Kaum privater Nutzen Nabelschnurblut — Kaum Nutzen für Eigenbedarf

Hannover/Saarbrücken (RPO). Die Hoffnung auf ein zweites Leben bei schwerer Krankheit erwarten Eltern, die unmittelbar nach der Geburt ihres Kindes das sonst schnell wertlose Blut aus der Nabelschnur abzapfen lassen und die Nabelschnurstammzellen einfrieren lassen. Experten halten die private Einlagerung allerdings für medizinisch wenig sinnvoll.

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Foto: DAK/Scholz

Den Stammzellen wird eine rosige Zukunft vorausgesagt und die Forschung entwickelt sich rasant. Auch in der circa 50 Zentimeter langen Nabelschnur sind Stammzellen, die verwertet werden können. Werdenden Eltern wird angeboten, die potenziellen Vorteile des Nabelschnurbluts auszunutzen, in dem sie es einfrieren lassen.

Die Einlagerung von Nabelschnurstammzellen wird von kommerziellen Anbietern als "Lebensversicherung" und "medizinischer Hoffnungsträger" angeboten. Doch stimmt das überhaupt? "Die Thematik ist komplex und sehr kompliziert", sagt Barbara Tödte, Ärztin bei der Unabhängigen Patientenberatung in Saarbrücken. "Werdende Eltern haben kaum eine Chance, aus den kontroversen Meinungen schlau zu werden."

Teure Konservierung - minimaler Nutzen

1.800 Euro kostet eine Einlagerung des kindlichen Nabelschnurbluts bei einem kommerziellen Anbieter im Durchschnitt. Dafür wird das Blut zehn bis zwanzig Jahre lang eingefroren und konserviert. Zugriff hat bei Bedarf nur das betroffene Kind selbst: "Die gesetzlichen Bestimmungen für kommerzielle Nabelschnurblutbanken erlauben nur die Eigenspende, das Blut kann nicht weitergegeben werden", sagt Tödte.

Diese "Exklusivität" jedoch schränkt den tatsächlichen Nutzen auf ein absolutes Minimum ein, darauf weist Prof. Peter Hillemanns, Direktor der MHH-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Medizinischen Hochschule Hannover hin. "Es gibt Fälle, in denen das eigene Nabelschnurblut tatsächlich positive Wirkung gezeigt hat, aber diese bilden die absolute Ausnahme."

Derzeit gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Konservierung des eigenen Blutes im Laufe des Lebens tatsächlich medizinisch sinnvoll ist, betont der Experte. Bei leukämiekranken Kindern werde zum Beispiel lieber auf fremde Stammzellen zurückgegriffen: "Man vermutet, dass in den eigenen Stammzellen die Anlage für den Krebs bereits vorhanden ist", erklärt der Experte. "Eine Eigenstammzelltherapie wäre damit für die Heilung natürlich kontraproduktiv."

Spenden statt Nabelschnur entsorgen

Früher wurde die Nabelschnur nach einer Geburt in der Regel im medizinischen Abfall entsorgt. "Das ist natürlich eine absolute Verschwendung", sagt Hillemanns. "Stammzellen aus der Nabelschnur sind anders als bei einer Knochenmarkentnahme völlig risikolos und ohne großen Einsatz zu gewinnen, daher sollte man sie auch nutzen."

Tatsächlich werden seit über 15 Jahren sogenannte "hämatopoetische" Stammzellen aus Nabelschnurblutspenden erfolgreich bei mehr als 70 verschiedenen Erkrankungsbildern eingesetzt, zum Beispiel bei Krebs, Stoffwechselerkrankungen oder genetischen Defekten: "Der Nutzen resultiert aber aus Fremdspenden, nicht aus eigenem eingelagerten Blut", betont Tödte. Insgesamt wurden seit der ersten Nabelschnurbluttransplantation mittlerweile über 10.000 weitere Transplantationen vorgenommen.

Kaum Nutzen für Eigenbedarf

"Im Verhältnis zur Bevölkerung und dem tatsächlichen Bedarf an Stammzellen ist das vergleichsweise sehr wenig", sagt die Patientenberaterin. Gegen Null geht der Nutzen für den Eigenbedarf: Von über 500 transplantierten Nabelschnurblutspenden im Jahr 2006 waren nicht bei einer einzigen Spender und Empfänger identisch. "Die heutigen empirischen Daten zeigen, dass es sinnvoller ist, das Nabelschnurblut der Allgemeinheit zu spenden, anstatt es für den Eigenbedarf einzulagern", betont Hillemanns.

Auch Barbara Tödte sagt: Das Potenzial von Stammzellen könne für die regenerative Medizin nur ausgenutzt werden, wenn sie frisch verwendet werden. "Alle Untersuchungen dazu belegen, dass aus gefrorenem und wieder aufgetautem Material keine klinisch relevanten Stammzellmengen für den Eigenbedarf gewonnen werden können."

Prof. Hillemanns empfiehlt Eltern daher, über eine Nabelschnurblutspende nachzudenken. Sie stellen dabei das Blut öffentlich nutzbaren Blutbanken zur Verfügung. Dies sei kostenlos, eine solche Spende könne aber noch nicht in jeder Klinik realisiert werden. Mit einer Spende verfällt allerdings auch der exklusive Anspruch auf das eigene Blut. "Sollte der seltene Fall eintreten, dass das Kind sein eigenes Blut benötigt, kann es bereits verbraucht sein", sagt Hillemanns.

(DAPD/wat)
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