Ständig kranke Kinder Immundefekt kann Ursache sein

Berlin (RPO). Angeborene Immundefekte zeigen sich bei Kindern häufig nur indirekt. Entzündungen, die immer wieder kommen, oder schlechtes Wachstum sind mögliche Hinweise. Werden diese früh genug wahrgenommen, lassen sich schwere Gesundheitsprobleme vermeiden.

 Häufig kranke Kinder könnten einen angeborenen Immundefekt haben.

Häufig kranke Kinder könnten einen angeborenen Immundefekt haben.

Foto: tmn

Wenn ein Kind mehr als zwei Nasennebenhöhlenentzündungen im Jahr hat, unter wiederkehrenden tiefen Hauteiterungen leidet oder einfach schlecht wächst, dann können dies Anzeichen für einen angeborenen Immundefekt sein.

 Immundefekte müssen frühzeitig erkannt werden.

Immundefekte müssen frühzeitig erkannt werden.

Foto: Techniker Krankenkasse

Doch daran denken sowohl Eltern als auch Kinderärzte - wenn überhaupt - meist erst spät. Denn diese Erkrankungen sind sehr selten und zeigen sich nur indirekt. Dabei kann eine frühzeitige Diagnose und Therapie schwere Gesundheitsschäden verhindern.

Funktion des Immunsystems

Die Aufgabe des angeborenen und erworbenen Immunsystems ist es, Infektionen im Körper zu kontrollieren. "Wenn in diesem komplexen System Abläufe nicht funktionieren oder Komponenten beschädigt sind, kann es passieren, dass Infektionen schwerer verlaufen oder häufiger vorkommen als üblich. Oder es können bleibende Folgeschäden an Organen auftreten", erläutert Prof. Volker Wahn, Leiter des Immundefektcentrums der Charité in Berlin.

So kann beispielsweise eine Gehirnentzündung (Herpesenzephalitis) bleibende Schäden verursachen. Lungenentzündungen können sackförmige oder zylindrische Ausweitungen der Luftröhrenäste (Bronchiektasen) auslösen.

Aktuell sind mehr als 200 genetisch abgrenzbare Krankheitsbilder bekannt. Zur Zahl der Betroffenen gibt es jedoch nur Schätzungen. "Wir behandeln an der Charité rund 450 Patienten. Daraus lässt sich hochrechnen, dass es in Deutschland etwa 3000 diagnostizierte Fälle gibt", erklärt Wahn.

Darüber hinaus gibt es eine unbekannte Dunkelziffer. Telefoninterviews mit knapp 30 000 Zufallsbefragten in den USA haben dort eine Häufigkeit von 1 zu 2000 ergeben. "Diese Methodik ist streitbar, doch bessere Zahlen haben wir nicht. Meine persönliche Einschätzung ist, dass in unserer Bevölkerung jeder 5000. betroffen ist."

Rechtzeitig Warnsignale erkennen

Geringe Fallzahlen einerseits und sehr vielfältige Krankheitsbilder andererseits erschweren die Diagnose erheblich. "Umso wichtiger ist es, mögliche Warnzeichen im Blick zu haben, gerade im Säuglings- und Kindesalter", rät Gabriele Gründl, Mitbegründerin und Vorsitzende der Deutschen Selbsthilfe Angeborene Immundefekte (DSAI) in Schnaitsee (Bayern).

Die Verbreitung einer Liste mit zwölf solcher Hinweise auf einen möglichen angeborenen Immundefekt bei Kindern ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit des Vereins.

"Diese Liste ist zwar nicht evidenzbasiert, aber sie ist aufgrund jahrzehntelanger beruflicher Erfahrung entstanden und kann bei der überwiegenden Zahl unserer Patienten angewandt werden", sagt Gründl. Damit sei sie zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Viele der Warnsignale wie die Nasennebenhöhlenentzündung betrachten Eltern und Arzt allerdings zunächst als normale Infektionen. Erst die Häufung gibt Anlass zum Verdacht. Und bis dahin vergeht wertvolle Zeit. Hinzu kommt: Die Symptome zeigen sich zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten.

"Einzelne Krankheitsbilder werden bei oder direkt nach der Geburt sichtbar. Das gilt beispielsweise für Schwere Kombinierte Immundefekte", erläutert Ulrich Baumann, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin an der Medizinischen Hochschule in Hannover. "Andere treten in ganz unterschiedlichen Lebensphasen in Erscheinung. Und wieder andere kommen plötzlich scheinbar aus dem Nichts heraus wie die Septische Granolumatose."

Individuelle Therapie

Besteht ein entsprechender Verdacht, so kann der erste Schritt zur Diagnose in der Praxis vorgenommen werden. "Beim Kinderarzt oder Hausarzt können zunächst ein Differentialblutbild erstellt sowie die Immunglobuline und ein oder zwei Impfantikörper gemessen werden", sagt Wahn.

Wenn diese Untersuchungen Anhaltspunkte für einen angeborenen Immundefekt liefern oder der behandelnde Arzt unsicher ist, erfolgt die weitere Diagnose und - falls notwendig - Therapie oder Beobachtung in einem ambulanten Zentrum.

Die Therapie richtet sich nach dem Immundefekt. "Bei den unterschiedlichen Formen von Antikörpermangel werden aus dem Blutplasma von Spendern Immunglobuline, also Antikörper, gewonnen und dann regelmäßig dem Patienten in die Vene oder das Unterhautfettgewebe injiziert", erklärt Gründl. Beim Schweren Kombinierten Immundefekt kommt eine Knochenmark- oder Stammzellentransplantation infrage.

(tmn)
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