Forscher suchen seit Jahren den G-Punkt Große Aufregung um einen kleinen Lustpunkt

Düsseldorf · Die Stimulierung eines besonderen Punkts soll der Frau bombastischere Orgasmen bescheren als bloß die Stimulierung der Klitoris am Scheideneingang. Was Experten in Sachen Intimästhetik bewerben, können Wissenschaftler allerdings nicht finden.

Hier schlummern die erogenen Zonen
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Foto: Shutterstock.com/ MJTH

Es ist der G-Punkt, der Mann und Frau, Schönheitschirurgen und Forscher immer wieder in Wallung versetzt. Benannt ist der nur wenige Millimeter große Punkt, der an der vorderen Wand der Vagina liegen soll und parallel zur Harnröhre verläuft nach seinem Entdecker Ernst Gräfenberg. Der deutsch-amerikanische Gynäkologe allerdings scheint ihm trotz dessen, dass er ihn in den 1950er Jahren aufgespürt hat, weniger Bedeutung beigemessen zu haben, als das heute geschieht. Er nämlich gab dem mysteriösen Punkt nicht mal einen Namen.

Entdeckung bei einer toten 83-Jährigen

Dennoch ist die Aufregung um den kleinen Lustpunkt uneingeschränkt groß. Immer wieder versuchen sich Wissenschaftler daran, ihn zu finden, im Geflecht der weiblichen Anatomie. Erst vor wenigen Monaten war es der amerikanische Gynäkologe Adam Ostrzenski, der sich als Entdecker versuchte. Bei der Sektion einer 83-Jährigen, die wenige Stunden zuvor an einer Kopfverletzung gestorben war, entdeckte er an der vorderen Wand der Vagina eine sackähnliche Struktur. Sie soll, so berichtet er nach der Obduktion nur einer einzigen Frauenleiche im Journal of Sexual Medicine, schwellkörperartiges Gewebe enthalten.

Ob aber die Entdeckung des bläulich schimmernden Gewebes überhaupt mit dem Lustempfinden der Frau zu tun hat, bleibt er nach seiner Untersuchung zwangsläufig schuldig. Was sein Sektionsergebnis und die wissenschaftliche Sensation zudem schmälert ist die Tatsache, dass er selbst ein Institut betreibt, in dem kosmetische Operationen im Vaginalbereich durchgeführt werden.

Viele Verfahren nur für das eine

So befand auch der israelische Neurologe Ilan Gruenwald Anfang des Jahres, dass Berichte über die Lage und sexuelle Stimulierung des G-Punktes weit von der Wahrheit entfernt liegen. Dutzende von Studien versuchten in der Vergangenheit, die Existenz des sagenumwobenen Punktes mit Hilfe von Umfragen, pathologischen Proben, bildgebenden Verfahren oder mit biochemischen Markern nachzuweisen. Doch sie alle konnten keine reproduzierbaren, nachvollziehbaren Beweise für den Punkt der Lust erbringen.

Auch der Bioethiker Jeffrey Spike vom Florida State University's College of Medicine hält den G-Punkt ebenfalls für ein Märchen, ebenso wie der britische Wissenschaftler Prof. Tim Spector. Er befragte 1800 weibliche Zwillinge im Alter zwischen 23 und 83 Jahren. Die Annahme: Bei eineiigen Zwillingen ist das Erbgut identisch. Beide Zwillinge müssten also von einem G-Punkt berichten. Tatsächlich aber taten sie es nicht.

Anschwellender Empfindungspunkt

Für die, die dennoch an den G-Punkt glauben, ist er ein Äquivalent der männlichen Prostata, das aus erektilem Gewebe besteht, dass bei sexueller Erregung anschwillt. Nicht bei jeder Frau soll er dieser Annahme nach stimulierbar sein. Manchmal liege der empfindsame Bereich so tief im Gewebe der Frau verborgen, dass er sich beim Geschlechtsverkehr nicht stimulieren lasse. Wenig zur Stimulation geeignet sei demnach die Missionarsstellung, mehr hingegen die Reiterstellung a tergo.

Bei heftiger Stimulierung komme es zur Ausschüttung von Flüssigkeit, die dem männlichen Sperma nach Form und Beschaffenheit ähneln soll. Schönheitsoperateure, die sich auf den Intimbereich spezialisiert haben, werben für eine Aufspritzung des G-Punktes, nach der auch ein tiefer liegender Lustpunkt vaginal besser erreichbar sei. Ausgeführt wird das entweder mit Kollagen, Hyaluronsäure — einem natürlichen Hautbestandteil, der auch zur Minimierung von Falten eingesetzt wird und die Haut aufpolstert, oder körpereigenem Fettgewebe.

Gynäkologen warnen vor Eingriffen

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. rät von dem Aufspritzen des G-Punktes sowie anderen Intimeingriffen wie Vaginalverengungen oder einer Vergrößerung der äußeren Schamlippen ab. Dies Experten warnen vor Komplikationen und Risiken dieser Eingriffe wie Wundheilungsstörungen und Entzündungen, Narbenbildungen, Sensibilitätsstörungen mit herabgesetzter sexueller Empfindlichkeit, veränderte taktile Empfindungen bis hin zu deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen des Genitale.

Durch die Narbenbildung und entstehender Asymmetrie könne es zu Schmerzen beim Gehen, Sitzen, bei sportlicher Betätigung und beim Geschlechtsverkehr kommen, die auch noch Jahre nach der Operation vorhanden sein können und das Sexualleben und Lebensqualität beeinflussen.

(wat)
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