Influenza-Saison naht Warum die Grippeschutzimpfung im Herbst wichtig wird

Düsseldorf · Der Winter naht – und damit die nächste Influenza-Saison. Ein Tipp für Unentschlossene: Die Impfung kann zeitgleich mit einem Corona-Booster erfolgen. Das muss man jetzt wissen.

Eine Spritze mit einem Influenza-Impfstoff  der Saison 2020/2021.

Eine Spritze mit einem Influenza-Impfstoff der Saison 2020/2021.

Foto: dpa/Oliver Berg

Als hätte die Welt derzeit keine anderen Sorgen, weisen die Experten bereits jetzt auf die Wichtigkeit der Grippeschutzimpfung in diesem Herbst hin. Aber sie haben ja recht. Wie immer weiß man nicht genau, wie sich das Influenza-Virus sortieren wird und ob es Immunfluchtvarianten gibt. Die Vorbereitung auf eine Influenza-Pandemie hat deshalb immer etwas von militärischer Lotterie: Man bereitet sich auf einen Gegner vor, den man noch nicht zu Gesicht bekommen hat, dessen Waffen man sich allenfalls aus der Vergangenheit ausrechnen kann.

Die Sorgen sind nicht unbegründet, denn ein Blick nach Australien zeigt, dass dort die Zahl der Influenza-Infektionen bereits im Mai 2022 alle Rekorde gebrochen hat. Wie das „Deutsche Ärzteblatt“ berichtet, gab es von 23. Mai bis 5. Juni 47.860 laborbestätigte Fälle, das waren mehr als doppelt so viele wie 2019 – das Jahr mit dem bisherigen Höchststand in Australien. Kinder unter 16 Jahren waren für 58,2 Prozent der stationären Fälle verantwortlich, das sind ungewöhnlich viele. Bei den Erwachsenen über 65 Jahren belief sich dieser Anteil auf 18,4 Prozent. Auch in Argentinien, Brasilien und anderen Ländern der Südhalbkugel wurde von einem deutlichen und vor allem früheren Anstieg der Grippefälle berichtet.

Was könnte das für Europa bedeuten? Ist man gut vorbereitet? Dies fragte neulich ein britischer Artikel im Fachjournal „Lancet Infectious Diseases“. Sein Tenor: Die australischen Zahlen könne man nicht ignorieren. Andererseits war es in der Vergangenheit oft andersherum: dass nämlich die europäischen Daten als prognostischer Marker für die südliche Hemisphäre dienten. So sieht es jedenfalls Klaus Stöhr, der dem Sachverständigengremium von Bundesregierung und Parlament zur Evaluation des Infektionsschutzgesetzes und der Coronamaßnahmen angehört. Außerdem müsse man die australischen Zahlen korrekt interpretieren, meint Stöhr: „Dort ist der Zenit inzwischen bereits überschritten, und die Zahlen sind auf ein Maß gesunken, das man aus früheren Jahren kennt“, erläutert der Virologe, der während seiner Tätigkeit für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Globale Influenza-Programm geleitet hatte.

Überdies müsse sich niemand Gedanken machen, dass bei Influenza in Australien derzeit die H3N2-Variante dominiere, wogegen es sonst eher die H1N1-Variante sei. Stöhr: „Die tetravalenten, also vierfachen Influenzaimpfstoffe, die für die nächste Impfung zur Verfügung stehen, richten sich gegen Varianten, die mehr als 90 Prozent der zirkulierenden Viren ausmachen.“. Derzeit gebe es noch keine Signale, die auf neue, dominierende Immunfluchtvarianten unter den Influenzaviren hindeuteten und den Impfschutz untergrüben.

Gleichwohl ahnen Wissenschaftler, dass auch die Grippewelle im Winter 2022/2023 höher ausfallen könne als in den Vorjahren, als viele Menschen durch Coronaschutzmaßnahmen auch eine Infektion mit dem Influenza-Virus verhinderten. Dieser Schutz besaß wie immer einen Haken: Den Aufbau einer natürlichen Immunität verhinderte er. Darum, so Stöhr im „Ärzteblatt“, sollten sich – jenseits aller Corona-Impfempfehlungen, die sowieso bestünden – vor allem Personen über 60 Jahre gegen Grippe impfen lassen. „Dass die Influenzaimpfung für diese Gruppe einen hohen Nutzen hat, ist in Zeiten von Corona noch genauso wahr wie davor“, sagt der Mediziner.

Leider würden diesen Rat nur 30 bis 40 Prozent der entsprechenden Altersgruppen beherzigen. Er zähle hier „auf die niedergelassenen Ärzte, die das Gros dieser vulnerablen Gruppe impfen“ würde. Die Erfahrung zeige, dass diese Impfsitzung auch für einen Corona-Booster genutzt werde; auch eine sogenannte Triple-Impfung, die sich auch noch gegen Pneumokokken richtet, sei impftechnisch sicher und erzeuge ausreichend hohe Immunantworten.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek erläuterte das: „Laut der Ständigen Impfkommission können die Impfungen gegen Grippe und gegen Covid-19 zeitgleich gegeben werden. Das ist eine gute Gelegenheit für alle, die noch nicht vollständig gegen Covid-19 immunisiert sind, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Auch mit Corona-Auffrischungsimpfungen kann die Grippeimpfung kombiniert werden. Klar ist: Beide Impfungen schützen vor allem gegen schwere Verläufe. Und: Beide entlasten unser Gesundheitssystem.“

Stöhr weist ebenfalls auf den hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen bei den Hospitalisierungen hin (vor allen bei Kindern mit Grunderkrankungen) und sagt: „Definitiv wissen wir aus zahlreichen Studien, dass eine Grippeschutzimpfung nicht nur sicher ist für diese Altersgruppe. Sie hat für die Jugendlichen auch einen viel größeren Nutzen als eine Impfung gegen Sars-Cov-2“, so Stöhr. Und was sagt die Ständige Impfkommission (Stiko)? Sie empfiehlt die Impfung gegen Influenza allen Menschen über 60, Schwangeren ab dem zweiten Trimester, chronisch Kranken und Bewohnern von Alters- oder Pflegeheimen. Immunisieren lassen sollten sich auch Beschäftigte im Gesundheitswesen, Beschäftigte in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr und Menschen, die engen Kontakt mit Risikopersonen haben – also auch Apothekenpersonal. Auch Apotheker können jetzt impfen, wenn sie eine ärztliche Schulung nachweisen können.

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