Sprechstunde Stefan Ewerbeck Wenn Darm und Gelenke entzündet sind

Bei der enteropathischen Arthritis ist das Immunsystem gestört. Ärzte müssen zusammenarbeiten.

Unsere Leserin Heidi E. (32) aus Düsseldorf fragt: "Seit Monaten habe ich immer wieder Durchfälle ohne Ursache. Jetzt spüre ich morgens ständig meinen Rücken, meine Achillessehne schmerzt und scheint geschwollen zu sein. Gibt es da einen Zusammenhang ? An wen soll ich wenden?"

Stefan Ewerbeck Die unklaren Durchfälle bei Ihnen müssen dringend abgeklärt werden, die zeitlich versetzten Wirbelsäulenschmerzen und die geschwollene Achillessehne lassen an eine sogenannte enteropathische Arthritis (Gelenkentzündung) im Rahmen einer chronisch-entzündlichen Darmentzündung denken. Es gibt zwei ähnlich verlaufende Darmentzündungen: die Colitis ulcerosa und den Morbus Crohn, beide können mit einem entzündlich bedingten Rückenschmerz, aber auch mit Gelenkentzündungen und Sehnenentzündungen einhergehen, oft liegt eine genetische Veranlagung vor (HLA-B27 Merkmal positiv). Betroffen sind meist die Kreuzdarmbeingelenke, Knie, Sprunggelenke, Zehen und Sehnen. Die Gelenkentzündung kann von Gelenk zu Gelenk springen, dabei kommt es nur selten zu einer Zerstörung der Gelenkfläche. Der Krankheitsbeginn liegt etwa zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind aber insgesamt selten (etwa 200 auf 100 000 Einwohner). Die Ursache dieser Erkrankungen ist noch unklar. Eine genetische Veranlagung, Umweltfaktoren und eine Störung des Immunsystems sind offensichtlich beteiligt. Der Verdauungstrakt ist ein riesiges Immunsystem, die theoretisch ausgebreitete Fläche beträgt 200 Quadratmeter. Dort sitzen eine große Zahl von Immunzellen, die das Eindringen potenziell krankmachender Stoffen verhindern. Diese Abwehrzellen sind, bei diesen Patienten, deutlich vermehrt und aktiviert, dabei werden zu viele entzündungsfördernde Botenstoffe (sogenannte Zytokine) produziert, die man auch in den mitentzündeten Gelenken finden kann. Diese Tatsache macht man sich auch bei der Therapie zunutze. Substanzen wie Sulfasalazin, welche die Krankheit modifizieren, lindern sowohl die Darm- als auch die Gelenksymptomatik. Bei schwerem Verlauf werden auch Immunsuppressiva wie Azathioprin und Cortison eingesetzt. Zytokin-Blocker (etwa TNF-Alphablocker), sogenannte Biologika, sind schweren Krankheitsbildern vorbehalten, bei denen andere Medikament versagen. Schmerzmittel wie Diclofenac oder Ibuprofen sollten vermieden werden, da sich die Darmsymptomatik hierunter verschlechtern kann. Von den enteropathischen Gelenkentzündungen abzugrenzen sind relativ harmlos ablaufende Magen-Darminfektionen, die immerhin bei zehn Prozent der Erkrankten zu Gelenkbeschwerden führen können. Auch dabei sind meist die unteren Extremitäten betroffen. Diese Erkrankungen heilen meist folgenlos ab und bedürfen auch keiner langwirksamen Therapie. Die Gelenkschmerzen und Entzündungen können allerdings Monate andauern, auch wenn der Darm bereits abgeheilt ist; in einem gewissen Prozentsatz ist ein Übergang in ein chronisches Krankheitsbild möglich. In jedem Fall sollte die Diagnostik und Therapie gemeinsam durch den Rheumatologen und Gastroenterologen (Darmspezialist) erfolgen. Die Behandlungsmöglichkeiten, auch bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, sind bei früher Diagnosestellung sehr gut.

Stefan Ewerbeck ist Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Rheumatologie am Rheinischen Rheuma-Zentrum in Meerbusch-Lank.

(RP)
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