Versteckte Todesgefahr Präeklampsie Der Schwangerschaftsvergiftung auf der Spur

Berlin/Boston · Schwangerschaftsvergiftung ist eine der Haupttodesursachen für werdende Mütter und deren Kinder in Europa und den USA. Bislang wurde über die Ursachen nur gemutmaßt. Jetzt haben Forscher den Auslöser ausfindig gemacht.

Schwangerschaftsbedingte Krankheiten
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Foto: NGZ

 Schwangerschaftsvergiftung ist eine der Haupttodesursachen für werdende Mütter und deren Kinder in Europa und den USA. Bislang wurde über die Ursachen nur gemutmaßt. Jetzt haben Forscher den Auslöser ausfindig gemacht.

 Jede Schwangere kennt das Prozedere der Vorsorgeuntersuchungen: Sie wird gewogen, der Blutdruck gemessen, der Urin untersucht und auf Wassereinlagerungen geachtet. Nicht ohne Grund, denn ab der 20. Schwangerschaftswoche fahnden die Gynäkologen, nach Anzeichen der lebensgefährlichen Präeklampsie - wie die Schwangerschaftsvergiftung auch genannt wird.

 Wenn Eiweiß im Urin ist und der Blutdruck zu hoch, stellt das ein mögliches Indiz dar. Außerdam klagen betroffene Schwangere über Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit und Sehstörungen. Mutter und Ungeborenes sind dann in Gefahr. Bei jeder zwanzigsten Schwangeren ist das so, sagen Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums. Rund 70.000 Frauen sterben jedes Jahr weltweit an der Präeklampsie. Zwischen 15.000 bis 20.000 Babys werden jedes Jahr frühzeitig auf die Welt geholt, damit sie trotz der Vergiftung eine Chance haben weiterzuleben.

 Krankheit ohne Therapiemöglichkeit

 Eine Therapie gibt es bisher nicht, die einzige Möglichkeit ist eine frühzeitige Entbindung. Deshlab ist das Ziel der Ärzte zunächst die Schwangerschaft unter strenger Beobachtung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Je länger das Baby im Mutterleib ist und weiter heranwächst, desto höher sind später seine Überlebenschancen. Werden die Symptome bei der Mutter jedoch zu bedrohlich, bleibt meist nur ein Ausweg: Die Mediziner müssen das tun, was sie im Normalfall verhindern wollen. Sie müssen eine Frühgeburt einleiten. Denn sobald das Kind auf der Welt ist, klingen die Symptome bei der Mutter ab.

 Trotzdem drohen der Frau Spätfolgen wie Herzinfarkt, Bluthochdruck und Schilddrüsenerkrankungen. Für das Kind bedeutet die Frühgeburt ein erhebliches Risiko. Je nach Entwicklungsstadium des Neugeborenen können Tod oder lebenslange schwere Behinderung die Folge sein. Darum arbeiten Wissenschaftler schon seit längerem an der Erforschung der Ursachen der Erkrankung und sind in den letzten Monaten entscheidende Schritte weiter gekommen. Sie haben verschiedene Eiweiße ausfindig gemacht, die mit der Schwangerschaftsvergiftung zu tun haben.

 Den Ursachen auf den Fersen

 Es ist das Gegenspiel zweier Eiweiße, das der amerikanische Forscher Prof. Ananth Karumanchi von der Harvars Medical School für das Auftreten der Komplikation verantwortlich macht. Eines der Eiweiße ist für das Wachstum von Blutgefäßen zur Plazenta verantwortlich. Nur so kann der Fötus mit Nährstoffen versorgt werden. Sein Gegenspieler hemmt das Gefäßwachstum und sorgt dafür, dass das Wachstumsenzym nicht mehr wirken kann. Bei Frauen, die unter Präeklampsie leiden, liegt das hemmende Enzym in zu hoher Konzentration vor.

 Das führt zu einer schlechteren Durchblutung der Placenta und in Folge dessen häufig zu einer Unterversorgung des Fötus. Der Mangel des Wachstumsenzyms sorgt für verengte Blutgefäße. Bei der Betroffenen entwickelt sich ein Bluthochdruck. Da der Blutfluss zu fast allen Organen gestört ist, ist auch die Niere betroffen, was sich durch erhöhte Eiweißausscheidung im Urin bemerkbar macht. Würde ein Verfahren gefunden, den Wachstumshemmer aus dem Blut zu filtern, käme man in der Behandlung der Krankheit vielleicht voran.

 In Berlin kamen Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums dem Rätsel um den tödlichen Bluthochdruck näher. Sie entdeckten, dass bei Frauen mit Präeklampsie ein Enzym in den Zellen der Plazenta und der Gebärmutterschleimhaut ungewöhnlich hoch ist, das unter anderem das Gefäßwachstum und den Blutdruck reguliert. Die Zellen, die dieses Eiweiß schon in der Frühschwangerschaft herstellen, bewirken einen Umbau bestimmter Blutgefäße. Nur so kann der Embryo ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden. Wachsen diese Zellen aber nicht tief genug in die Gebärmutterschleimhaut ein, kommt es zur Mangelversorgung des Kindes. Im Tierversuch blockierten die Wissenschaftler das verantwortliche Enzym und konnten so den Krankheitsverlauf mildern.

 Bekannte Risikofaktoren

 Derzeit sind die Möglichkeiten einer Vorbeugung sehr gering. Gefährdet sind in erster Linie sehr junge Frauen und solche, die ihr erstes Kind oder Mehrlinge erwarten. Werdende Mütter, die bereits vor der Schwangerschaft unter Diabetes mellitus leiden, nierenkrank sind, Bluthochdruck haben oder stark übergewichtig sind, haben ein höheres Risiko. Auffällig ist zudem, dass häufig Frauen oder Männer, die selbst wegen einer Präeklampsie verführt geboren werden, wiederum Eltern solcher Kinder werden. Das legt die Vermutung nahe, es liege eine genetische Ursache vor.

 Schwangere, die in der Woche mehr als 500 Gramm zunehmen oder plötzlich stark Ödeme entwickeln, sollten diese Warnsignale ernst nehmen, warnt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Ein weiterer Hinweis ergibt sich aus dem kindlichen Wachstum. Ist das verzögert, könnte eine Dopplersonografie Klarheit bringen. Mit ihr lässt sich ermitteln, ob die Durchblutung zwischen dem Fötus und der Plazenta gut ist.

 Neben den Leitsymptomen, die der Gynäkologe im Blick hält, können auch Schwindel, Augenflimmern, Kopfschmerzen oder Oberbauchbeschwerden, begleitet von Übelkeit, ein Hinweis auf die nahende Gefahr sein.

(wat)
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