Schwangerschaft ist keine Krankheit Remscheider Hebamme warnt – „Don‘t google with a Kugel!“

Remscheid · Werdende Eltern sollten die Schwangerschaft in erster Linie genießen und sich nicht zu viele Sorgen machen, meint Hebamme Andrea Steinhilber. Sie findet: Zu viele Untersuchungen können unnötig verunsichern.

 Hebamme Andrea Steinhilber zeigt, wie Babypuppe Luisa richtig gewickelt und angezogen wird.

Hebamme Andrea Steinhilber zeigt, wie Babypuppe Luisa richtig gewickelt und angezogen wird.

Foto: Daniele Funke

Unter den Hebammen gibt es diesen einen weisen Rat, den sie allen Neuschwangeren gerne für die kommenden Monate mit auf den weg geben: „Don‘t google with a Kugel!“ Wenn du schwanger bist, halte dich von Google fern.

„Das ist ganz einfach zu erklären, erläutert Hebamme Andrea Steinhilber, „Je mehr unterschiedliche Informationen man bekommt, desto größer ist die Gefahr, sich verrückt zu machen.“

Andrea Steinhilber weiß, wovon sie spricht. Die 50-Jährige hat 1991 ihre Ausbildung begonnen, ist seit 2007 leitende Hebamme am Sana Klinikum Remscheid und arbeitet zudem nebenbei als freiberufliche Hebamme, die Schwangerenberatung und Wochenbettbetreuung anbietet. Wenn sie eins in den letzten Jahren beobachten konnte, dann, dass immer mehr werdende Eltern nach der hundertprozentigen Sicherheit suchen, ein gesundes Kind zu bekommen.

Aus diesem Grund neigen viele dazu, alle möglichen zusätzlichen Igel-Leistungen, die selbst bezahlt werden müssen, in Anspruch zu nehmen. Nur: je mehr Untersuchungen gemacht werden, desto schneller können Ängste und Unsicherheiten entstehen, die letztlich immer auf Kosten einer möglichst schönen und unbeschwerten Schwangerschaft voller reiner Vorfreude gehen.

„Da sagt der Arzt vielleicht, das Kind ist für den sechsten Monat ein wenig klein‘ – und schon ist die Panik groß“, weiß Andrea Steinhilber. „Zu Hause wird dann sofort gegoogelt, und da steht dann was von Mangelversorgung des Ungeborenen oder Hinweis auf eine chromosomale Störung. Und schon sind die werdenden Eltern völlig verzweifelt.“ Dabei sei es erst mal völlig normal, dass Babys nicht immer nur anhand der optimalen Kurve wachsen. Es gebe zum Beispiel auch bei den Ungeborenen Wachstumsschübe.

Während der Schwangerschaft sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen Standard: Bis zur 28. Woche alle vier Wochen, zwischen der 28. und der 36. Woche alle zwei Wochen und danach wöchentlich. Ist der errechnete Entbindungstermin bereits überschritten, erfolgen die Kontrollen alle zwei bis drei Tage.

Diese Vorsorgen können sowohl bei niedergelassenen Frauenärzten als auch bei Vorsorgehebammen gemacht werden. Die Leistungen wie etwa Blutabnahme, Urinuntersuchungen, Blutdruck, vaginale Untersuchung, Tastuntersuchungen zur Beurteilung vom Stand der Gebärmutter und später zur Kindslage – sind die Gleichen. Die Hebamme etwa kann mit den Händen die genaue Position des Babys ertasten - mit den „Leopoldschen Handgriffen“.

Einzig die Ultraschalluntersuchungen werden nur von den Ärzten gemacht: zu Beginn der Schwangerschaft, in der Mitte und zum Ende. „Ich halte die vorgesehenen Untersuchungen für sehr wichtig, sie zeigen grundsätzlich wichtige Parameter. Etwa ob alle Organe und Gliedmaßen angelegt sind, ob es auffällige Fehlbildungen gibt, wo die Plazenta sitzt, wie viel Fruchtwasser vorhanden ist“, informiert die Hebamme.

Alle weiteren Ultraschalluntersuchungen sind, sofern es keine Risikofaktoren oder Auffälligkeiten gibt, erst mal nicht zwingend notwendig. „Ich weiß, dass sie werdenden Eltern Ultraschallaufnahmen lieben, aber wie gesagt, sie bergen auch ein Risiko. Dann zum Beispiel, wenn falsche Diagnosen gestellt oder zumindest als Vermutung geäußert werden.“

Die Hebamme als Fachfrau für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett weiß: Die Angst vor einem Kind mit chromosomalen Veränderungen ist bei den meisten werdenden Eltern stark ausgeprägt. Sicher ausschließen ließ sich dies lange Zeit nur durch eine Fruchtwasseruntersuchung, mit der immer auch ein (sehr geringes) Fehlgeburtsrisiko einhergeht. Mittlerweile gibt auch Bluttest zwischen der 15. und der 18. Schwangerschaftswoche ähnlich sicher Auskunft über eine eventuelle Chromosomenveränderung.

Für Paare, die mit einer solchen Nachricht konfrontiert werden, wünscht sich Andrea Steinhilber, dass ihnen Beratungsgespräche und eventuell der Besuch einer Einrichtung für Behinderte angeboten würden, bevor voreilig eine Entscheidung für einen Abbruch gefällt wird.

„Es geht dabei nur um die Fälle, in denen ein lebensfähiges Kind prognostiziert wird. Etwa mit Down-Syndrom. Wenn man mehr darüber weiß, verliert die Diagnose häufig ein Stück weit ihren Schrecken“, regt die Hebamme an.

Generell aber sollten sich alle werdenden Eltern eins immer wieder bewusst machen: Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit, ein Kind zu bekommen ist etwas Natürliches. Der Körper der Frau muss sich umstellen, wird gefordert und Beschwerden wie Übelkeit oder geschwollene Füße und Hände seien grundsätzlich erst mal nichts Pathologisches.

„Solange alles im Rahmen bleibt, muss sich niemand verrückt machen. Alles was darüber hinaus geht, sollte einem Arzt vorgestellt werden. Aber Panikmache ist einfach nicht gesund - die Freude auf das Baby sollte auf jeden Fall überwiegen.“

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