Adipositas Schon die Kleinsten leiden an Übergewicht

Düsseldorf · Der Mann ist rund und hat Diabetes, die Frau bekocht ihn trotzdem prächtig und sieht ebenfalls so aus – müssen wir noch fragen, ob das Kind ihnen gleicht? Kinderärzte wissen seit langem, dass dicke Äpfel nie weit vom Stamm fallen. Es herrscht das Milieu der Nichtbewegung, des planlosen Futterns, kombiniert mit kulinarischen Frustrationsschüben zwischendurch.

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Foto: TK

Der Mann ist rund und hat Diabetes, die Frau bekocht ihn trotzdem prächtig und sieht ebenfalls so aus — müssen wir noch fragen, ob das Kind ihnen gleicht? Kinderärzte wissen seit langem, dass dicke Äpfel nie weit vom Stamm fallen. Es herrscht das Milieu der Nichtbewegung, des planlosen Futterns, kombiniert mit kulinarischen Frustrationsschüben zwischendurch.

Adipositas im Kindesalter ist das auffälligste Zivilisationssymptom der Neuzeit. Man schaue sich Schulklassenbilder von damals und von heute an: Übergewicht von jungen Menschen ist ein Phänomen von heute.

Schwere Knochen? Drüsenleiden? Das sind längst widerlegte Klischees zur Begründung einer Fettsucht. Nach vorn tritt allerdings das Wissen der Genetik (es gibt den Aspekt der Veranlagung) und das Lebensumfeld. Wer von der Nahrungsmittelindustrie mit ihrer gigantischen PR-Kanone zugeballert wird, muss gut geschützt sein, sonst fällt er ihr womöglich zum Opfer.

Beim Essen gibt es auch eine "soziale Sättigung"

Ein Schutzmechanismus ist das gemeinsame Essen in der Familie. Dazu sollte man sich verabreden, und Eltern sollten darauf drängen, dass es beachtet wird. Eine amerikanische Studie an über 8000 Vorschulkindern zeigte, dass eine einmal täglich als Familie eingenommene Mahlzeit die Häufigkeit der Adipositas im Kindesalter um fast 40 Prozent senkt. Wenn beim Essen auch das Gefühl der "sozialen Sättigung" aufkommt, ist die Chance groß, dass sich ein gesundes Essverhalten ausbildet.

Neue Studien zeigen weitere Risikofaktoren. "Mütter, die ihre Kinder natürlich gebären und stillen, wappnen sie gegen eine spätere Adipositas", sagt Michael Friedt, Oberarzt an der Düsseldorfer Universitätskinderklinik; tatsächlich ist der Kaiserschnitt mit einem Risiko für eine Fettsucht verbunden, weil die Darmflora der Kinder bakteriell anders aufgebaut ist.

"Bei einer Vaginalgeburt wird das Immunsystem eines Kindes regelrecht durchtrainiert. Als ersten Kontakt mit der Außenwelt schluckt es im Geburtskanal Stuhl der Mutter, was sein Immunsystem wie eine Impfung stimuliert und die Darmflora verändert", erklärt die Grazer Immunologin Martie Truschnig-Wilders.

Ist das dicke Kind einmal in den Brunnen gefallen, kann ihm der Kinderarzt heraushelfen. In vielen Städten gibt es speziell zugeschnittene Therapiemöglichkeiten für dicke Kinder. Sport und die sogenannte "optimierte Mischkost" sind dabei sicher die beste Wahl; oft helfen aber schon ausreichend Bewegung und die Befolgung des Mottos: runter von der Couch, raus aus der Bude!

Nach einer aktuellen Studie zur Teilnahme von Familien an einem Präventionsprogramm gegen Fettleibigkeit bei Kindern werden Eltern erst dann aktiv, wenn ihr Nachwuchs bereits adipös ist. Kindliches Übergewicht wird von den Eltern meist noch nicht als Problem erkannt oder als "Babyspeck" abgetan — was verkehrt und fatal ist.

(RP/anch)
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