Studie Tanzende Senioren sind gesünder

Bochum · Schon kleine Trainingsprogramme helfen älteren Menschen, Körper, Geist und Seele fit zu halten. Das hat eine Studie der Ruhr-Universität Bochum bewiesen. Die Effekte waren nachhaltig: Viele Teilnehmer besuchten Nachfolgekurse.

Kein Tango, erst recht kein Wiener Walzer, doch beschwingte Pop-Musik stand auf dem Programm der Tanzschule im Ruhrgebiet. Das war ungewöhnlich, aber die Senioren tanzten für die Forschung — für Neuro-Wissenschaftler der Uni Bochum. In einer Gruppe schwangen sie rhythmisch Arme und Beine, was das Zeug hielt. Und dabei förderte die Wissenschaft nun zutage, dass eine Stunde Tanz pro Woche ausreicht, um Körper und Geist fit zu halten.

Das Verblüffende: Selbst Couch-Potatoes steigerten nach einem halben Jahr Training ihre Beweglichkeit erheblich. Und nicht nur das, wie Jan-Christoph Kattenstroth vom Institut für Neuroinformatik erklärt: "Auch die Aufmerksamkeit der Personen und ihre Reaktionsfähigkeit wurden deutlich verbessert." Resultate, die insofern bahnbrechend sind für eine alternde Gesellschaft, als Gesundheit und Alltagskompetenzen auf ziemlich einfache Weise bis ins hohe Alter hinein erhalten werden — mit dem Ziel, dass die Menschen möglichst lange selbstständig leben und wohnen können.

Ratten inspirierten zu der Idee

Der Impuls zu dieser Studie beruht auf Beobachtungen aus dem Tierreich. Um genau zu sein waren es Ratten, so Jan-Christoph Kattenstroth. Die einen lebten in eher langweiligen (standardisierten) Käfigen, die anderen in einem sozialen Gefüge und einer gleichzeitig reizvollen und herausfordernden Umgebung. Was in diesem Fall große, abwechslungsreich eingerichtete Käfige bedeutete. Um an Futter zu kommen, mussten die Tiere Hindernisse überwinden oder danach suchen.

Das Ergebnis: Diese zweite Gruppe zeigte deutlich bessere Leistungen in Sensorik und Motorik als die Vergleichsgruppe. Zusätzlich waren degenerative Alterungsprozesse hier vermindert und die Lernfähigkeit der Tiere gesteigert.

Herausfordern anstatt Überfordern

Diesen Effekt wollten die Wissenschaftler auf Menschen übertragen. Das Tanzen schien ihnen besonders geeignet, weil es eine körperliche Aktivität ist, die an die individuellen Fähigkeiten angepasst werden kann. Gleichzeitig bietet es genügend Spielraum für persönliche Entwicklungen. "Voraussetzung war dafür ein Training mit leichter bis mäßiger körperlicher Aktivität, die Gelenke und Muskeln schont. Sie sollte herausfordernd, aber nicht überfordernd sein. Neben der Balance wollten wir damit auch die kognitiven Fähigkeiten trainieren", beschreibt Kattenstroth die Startbedingungen.

Denn gerade das Erlernen von Schrittfolgen stellt eine beträchtliche Herausforderung für das Gehirn dar. Im Zusammenspiel mit den anderen Tänzern ist gleichzeitig eine soziale Betätigung gewährleistet, die durch den Rhythmus der Musik akustisch stimuliert wird. Eine nahezu ideale, an Reizen reiche und herausfordernde Umgebung für die 25 Studien-Teilnehmer im Alter von 60 bis 94 Jahren. Eine Kontrollgruppe durfte in dem Fall gar nichts tun, außer ihr Leben wie bisher zu gestalten, während Profitänzer ebenfalls in die Untersuchungen einbezogen wurden.

Diese Profitänzer trainieren mehrere Stunden pro Woche und nehmen regelmäßig an Wettbewerben teil. Zu deren Ergebnissen erläutert Jan-Christoph Kattenstroth: "Natürlich haben diese Tänzer hervorragende Leistungen in all jenen Bereichen gezeigt, die unmittelbar mit dem Tanzen zu tun haben wie Balance und Standfähigkeit. Ein positiver Effekt in allen weiteren untersuchten Gebieten ist jedoch ausgeblieben. Wir folgern daraus, dass es offenbar eine ideale Trainingsintensität gibt. Mehr Training bringt also nicht unbedingt mehr Erfolg. Es scheint sich also um eine Wirkung zu handeln, die dosisunabhängig ist."

Lebenszufriedenheit nimmt zu

Nach sechs Monaten Tanzkursus wurde jeder einzelne Studienteilnehmer intensiv untersucht und befragt. Es kam heraus, dass alle neben Balance- und Standvermögen signifikante Verbesserungen in Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, Motorik, Sensorik erreicht hatten. Kein Wunder, dass auch die Lebenszufriedenheit zugenommen hatte. Im Test kamen Bereiche wie Beruf, Freizeit, Gesundheit, Geselligkeit, Kinder, Ehe und Partnerschaft ebenfalls zur Sprache.

Lediglich die Parameter "Intelligenz" und "Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit" veränderten sich nicht. "Ein bemerkenswerter Umstand, da zum Beispiel Verbesserungen des Denkvermögens und der Lernfähigkeit häufig mit einer verbesserten Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit verbunden sind", so die Bochumer Forscher. Im Umkehrschluss zeigt dies, dass eine geringe Trainingsintensität bereits zu weitreichenden Verbesserungen der Aktivität führen kann, auch wenn die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems sich nur wenig ändert oder gar unverändert bleibt, wie das anschließende Radfahren unter medizinischer Kontrolle zeigte.

Und die Teilnehmer selbst? "Sie sind motiviert. Viele von ihnen haben Nachfolgekurse belegt", wie der Inhaber der Tanzschule, Antoni Olkusznik, berichtet.

(RP)
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