Schlaf-Forschung Socken im Bett haben nur Vorteile – auch beim Sex

Düsseldorf · Kalte Füße im Bett sind nicht nur unangenehm, sie verhindern auch gesunden Schlaf. Doch wie schafft man Abhilfe? Mehrere Studien sagen übereinstimmend: An Socken führt kein Weg vorbei. Außerdem machen sie unser Liebesleben erfüllter.

 Warme Socken, die nicht zu eng sitzen, sind im Bett unschlagbar.

Warme Socken, die nicht zu eng sitzen, sind im Bett unschlagbar.

Foto: Christiane Keller

Über den schlafenden Deutschen wird gern gespottet, und das hat seinen Ursprung eindeutig bei Wilhelm Busch. Der zeigt uns den Onkel Fritz in „Max und Moritz“ als Kampfspießer, der mit Zipfelmütze und langer Unterhose zu Bett geht, in Rückenlage einschläft und alsbald von Getier in die Nase gezwickt wird. Nach einer mühevollen, aber siegreichen Schlacht gegen die Maikäfer herrscht irgendwann wieder Ruhe im Raum, der Schlaf kann weitergehen.

Über Onkel Fritzens Füße wird in der Episode nichts berichtet. In einem Bild sehen wir, dass sie barfuß sind. Das war in der preußisch-männlichen Schlaftradition nicht anders zu erwarten. Die Füße sind so frei wie die Gedanken, sie müssen lüften; Wärme schadet. Nur weibliche Wesen, weicher von Statur und Gemüt, gehen mit Wärmhilfe zu Bett. So hat es sich eingebürgert, unser irriges Wissen vom Schlaf.

Mit kalten Füßen schlafen in Wahrheit auch angeblich abgehärtete Männer schlechter ein. Das bewies neulich eine Studie der Universität Seoul. Das Team um Yelin Ko kam im „Journal of Physiological Anthropology“ zu beinharten Ergebnissen: Wer als Mann mit Socken ins Bett ging, schlief im Schnitt 7,5 Minuten schneller ein, 32 Minuten länger und um 7,6 Prozent tiefer; er wachte auch deutlich seltener zwischendurch auf. Besockte Füße waren überdies 1,3 Grad Celsius wärmer als die nackten in der Kontrollgruppe.

Was passiert eigentlich dort unten, in der äußersten Ferne des Kopfes? Bei nackten und kalten Füßen unternimmt der Körper Anstrengungen, um in der Peripherie des Leibes nicht zu viel Wärme abzugeben, deshalb stellt er die kleinen Gefäße eng, und das Blut zieht sich zurück. Menschen mit niedrigem Blutdruck spüren diese kalte Kaskade beinabwärts besonders schnell. Sie frieren, und weil das für den Körper Stress ist, produziert er Adrenalin, was die Einschlafdauer abermals verlängert (und den Harndrang verstärkt). Andererseits kann man aber nur dann gut einschlafen, wenn die Körperkerntemperatur um ein knappes Grad Celsius gesunken ist, sagt die Münchner Schlafforscherin Barbara Knab. Deshalb müsse die Wärme über Hände und Füße wieder abgegeben werden können – und dazu müssen die Gefäße sich weiten.

Ein Trugschluss zu glauben, die Füße würden sich unter der Bettdecke schnell aufwärmen. Das tun sie eben nicht. Und so bibbern wir Männer uns langsam und frustriert in Morpheus‘ Arme. Wenn dann noch kalte Füße aus der Nachbarschaft diagonal zu Gast kommen und uns Wärme abzapfen wollen, ist an Einschlafen nicht zu denken.

 Körnerkissen geben angenehme Feuchtigkeit ab, kühlen aber schnell aus.

Körnerkissen geben angenehme Feuchtigkeit ab, kühlen aber schnell aus.

Foto: Christiane Keller

Überhaupt, erklärt Christoph Ploenes, Gefäßspezialist an der Schön-Klinik in Düsseldorf, nehmen wir Menschen den Temperaturzustand unserer Füße besonders intensiv wahr. Denn die Füße sind in Relation zu ihrer kleinen Hautoberfläche sehr dicht mit sensiblen Nerven versorgt. Schmerzen – und Kälte ist ein Schmerz! – werden besonders empfindlich registriert. Wer je mit dem kleinen Zeh vor eine Tür lief, kann das bestätigen. Im Umkehrschluss kann eine Schädigung der Nerven von Haut und Unterhaut in den Füßen zu einer Kältemissempfindung führen, zum Beispiel bei Diabetes. Ploenes: „Dann helfen selbst die dicksten Socken nicht weiter.“

Wie muss er beschaffen sein, der gute Sock, der mit uns ins Bett geht? Es darf nicht der vom Tage sein, das nimmt der Mensch neuropsychologisch als irritierend wahr, als Verlängerung von Mühsal. Meist müffelt er ja auch noch. Gute Bettsocken sind frisch, sitzen nicht zu eng, sondern lassen Luft. Um mit einem Modewort zu sprechen: Sie sind atmungsaktiv. Man sollte sie zudem bereits ein paar Minuten vor dem Bettgang überstreifen. Socken sind ja keine Heizungen, die man einschaltet.

Auch deshalb kann ein kleines warmes Fußbad, das Schweiß und Gerüche sanft entfernt, vor dem Erreichen der Horizontalen überaus günstig sein. Dies schafft den seelischen Abstand, den der Fuß braucht, um sich in den Schlaf einzufühlen. In Wirklichkeit ist er ja ein sensibles Kerlchen. Nur lassen wir Männer den Fuß das oft nicht wissen, wir betrachten ihn als groben Abtreter.

Auch jenseits der Knöchel machen sich die Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein kardinal bemerkbar. Wenn sich weibliche Eiszapfen, als Zehen getarnt, unter der Bettdecke von seitwärts nähern, ist das physiologisch naheliegend und folgerichtig: Frauen haben häufiger kalte Füße als Männer, denn sie verfügen über weniger Muskeln und Körpermasse und produzieren deshalb weniger Wärme. Wenn dann noch die Temperaturen wie in diesen Tagen deutlich in den Keller gehen, dann sind Frauen besonders arm dran. Echte Frostbeulen!

 Wärmflaschen sind oft zu heiß und wirken irgendwann auch wie Fremdkörper.

Wärmflaschen sind oft zu heiß und wirken irgendwann auch wie Fremdkörper.

Foto: Christiane Keller

Übrigens ist es ein Akt autonomen Körperschutzes, dass das Gehirn uns bei Kälte an Füßen und Händen so schnell frieren lässt. Es möchte nämlich die Körpermitte, die lebenswichtigen Organe und sich selbst, den Kopf, vor der Kälte bewahren, also sichert es sich Wärme, wo immer es sie im Körper bekommen kann. Und das ist, wir wissen es längst, die Peripherie. Es bricht also Jubel in allen Organen aus, wenn bei Kälte dem Fuß Wärme entzogen wird. Der Fuß selbst mault.

Die Erfolgsgeschichte der Socken im Bett führt in ungeahnte Dimensionen: zu unserem Sexualleben. Eine Studie der Universität Groningen zeigte vor einigen Jahren, dass Paare, die beim Liebesspiel Socken trugen, sicherer einen Orgasmus (zu 80 Prozent) bekamen als liebende Barfußindianer (nur zu 50 Prozent). Bei warmen Füßen weiteten sich auch alle anderen Blutgefäße und optimierte sich die Durchblutung im Unterleib. Socken, so folgerten die Forscher, hätten jedoch auch eine emotionale Komponente: Frauen empfänden mit ihnen das Gefühl von Geborgenheit, sie bekämen keine „kalten Füße“ davor, sich fallen zu lassen, „und konnten das Unterbewusstsein zugunsten des Höhepunkts die Kontrolle über den Körper übernehmen lassen“.

Ebenso heilsam ist es zu wissen, dass Menschen, die an den Füßen frieren, schneller Erkältungen bekommen. Wenn sich das Blut zurückzieht, dann betrifft das auch die Schleimhäute in der Nase, sie werden schlechter durchblutet, werden rissig und geben ideale Eintrittspforten für Viren ab. Deshalb sollten Schlafzimmer zwar kühl (zwischen 16 und 19 Grad Celsius), aber nicht kalt und vor eisiger Außenluft geschützt sein – die verträgt die Nase nämlich auch nicht.

Gewiss ist der Sock im Bett nicht die einzige seligmachende Weisheit, es gibt auch Daunenbettschuhe, sozusagen der Muff unter den Socken. Am Niederrhein fühlt man sich mit ihnen allerdings wie auf einer Himalaya-Expedition. Socken aus Baumwolle, die nicht zu kurz sind, haben den Vorteil, dass man sie über die Hose ziehen kann. Was nutzen einem die wärmsten Füße, wenn einem nachts die Hosenbeine hochrutschen und die Waden bei unseren nächtlichen, nicht planbaren Wälzbewegungen an die Luft geraten? Deshalb schwören Schlafmethodiker auf Hosenbeine mit Bündchen.

Apropos Rutschgefahr: Der Schlafperfektionist trägt einen Einteiler mit Reißverschluss, weil er es hasst, dass des Pyjamas Oberteil bis zu den Rippen hoch- und das Unterteil bis auf die Hüfte runterrutscht. Nach abendlichen Biertouren ist der Einteiler freilich tabu, denn man muss häufiger aufs Töpfchen als sonst, und dann kann die gemütlichste Kosmonauten-Pelle im Halbschlaf hinderlich sein.

Was es sonst noch gibt? Die gute alte Wärmeflasche ist eine vorzügliche Erfindung, die aber den Füßen gar nichts bringt. Bisweilen wird sie so heiß befüllt, dass sie Verbrennungen hervorruft; bei Diabetikern, die unter einer Störung der korrekten Wärmeempfindung leiden, ist das  gar nicht so selten der Fall. Besser legt man die Wärmflasche (tunlichst von behaglichen Fleece- oder Häkelstoffen ummantelt) dorthin unters Plumeau, wo die Lenden zu ruhen kommen. Für die Füße sind Körnerkissen, die in Mikrowelle oder Ofen vorgeheizt werden,  schon besser, zumal sie Feuchtigkeit abgeben. Auch hier gilt: Bitte nicht grillen! Niemand möchte vom Bett aus die 112 wählen müssen. Und Heizkissen oder Decken auf elektrischer Basis im Schlafzimmer? Auch hier droht je nach Tüv-Sicherheit des Produkts eine kurze Nacht mit Schmorschaden.

So bleibt als preiswertes, kuscheliges und absolut männliches Fazit stehen: Wenn Du zum Bette gehst, vergiss die Socken nicht!

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