Kurzzeitpflege in NRW Wohin mit Opa in den Ferien?

Düsseldorf · Rund 500.000 Senioren in NRW werden zu Hause gepflegt. In den Sommerferien wirft das Probleme auf: Urlaub muss sein, aber allein lassen kann man Vater und Mutter nicht. Die Kurzzeitpflege soll helfen – doch es gibt nicht genügend Betten.

 Wenn die Familie in den Urlaub fahren will, stellt sich oft eine Frage: Was tun mit Angehörigen, die pflegebedürftig sind (Symbolbild)?

Wenn die Familie in den Urlaub fahren will, stellt sich oft eine Frage: Was tun mit Angehörigen, die pflegebedürftig sind (Symbolbild)?

Foto: Youproduction/ Shutterstock.com

Rund 500.000 Senioren in NRW werden zu Hause gepflegt. In den Sommerferien wirft das Probleme auf: Urlaub muss sein, aber allein lassen kann man Vater und Mutter nicht. Die Kurzzeitpflege soll helfen — doch es gibt nicht genügend Betten.

Die Sommerferien sind für die meisten Familien die wichtigste Ferienzeit im Jahr. Entsprechend groß ist die Vorfreude - meistens jedenfalls. Etwa 4,7 Millionen Menschen in Deutschland haben es nicht so leicht, einen Plan für den Urlaub zu schmieden. Es ist die Gruppe der pflegenden Angehörigen.

Denn ein Großteil der Senioren werden nicht stationär in Heimen, sondern Zuhause versorgt. Allein in NRW sind das von 638.100 Pflegebedürftigen 473.500, also mehr als zwei Drittel (IT.NRW Stand 2015). Der Großteil von ihnen (322.104) erhält laut Statistik Pflegegeld, das bedeutet, dass sie in der Regel durch Angehörige gepflegt werden.

Das bezahlt die Pflegeversicherung

Doch was tun, wenn die Kinder in den Urlaub wollen, aber die kranken Großeltern dann alleine Zuhause sitzen? Was, wenn der Pflegende selbst eine Operation braucht und deshalb für eine Zeit nicht helfen kann? In diesen Situationen soll die sogenannte Kurzzeitpflege eine Lösung bieten. Das sind Betten, die Senioren nur für einige Tage oder auch Wochen belegen können, die aber mit einem ähnlichen medizinischen Service und Freizeitangebot verknüpft sind wie Plätze in der Vollzeitpflege. Die Kosten werden in den meisten Fällen von der Krankenkasse übernommen. Bis zu 1.612 Euro für maximal acht Wochen im Jahr zahlen die Kassen im Fall von Krankheit oder Urlaub. Voraussetzung ist jedoch, dass die zu betreuende Person eine Pflegestufe hat.

"Aber in NRW gibt es viel zu wenige dieser Betten", beklagt Catharina Hansen, Referentin für den Bereich Pflegemarkt der Verbraucherzentrale NRW. "Das liegt daran, dass es sich meist nur um sogenannte eingestreute Betten handelt." Das sind Übergangsbetten, die in Langzeitpflegeeinrichtungen dann freigegeben werden, wenn diese mal nicht komplett ausgelastet sind. "Das bedeutet aber, dass man mit den Betten nicht planen kann und es nur wenige gibt, weil es eben Überbrückungsplätze sind."

Betroffene arbeiten oft rund um die Uhr

Dabei wäre der Bedarf hoch. Nicht nur wegen der Urlaubswünsche der Kinder, sondern auch, weil pflegende Angehörige gesundheitlich gefährdet sind. 40 Prozent der Pflegenden geben laut einer Studie der Techniker Krankenkasse an, unter Dauerstress zu leiden, jeder Zweite hat Schlafstörungen. "Oftmals sind sie zusätzlich noch beruflich eingespannt, arbeiten also wirklich rund um die Uhr", sagt die Verbraucherschützerin. "Sich mal selbst auszukurieren, wäre also wirklich wichtig."

Probleme mit der Auslastung

Doch das Geschäft mit der Kurzzeitpflege ist schlecht. "Die Auslastung dieser Stationen ist einfach sehr gering. Man hat nicht die gleiche Kontinuität wie in der vollstationären Pflege, sondern die Auslastung hat vor allem in den Ferienzeiten und zu Weihnachten ihre Spitzen", sagt Hansen.

Entsprechend gibt es wenige Häuser wie das Evangelische Krankenhaus in Düsseldorf (EVK). Mit 33 Betten bietet das EVK die größte solitäre, also spezialisierte Kurzzeitpflegestation in NRW, sowie eine der größten in Deutschland. "Wir haben die Station vor zehn Jahren eröffnet und sie wird sehr gut angenommen", sagt Holger Flügge, Leiter des Pflegedienstes am EVK. "Viele Patienten kommen immer wieder oder entscheiden sich dann sogar, hier in die vollstationäre Pflege zu gehen."

Wie wichtig solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen wären, siegt Flügge an den Zahlen: "Die Betten für die Sommerferien 2018 sind jetzt schon fast vollständig ausgebucht." Die zweite Hochsaison im Jahr ist Weihnachten. "Und wir merken deutlich, dass die Nachfrage wächst."

Denn neben Urlaub und Krankheit ist auch dann Bedarf für die wenigen Kurzzeitbetten, wenn ein Senior gesundheitlich in eine Notsituation kommt, und vorübergehend medizinisch betreut werden muss. Für viele Familien ist es außerdem die einzige Möglichkeit auszuprobieren, wie es wäre, wenn Opa oder Oma langfristig im Heim leben - und wie der Senior damit zurechtkommt. "Außerdem kommt der demografische Wandel hinzu, der von allein dafür sorgt, dass die Nachfrage nach Pflegeplätzen im Allgemeinen steigt", sagt Flügge.

Leisten kann sich das Krankenhaus die vielen Übergangsbetten, weil es zugleich zwei große Langzeitpflegestationen gibt. "In dieser größeren Struktur können wir die Synergieeffekte gut nutzen, sonst wäre es auch für uns wirtschaftlich schwierig." Wie selten das ist, zeigen auch die Zahlen: Im gesamten Bundesland NRW gibt es 2.270 reine Kurzzeitpflegeplätze. 11.167 Betten stehen für die Langzeit- und Kurtzeitpflege zur Verfügung, sind also eingestreute Betten (IT.NRW Stand 2015).

Einzelzimmer reduzieren die Bettenzahl in Pflegeheimen

Andere Häuser haben da also mehr Probleme: "Laut dem neuen Wohn- und Teilhabegesetz für Wohnheime müssen mindestens 80 Prozent der Zimmer eine Einzelbelegung haben", sagt Verbraucherschützerin Hansen. "Das bedeutet, die Heime müssen viele Doppelzimmer auf Einzelzimmer umrüsten und haben noch mehr Probleme, ihre Langzeitpatienten unterzubringen. Das macht es noch schwieriger, auch Kurzzeitbetten anzubieten."

Vor allem ein Problem macht der Verbraucherschützerin an dieser Situation Sorgen: "Wenn man keine Flexibilität hat, um sich selbst einer Operation zu unterziehen oder den Angehörigen im Notfall einer guten Pflege zu übergeben, weil er beispielsweise dement ist und ein Pflegedienst zweimal am Tag nicht reicht, dann macht das die Pflege extrem unattraktiv."

Laut einer Statistik von IT.NRW soll sich die Zahl der älteren Pflegebedürftigen in NRW bis 2060 allerdings verdreifachen. Gibt es eine Lösung für diese Situation? "Ja, der Gesetzgeber muss Anreize für die Kurzzeitpflege schaffen, nur dann kann es auf Dauer funktionieren."

(ham)
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