpasta ist die Kreide des Plebejers!

Goertz Sie als jemand, der immer bei den Kreidefelsen Urlaub macht, müssen es ja wissen. Nächste Woche geht es um Sie und um Finger, ich vergesse nichts und rufe wieder an.

Sieben Tun Sie das!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort