Neun Fragen zu Sexarbeit und Prostitution Was Sexarbeit wirklich bedeutet
Düsseldorf · Prostitution, Pornodarstellung, Online-Sex: Viele haben bestimmte Vorstellungen von Sexarbeit. So vielfältig der Bereich ist, so unterschiedlich sind auch die jeweiligen Berufe – inhaltlich wie auch rechtlich. Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Was versteht man unter Sexarbeit?
Sexarbeit beschreibt sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung. Laut Gesetz umfasst dies ausschließlich den physischen Kontakt. So differenziert das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen zwischen Sexarbeit und anderen Tätigkeiten, „bei denen keine weitere der anwesenden Personen sexuell aktiv einbezogen ist“, wie beispielsweise bei Camgirls und -boys, die sexuelle Handlungen live über eine Webcam präsentieren. Das Ministerium setzt Sexarbeit mit Prostitution gleich.
Organisationen wie der Berufsverband erotischer und sexueller Dienstleistungen (BesD) fassen Sexarbeit jedoch weiter. Laut Andre Nolte, Prostituierter und Sprecher des BesD, dient Sexarbeit der Befriedigung des Bedürfnisses nach zwischenmenschlichem Kontakt und sexueller Aktivität. Im weiteren Sinne sei Sexarbeit also ein Oberbegriff für sämtliche Formen sexueller und erotischer Arbeit.
Einig ist man sich, dass Sexarbeit im gegenseitigen Einverständnis geschieht und bezahlt wird. Nicht-einvernehmlicher Sex und Zwangsprostitution fallen demnach nicht unter Sexarbeit – hierbei handelt es sich um sexualisierte Gewalt.
Wann spricht man von Prostitution?
Prostitution ist Sexarbeit. Dennoch wird der Begriff „Sexarbeit“ bei Arbeitern dieses Bereichs häufig vorgezogen, da dieser verdeutlicht, dass die jeweilige Tätigkeit auch Arbeit ist. Der Begriff "Prostitution" ist hingegen negativ konnotiert und wird häufig mit Zwangsprostitution verbunden, was nicht miteinander gleichzusetzen ist.
Was ist Zwangsprostitution?
Von der illegalen Praxis der Zwangsprostitution ist die Rede, wenn jemand zur Sexarbeit gezwungen wird – durch Gewalt, List, Täuschung oder andere Maßnahmen. Das heißt: Eine Person nutzt die persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage einer anderen Person aus, um diese zu sexuellen Handlungen zu zwingen und sie dadurch auszubeuten.
So wird das illegale Vorgehen seit 2016 im Strafgesetzbuch (StGB) definiert. „Zwangsprostitution gehört zum Menschenhandel und ist ein Straftatbestand. Dabei werden Menschenrechte stark verletzt“, betont auch Anita Pavlovska von der Fachstelle für Opfer von Frauenhandel, die Teil der Frauenberatungsstelle Düsseldorf ist. Nach Paragraf 232a kann die Art des Menschenhandels mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet wird. Schon allein der Versuch ist strafbar.
Doch auch die sexuelle Ausbeutung von Menschen, die aus einem fremden Land kommen oder unter 21 Jahren alt sind, zählt laut StGB zur Zwangsprostitution. In diesem Zusammenhang ist oftmals von der „Loverboy-Methode“ zu lesen. Hierbei werden laut Bundeskriminalamt vor allem weibliche Minderjährige und junge Frauen unter Vorspiegelung einer Liebesbeziehung in ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis gebracht, um sie in der Folge an die Prostitution heranzuführen und auszubeuten. In diesem Kontext betont Pavlovska, dass es einen Unterschied gibt, „ob jemand freiwillig als Prostituierte arbeitet oder gezwungen wird beziehungsweise dazu gebracht wird, die Prostitution auszuüben“. Oftmals werden hierbei körperliche oder psychische Gewalt angewendet.
Was können Betroffene gegen Zwangsprostitution tun?
Wer von Zwangsprostitution und Menschenhandel betroffen ist, erhält Unterstützung bei Fachberatungsstellen. Die Beratung ist immer kostenlos, anonym und unabhängig von Behörden oder anderen staatlichen Einrichtungen. Die Beratungsarbeit erfolgt auf freiwilliger Basis und je nach Bedarf auch muttersprachlich. In Nordrhein-Westfalen gibt es acht Fachstellen für Opfer von Menschenhandel.
„Menschenhandel findet in unserer Gesellschaft statt. Es ist wichtig, nicht blind durch die Welt zu laufen“, betont Pavlovska. Die Sozialarbeiterin bittet darum, sich bei Verdacht auf Zwangsprostitution an Beratungsstellen oder an die Polizei zu wenden. Auch Freier sollten für das Thema aufgeklärt und als Helfer gesehen werden. Auch deutsche und gemeldete Personen können von Zwangsprostitution betroffen sein, sagt sie.
Betroffene können sich zudem an das bundesweite Hilfetelefon Gewalr gegen Frauen unter der Telefonnummer 0800 0116016 wenden. Ansprechpartner sind ebenfalls Polizeistellen, die Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel sowie der bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel. Auf den Webseiten www.servicestelle-gegen-zwangsarbeit.de und www.kok-gegen-menschenhandel.de finden Betroffene weitere Informationen.
Was macht man als Zuhälter?
Das Familienministerium beschreibt einen Zuhälter als jemanden, der „die Umstände der Prostitutionsausübung durch die Prostituierte oder den Prostituierten“ überwacht oder bestimmt. Das Verhältnis ist in der Regel geprägt von Unfreiwilligkeit und Zwang; Zuhälterei ist ein Straftatbestand.
Demnach ist „von der legalen Prostitutionsvermittlung zu unterscheiden“, erläutert das Ministerium. Hierzu fasst man jene Personen, die „in gewerblicher Form gezielt Personen mit dem Ziel der Erbringung sexueller Dienstleistungen vermitteln“, wie zum Beispiel bei einem Escortservice. Auch die reine Zimmervermietung in Bordellen oder von Wohnwagen falle nicht unter Zuhälterei, so Nolte.
Was machen Sexarbeiter?
Sexarbeit umfasst laut dem BesD Tätigkeiten unter anderem als Prostituierter, Sexualbegleiter, Pornodarsteller und Stripdancer, welcher für seine Kunden leicht bekleidet erotisch tanzt. Auch Dominas, also Personen, die gegen Bezahlung sadistische und dominante Praktiken anbieten, und Telefon- sowie Online-Sexarbeiter, die Kunden telefonisch oder digital sexuell stimulieren, zählt der BesD zu Sexarbeitern. Weitere Sexarbeiter seien Beschäftigte im Escort-Service, die gegen Honorar für eine vereinbarte Zeit ihre Gesellschaft bieten, sowie Erotik-Masseure, die insbesondere die erogenen Zonen von Kunden massieren. Arbeiter in dieser Branche können Menschen aller Geschlechter sein.
Was macht man als Sexualbegleiter?
Sexualbegleiter sind eine „sexuelle Assistenz für Menschen, die eine Vormundschaft haben oder körperlich eingeschränkt sind“, definiert Nolte. Die Sexualbegleitung ist demnach ein Teilbereich der Sexarbeit, der häufig auch von älteren Menschen in Anspruch genommen wird. Sexualbegleiter unterstützen Menschen mit körperlicher oder kognitiver Beeinträchtigung dabei, Sinnlichkeit zu spüren. Dies kann beispielsweise mittels Umarmungen, Küssen, Oral- oder Geschlechtsverkehr erreicht werden. Laut Nolte beginnen hier selbst bei den stärksten Zweiflern an Sexarbeit die ersten Punkte des Nachdenkens, dass der Beruf nicht negativ sei.
Ist die Prostitution in Deutschland legal?
Grundsätzlich ist Prostitution legal, es gibt jedoch Sperrbezirke in Deutschland, in denen die Ausübung verboten ist und die Städte und Kommunen selbst festlegen können. Dies betrifft in Düsseldorf zum Beispiel einen Großteil des Innenstadtbereichs. Die Ausübung dort kann als Ordnungswidrigkeit, in Wiederholungsfällen auch als Straftat geahndet werden. Viele Sexarbeiter fordern die Abschaffung der Sperrbezirke, wie auch der BesD. „Wir kommen nur weiter, wenn wir auch mehr Rechte bekommen“, meint Sprecher Nolte.
Laut der Fachstelle Gender und Diversität NRW gilt die deutsche Rechtsprechung zur Prostitution als eine der liberalsten Prostitutionsgesetzgebungen Europas. Die bis 2002 geltende Sittenwidrigkeit der Prostitution wurde mit dem Prostitutionsgesetz abgeschafft. Prostitution ist demnach anderen Berufen gleichgestellt, Prostituierte können den Verdienst einklagen und sind sozialversichert. 2017 wurde mit dem Prostituiertenschutzgesetz die Anmeldepflicht sowie der Gesundheitsschutz in Form von verpflichtenden Untersuchungen und einer Kondompflicht festgeschrieben. Beim Gesetzgeber ist allerdings ausschließlich die Rede von Prostitution und nicht von Sexarbeit. Dadurch werden bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Pornodarsteller vom Schutzgesetz ausgeschlossen.
Wo ist Prostitution außerdem erlaubt?
Die Rechte zu Prostitution sind von Land zu Land unterschiedlich. In der Europäischen Union ist die Ausübung und Inanspruchnahme in 21 Mitgliedsstaaten erlaubt (teilweise reguliert) und in 6 Mitgliedstaaten verboten. In Schweden ist zum Beispiel seit 1999 der Sexkauf verboten. Das bedeutet, dass Freier bestraft werden, nicht aber die Sexarbeiter. Betrachtet man die USA, so ist hier in den meisten Bundesstaaten Sexarbeit nach wie vor zwar illegal, wird aber teilweise geduldet.