Romanze im Job Darf der Chef die Liebe verbieten?

Neuss · Viele Menschen verlieben sich am Arbeitsplatz. Laut einer Umfrage ist jeder Zweite schon einmal mit einem Kollegen ausgegangen. Doch wie sieht das eigentlich arbeitsrechtlich aus?

Jeder Zweite ist laut einer Umfrage schon einmal mit einem Kollegen oder eine Kollegin ausgegangen.

Jeder Zweite ist laut einer Umfrage schon einmal mit einem Kollegen oder eine Kollegin ausgegangen.

Foto: Istock

Es dauerte viele Jahre, bis Theresa Vieth sich in ihren heutigen Partner verliebte. Hätten sie nicht im selben Büro gesessen, wären sie wahrscheinlich nie miteinander ausgegangen. Die beiden lernten sich 2007 bei einem Versicherungsunternehmen in Neuss kennen. Sie hatte ihre Ausbildung abgeschlossen, er fing sie gerade an. Sie war ehrgeizig, er gelassen. „Ich dachte: Unterschiedlicher könnten wir nicht sein“, sagt Vieth. Heute sind sie seit neun Jahren ein Paar und haben eine Tochter.

Bei einer gemeinsamen Autofahrt zur Arbeit hatte er gefragt, ob sie sich nicht mal auf einen Kaffee treffen wollten. Da kannten sie sich schon vier Jahre. Sie sagte Nein, mehrere Monate lang, doch er blieb hartnäckig. Irgendwann überlegte sie es sich anders. Sie lachten schließlich viel zusammen, waren sich sympathisch. Vieth hatte das Gefühl, ihn jetzt richtig zu kennen. Mit all seinen Macken. In einer festen Beziehung mit ihm, da war sie sich sicher, würde sie keine bösen Überraschungen erleben. „Es war gut, dass wir vorher so viel Zeit auf der Arbeit miteinander verbracht hatten“, sagt Vieth, 36 Jahre alt, heute. Sie gingen essen, verliebten sich und zogen nach drei Jahren zusammen. 2020 kam ihr Kind zur Welt.

So wie Vieth und ihrem Partner geht es vielen Menschen in Deutschland. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts One Poll ist jeder Zweite schon einmal mit einem Kollegen oder einer Kollegin ausgegangen. Und ein Drittel der Befragten hat zumindest schon einmal jemanden von der Arbeit geküsst. Kein Wunder, im Beruf verbringt man eben viel Zeit miteinander. Doch wie sieht das eigentlich arbeitsrechtlich aus? Gibt es Regeln für die Liebe im Job?

 Theresa Vieth hat ihren Partner auf der Arbeit kennengelernt. Heute haben sie eine gemeinsame Tochter.

Theresa Vieth hat ihren Partner auf der Arbeit kennengelernt. Heute haben sie eine gemeinsame Tochter.

Foto: Theresa Vieth

Die Supermarktkette Walmart wollte Anfang der 2000er Jahre romantische Beziehungen zwischen Mitarbeitenden in ihren deutschen Filialen mit einer entsprechenden Ethikrichtlinie verbieten. In Deutschland ist das eigentlich nicht üblich, in den USA schon. Arbeitgeber wollen so teure Rechtsstreits wegen sexueller Belästigung vermeiden. Doch das Düsseldorfer Landesarbeitsgericht urteilte: Auch Walmart-Mitarbeitende dürfen lieben. Der Passus greife tief in die Persönlichkeitsrechte ein und verstoße gegen Paragraph 1 und 2 des Grundgesetzes, sagte der Richter damals.

Arbeitsrechtlich ist die Lage in Deutschland so: Romantische Beziehungen im Beruf sind grundsätzlich erlaubt, solange die Arbeit nicht darunter leidet. „Wer ständig Händchen hält, Süßholz raspelt und deshalb seine Aufgaben liegen lässt, der begeht eine Arbeitspflichtverletzung“, sagt Jens Niehl, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Düsseldorf. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Und minderschwere Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel Beschäftigte in eine andere Abteilung versetzen. Vernachlässigen die Liebenden wiederholt ihre Arbeit, kann es sogar zur Kündigung kommen.

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Und nicht nur romantische Beziehungen zwischen gleichgestellten Kollegen sind möglich: Bändelt die Chefin mit einem Angestellten an, wirkt das auf die Kollegen vielleicht erst einmal befremdlich. Doch auch dagegen gibt es arbeitsrechtlich gesehen keine Einwände. Bevorzugt werden darf natürlich niemand – darauf zu achten, fällt unter die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Letztendlich hat jeder selbst in der Hand, wie er mit einer Liebesbeziehung am Arbeitsplatz umgeht. „Wer die Beziehung öffentlich machen möchte, kann das gerne tun. Aber ein Muss ist das nicht, denn romantische Beziehungen sind Privatsache“, sagt Niehl. Es komme immer auf das Verhältnis zu den Kollegen und Vorgesetzten an – und wie man sich selbst am wohlsten fühle.

Theresa Vieth und ihr Partner haben sich auf der Arbeit zunächst nichts anmerken lassen. Nur ihren engsten Freunden im Kollegenkreis erzählten sie von ihrer Beziehung. „Das fühlte sich für uns besser an“, sagt sie. „Schließlich haben wir eine Zeit lang sehr eng zusammengearbeitet.“ Einige Monate hielten sie das durch, dann zeigten sie ihr Glück offen. Die Kollegen freuten sich für sie. Einige hatten es schon geahnt, andere waren enttäuscht, weil sie nicht früher etwas gesagt hatten.

2015 wechselte Vieths Partner die Abteilung. Seitdem sehen sie sich auf der Arbeit kaum. Nur die gemeinsame Fahrt blieb – bis die Pandemie kam. Heute arbeiten sie abwechselnd im Homeoffice. „Wir müssen nicht ständig über die Arbeit reden“, sagt Vieth. „Aber es ist gut, dass wir es können – und dann beide wissen, was gemeint ist.“ In der selben Abteilung wollen sie aber nicht mehr arbeiten. Lieber genießen sie die Freizeit zusammen.

Dieser Artikel wurde bereits im August 2022 veröffentlicht. Da er weiter aktuell ist, bieten wir ihn erneut zum Lesen an.

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