Liebe auf Distanz Was eine Fernbeziehung bedeutet - und wie sie funktionieren kann
Liebe auf Distanz kann funktionieren, wenn beide Partner an sich und ihrer Beziehung arbeiten. Wir verraten, wie eine glückliche Fernbeziehung aussieht und wieso gemeinsame Ziele so wichtig sind.

So klappt es mit der Fernbeziehung – 10 Tipps
Was genau ist eigentlich eine Fernbeziehung? Was hilft gegen Sehnsucht? Und worauf sollten die Partner in einer Fernbeziehung achten? Wir liefern einen Überblick.
Wann spricht man von einer Fernbeziehung?
Es gibt keine feste Definition, ab wann man von einer Fernbeziehung spricht. Der Duden versteht unter dem Wort eine Lebensgemeinschaft von Personen, die an unterschiedlichen Orten wohnen. Räumliche Distanz scheint demnach das wichtigste Kriterium einer derartigen Partnerschaft zu sein – schließlich ist von Ferne die Rede. Das heißt jedoch nicht, dass der Partner nicht zwangsläufig in einem anderen Ort leben muss. Das Pendeln in eine andere Stadt, um den Partner zu sehen, gehört für viele aber zum Alltag dazu.
Eric Hegmann, der Paarberatung und -therapie sowie Single- und Beziehungs-Coachings in Hamburg anbietet, möchte sich auch nicht auf eine enge Definition festlegen. "Das überlasse ich den betroffenen Paaren, denn um deren Perspektive auf ihre Beziehung geht es ja", sagt Hegmann. Für manchen Menschen fühlt sich eine sogenannte LAT-Beziehung im gleichen Stadtteil wie eine Fernbeziehung an." Der Begriff LAT-Beziehung wurde von der niederländischen Jahr Autorin Cees J. Straver im Jahr 1980 eingeführt und bezeichnet eine freiwillig gewählte Form der Partnerschaft. LAT steht für Living Apart Together. Die Partner entscheiden sich bewusst dafür, keine gemeinsame Wohnung zu haben. Es gibt sogar Paare, die in dieser Form der Fernbeziehung leben und trotzdem verheiratet sind beziehungsweise gemeinsame Kinder haben. "Dieses Beziehungsmodell nimmt laut Statistischem Bundesamt auch weiterhin zu. Der häufigste Grund einer Fernbeziehung ist aber schlicht ein anderer räumlicher Lebensmittelpunkt und eine Ortsgebundenheit, die Zusammenleben nur temporär oder bei gegenseitigen Besuchen zulässt", weiß Paartherapeut Eric Hegmann aus seinem Berufsalltag.
Laut einer im Jahr 2019 veröffentlichten Studie des Online-Dating-Anbieters ElitePartner haben rund 12 Prozent der 18 bis 29-Jährigen in Deutschland bereits zwei bis fünf Fernbeziehungen geführt. Unter den 60- bis 69-Jährigen der Befragten waren es etwa 5 Prozent, bei den 30- und 39-Jährigen etwa 14 Prozent.
Wie lange hält eine Fernbeziehung im Schnitt?
Wie lange eine derartige Beziehung hält, hängt vom Miteinander der Partner und deren Vorstellungen sowie deren Kommunikation ab. Im Schnitt dauern Fernbeziehungen ein bis zwei Jahre, wobei es natürlich auch Fälle gibt, in denen Partner aufgrund der Jobsituation für längere Zeit zu Liebe auf Distanz gezwungen sind oder aber sich aus freien Stücken für die räumliche Distanz entscheiden.
Ein entscheidendes Kriterium für eine funktionierende, glückliche Beziehung ist offensichtlich eine gemeinsame Zukunft. Denn eine Studie des deutschen Statistik-Portals Statista aus dem Jahr 2014 zeigt, dass 33 Prozent der Befragten so lange in einer Fernbeziehung leben würden, bis sie in eine gemeinsame Wohnung zusammenziehen. 15 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie bereit wären, ein Jahr lang eine Fernbeziehung zu führen. 21 Prozent zeigten sich sogar bereit, zwei Jahre lang die Liebe auf Distanz zu halten. Immerhin 11 Prozent zeigten die Bereitschaft, drei Jahre an verschiedenen Orten getrennt voneinander zu leben.
Ob und wie lange eine Fernbeziehung hält, hat ein Paar größtenteils selbst in der Hand. Natürlich können auch äußere Faktoren, beispielsweise ein Umzug oder der Verlust einer Arbeitsstelle, die Beziehung nachhaltig beeinflussen. Aber hauptsächlich ist das Paar, das in einer Fernbeziehung lebt, für das Gelingen eben dieser verantwortlich. Gemeinsame Zeit, das Stärken des Wir-Gefühls und offene Gespräche über Wünsche und Ziele haben einen positiven Einfluss auf die Beziehungsdauer.
Worauf sollte man bei einer Fernbeziehung achten?
Für eine Fernbeziehung gelten dieselben Regeln wie auch in einer "normalen Beziehung". Ohne Kommunikation kann das Miteinander auf Dauer nicht klappen. Ehrlichkeit, Loyalität und Vertrauen spielen ebenso eine wichtige Rolle – vor allem dann, wenn das nächste Wiedersehen länger auf sich warten lässt. Nähe ist ebenfalls wichtig für eine funktionierende und erfüllte Beziehung. Paarberater Eric Hegmann unterscheidet zwischen räumlicher und emotionaler Nähe. "In der Paartherapie erlebe ich Paare, die sich sehr einsam fühlen, obwohl der geliebte Mensch im gleichen Raum ist. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das Verbindung benötigt, die Bindungsforschung ist da eindeutig. Das bedeutet: Paare müssen emotionale Nähe schaffen und halten", sagt Eric Hegmann. Er betont zudem die Bedeutung von Verlässlichkeit und Erreichbarkeit. Verabredete Zeiten zu Telefonaten oder Videotelefonie müssten eingehalten werden, angekündigte Besuche dürften nicht plötzlich abgesagt werden. "Der Partner muss das Gefühl haben, er ist die Priorität und nicht nur eine Option. Er ist wichtig. Er wird gesehen und wahrgenommen. Er kann sich auf den anderen verlassen. Aber ganz wichtig: All dies gilt genauso für jedes andere Beziehungsmodell", betont Hegmann.
Kommunikation auf Augenhöhe ist das A und O in einer Fernbeziehung. Über Probleme sollte offen gesprochen werden. Wenn einer der Partner der Meinung ist, dass zwischen den einzelnen Treffen zu viel Zeit liegt, sollte dies angesprochen werden. Vielleicht hat der andere bloß das Gefühl, dass er seinem Partner mehr Freiheit geben möchte – obwohl sich doch beide gleichermaßen nach Nähe und Zusammensein sehnen.
Auch Eifersucht ist in Fernbeziehungen häufig ein Thema. Dadurch, dass man sich nicht so häufig sieht, malt man sich unter Umständen im Kopf Szenarien aus, in denen der Partner gerade mit jemand anderem glücklich ist oder in denen er die fehlende Nähe zum Beispiel mit einer Affäre kompensiert. Über solche Probleme oder negative Gedanken müssen Partner offen und ehrlich sprechen können.
Was sind die Probleme einer Fernbeziehung?
Es kommt häufig vor, dass zu hohe Erwartungen an die Beziehung gestellt werden. Eine Fernbeziehung ist definitiv kein leichtes Unterfangen. Vor allem dann nicht, wenn sich die beiden Partner noch nicht allzu lange kennen und ihre Bindung noch nicht so ausgeprägt ist, wie bei einem Paar, dass schon zwei Jahre zusammen ist und für eine begrenzte Zeit getrennt voneinander lebt. Wer bereits länger zusammen ist, kennt die Charaktereigenschaften des Partners besser und kann leichter einschätzen, was der andere braucht und weshalb er sich so verhält, wie er sich verhält. Vertrauen und Loyalität sind in einer Beziehung wichtig, auch in einer Fernbeziehung. Wenn das nächste Treffen auf sich warten lässt, braucht man die Gewissheit, dass der Partner auch auf Distanz für einen da ist, sich nach dem anderen sehnt und ihm die Treue hält.
Eifersucht ist zwischendurch ganz normal, jedoch sollten negative Emotionen nicht Überhand nehmen. Fühlt sich einer der beiden in der Partnerschaft vernachlässigt oder nicht genug wertgeschätzt, ist es an der Zeit für ein klärendes Gespräch auf Augenhöhe. Es besteht kein Grund zur Eifersucht, wenn beide Seite klären, was für sie okay ist und was nicht – und sich beide an diese Regeln halten.
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Ein weiteres Problem in einer derartigen Beziehungskonstruktion ist der Faktor Nähe. „Fernbeziehungen funktionieren nicht bei Partnern, die ein besonders großes Nähebedürfnis haben oder die unter Verlustangst leiden, also durch ein eher ängstliches Bindungsverhalten geprägt sind“, weiß Paartherapeut und Beziehungs-Coach Eric Hegmann. „Sie vermissen den gemeinsamen Alltag mittel- und langfristig zu stark.“ Es ist aber nicht jede Fernbeziehung dadurch gleich zum Scheitern verurteilt. Auch Menschen, denen Nähe sehr wichtig ist und die ihren Partner möglichst häufig bei sich haben beziehungsweise ihren Alltag mit ihm teilen möchten, können eine Fernbeziehung eingehen und damit glücklich werden. „Wenn die Fernbeziehung zeitlich begrenzt ist, also ein Ende in Sicht ist, kann das die Sehnsucht etwas ausgleichen und die Beziehungszufriedenheit bleibt dann hoch“, erklärt Eric Hegmann. Hilfreich ist zudem auch, wenn das Paar mit kleinen Ritualen das Wir-Gefühl stärkt, gemeinsame Zeit plant und auch auf Entfernung einen gemeinsamen Alltag schafft.

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Welche Vorteile hat eine Fernbeziehung?
Es klingt zunächst etwas seltsam, doch es hat auch etwas Gutes, eine Fernbeziehung zu führen. Eine derartige Beziehungsform erfordert ein hohes Maß an Vertrauen und bringt die Möglichkeit mit sich, als Individuum und als Paar gleichermaßen zu wachsen. Wer beispielsweise ein Fernbeziehung eingeht, da der Job oder das Studium vorübergehend einen anderen Lebensmittelpunkt verlangt, der kann neue Erfahrungen sammeln, Freiheiten ausleben und sich zugleich auf den Rückhalt seines Partners verlassen. Beide können an sich wachsen und sich gegenseitig in ihrer Entwicklung unterstützen.
"Fernbeziehungen oder LAT-Beziehungen sind gut für Partner geeignet, die ein großes Bedürfnis nach Autonomie und Selbstkontrolle haben, die das Verschmelzen im Wir eher fürchten", sagt auch Paartherapeut und Beziehungs-Coach Eric Hegmann aus Hamburg. "Wichtig ist, dass beide Partner einen ähnlichen Wunsch nach Nähe oder Distanz haben, ist der nicht im Gleichgewicht scheitert die Beziehung leider rasch an einer Paar-Dynamik von Fordern auf der einen und Rückzug auf der anderen Seite. Allerdings ist dies auch so bei jeder anderen Beziehung, es kommt bei Beziehungen auf Distanz nur noch stärker zum Tragen", ergänzt der Experte.
Außerdem lernen Paare in einer Fernbeziehung, die gemeinsame Zeit noch mehr wertzuschätzen. Die Liebe kann durchaus wachsen, wenn man auf sich allein gestellt ist in der Ferne und merkt, wie sehr man die gemeinsame Zeit mit dem Partner genießt und wie gut einem das Zusammensein tut. Bei vielen stellt sich häufig der Wunsch ein, nach Ende der Beziehung auf Distanz mit dem Partner zusammen zu ziehen oder gar den nächsten Schritt zu wagen und ihn zu heiraten. Eine Fernbeziehung ist an manchen Tagen eine Belastungsprobe für das Paar, jedoch kann sie auch mehr zusammenschweißen und die Liebe auf ein neues Level heben. Während einer Fernbeziehung schafft man neue Rituale – das können zum Beispiel regelmäßige Telefonate vor dem Schlafengehen oder das gemeinsame Spielen eines Online-Spiels sein. Das Band zwischen den Partner wird so auf eine neue Art und Weise geknüpft und gestärkt.
Ein weiterer Vorteil: In einer Fernbeziehung reflektiert man stärker die Beziehung und ihre Qualität. Manche Streitpunkte, beispielsweise mangelnde Ordnung, werden relativiert, da es mit Abstand betrachtet vielleicht wichtiger ist, einen treuen als einen ordentlichen Partner zu haben. Das Ganze funktioniert aber auch in die andere Richtung: Wer viel in eine Beziehung investiert und die Distanz in Kauf nimmt, dann aber merkt, dass dem anderen das Ganze nicht so wichtig ist, der wird seine Gefühle noch einmal überdenken. Manch einer mag zu dem Schluss kommen, dass es die Mühe nicht wert ist.
Welche Tipps helfen gegen Sehnsucht in einer Fernbeziehung?
Wenn das nächste Wiedersehen noch ein bisschen hin ist, kommt oft Sehnsucht auf. Erinnerungsstücke wie ein Liebesbrief oder Kuscheltier können über Liebeskummer hinweghelfen. Außerdem sind Rituale gerade in solchen Zeiten wichtig. „Das kann das Telefonat am Abend oder auch die Guten Morgen-Nachricht am Morgen sein. Das Gefühl von Verbundenheit wird durch Video-Telefonie gestärkt, was heute jedes Smartphone beherrscht“, sagt Paartherapeut und Beziehungs-Coach Eric Hegmann. „Wichtig ist auch, dem Partner im Alltag immer wieder zu zeigen, dass man an ihn denkt. Viele Paare in Fernbeziehungen texten nicht, sie chatten eher den ganzen Tag.“ Kleine Nachrichten zwischendurch lindern die Sehnsucht und geben dem Partner zudem das Gefühl, Teil des Alltags des anderen zu sein.
Gemeinsame Erlebnisse – auch auf Distanz – festigen die Bindung und vermitteln das Gefühl von Nähe. „Entwicklung erfolgt durch gemeinsames Erleben. Den anderen und sich in neuen und vertrauten Situationen wahrnehmen. Dazu müssen Paare in der Distanz kreativ werden. Ich kenne Paare, die sehen gemeinsam eine Serie, indem sie dabei telefonieren. Andere besuchen gemeinsam ein Online-Konzert oder eine Show, die gestreamt wird“, berichtet Eric Hegmann.
Wichtig ist nur, dass vor lauter Sehnsucht nicht zu sehr geklammert wird. Ständige Textnachrichten können zum Beispiel dann auch stören, wenn der Partner gerade etwas mit anderen unternimmt, bei der Arbeit ist oder einfach Zeit für sich braucht.
Wann ist es besser, eine Fernbeziehung zu beenden?
Auf diese Frage weiß Paartherapeut und Beziehungs-Coach Eric Hegmann nur eine Antwort: "Das weiß jedes Paar wohl selbst am besten. Ob in einer Fernbeziehung oder nicht." Es gibt eine Reihe von Fragen, die bei der Entscheidung weiterhelfen können:
- Bin ich glücklich in meiner Beziehung?
- Habe ich das Gefühl, dass mein Partner mich wertschätzt?
- Ist mein Partner mir auch in der Ferne treu?
- Räumen wir uns beide Zeit für den anderen ein?
- Haben wir eine Zukunft? (Pläne wie Urlaube, Zusammenziehen, Heirat, Kinder, gemeinsame Anschaffungen)
- Sprechen wir offen über Wünsche, Ängste und Ziele?
- Fühle ich mich geliebt, auch wenn ich meinen Partner nicht regelmäßig sehe?
- Kann ich mit Einschränkungen während der Fernbeziehung leben?
Wer sich über diese Fragen Gedanken macht, stellt sehr schnell fest, wie zufrieden er mit seiner Beziehung ist, wo die Baustellen sind oder was einem in der Partnerschaft fehlt. Auch wenn mehr als die Hälfte der Fragen mit Nein beantwortet werden müssen, heißt das nicht zwangsläufig, dass man die Beziehung aufgeben sollte. Ein längere Gespräch kann für Klarheit sorgen. Vielleicht traut der Partner sich zum Beispiel nicht, offen über Zukunftspläne zu sprechen, da er den anderen nicht erdrücken oder überfordern möchte. Wer auch nach einem Gespräch nicht zufriedener ist und noch einmal in sich geht, kann für sich leichter eine Entscheidung treffen.
Dieser Artikel stammt vom 18. Mai 2020 und wurde aktualisiert.