Kinderpsychologin gibt Tipps Was tue ich, wenn mein Kind schreckliche Bilder im Netz sieht?

Düsseldorf · Der mutmaßliche Kindermörder Marcel H. ist noch immer auf der Flucht. Das ist beunruhigend für Eltern aber auch für viele Kinder. Auch weil Fotos und Chat-Verläufe im Internet zu finden sind. Maike Hesse, Heilpädagogin in der Kinderschutz-Ambulanz am EVK Düsseldorf, gibt Eltern Ratschläge.

Tötung in Herne: Polizei sucht nach Marcel H.
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Tötung in Herne: Polizei sucht tagelang nach Marcel H.

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Foto: Christoph Reichwein

Das Arbeiten und Spielen am Computer gehört für viele Kinder und Jugendliche längst zum Alltag. Zum Lernen und für Spiele ist das hilfreich und spaßig, manchmal kann es jedoch sein, dass Kinder Dinge im Netz finden, die sie nicht finden sollten. Etwa die Bilder, die den mutmaßlichen Kindermörder von Herne mit seinem neunjährigen Opfer zeigen. Verhindern können Eltern kaum, dass ihre Kinder Dinge im Netz entdecken, die selbst auf Erwachsene verstörend wirken.

Aber was tun, wenn genau diese Situation eintritt? "Ganz wichtig ist es, die Kinder danach zu fragen, was eigentlich genau passiert ist", sagt Maike Hesse, Heilpädagogin an der Kinderschutz-Ambulanz am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf. Fragen wie: "Was hast du konkret gesehen?" und "Was löst das in dir aus?", helfen Eltern zu verstehen, wo das Kind wirklich steht.

"Sonst glauben die Eltern vielleicht, das Kind ist total verängstigt, in Wirklichkeit hat es aber eine bestimmte Szene im Kopf, die nicht mehr weggehen will", sagt Hesse. Ist geklärt, was das Kind gesehen hat und was es empfindet, ist es wichtig nichts zu bagatellisieren. Worte wie: "Das ist auch schrecklich, nicht nur für dich, sondern auch für uns. Aber die Polizei tut jetzt alles, was sie kann, um den Täter zu finden", geben dem Kind das Gefühl ernst genommen zu werden und vermitteln zugleich Schutz.

Versuchen Eltern die Sorgen des Kindes herunterzuspielen, kann es sein, dass es nicht weiter über seine negativen Gefühle redet - sie aber nicht verschwinden. "Ein typisches Beispiel ist der Satz: Du musst keine Angst haben. Das bringt nichts, denn allein dadurch geht die Angst natürlich nicht weg", sagt Hesse.

Eine moralische Hilfe geben

Zudem ist Einordnung wichtig. "Bei Älteren sollte man zum Beispiel deutlich machen, dass es nicht cool ist, wenn solche Bilder auf dem Schulhof auftauchen", sagt Hesse. "Es ist wichtig ihnen zu sagen, dass es mutig und toll ist, wenn man in so einer Situation wegsieht und nicht, wenn man hinsieht."

Ähnliches gilt für die Abendnachrichten. Weil Bilder und Sätze Kinder oftmals monatelang irritieren ohne, sollten Eltern laut der Heilpädagogin Nachrichten lieber frühzeitig einordnen.

Mini-Maßnahmen aus der therapeutischen Praxis

Stellt sich tatsächlich heraus, dass das Kind Bilder oder andere Dinge gesehen oder gehört hat, die es verstören, gibt es kleine Interventionen, die Eltern anwenden können, um ihm zu helfen, erklärt Hesse:

  1. Einen sicheren Ort aufsuchen: "Wenn das Kind Angst vor dem Einschlafen Angst hat, kann man mit ihm eine Imaginationsübung machen", sagt Hesse. Dafür soll es sich einen sicheren Ort auf der Erde oder auf einem anderen Planeten vorstellen und ihn möglichst detailliert beschreiben. "Wichtig ist, dass es wirklich kreativ und mit allen Sinnen beschreibt, wie der Ort aussieht, damit es sich dort wirklich sicher fühlen kann."
  2. Kuscheltier als Bodyguard: "Zudem kann man Kuscheltiere mit besonderen Fähigkeiten ausstatten", sagt Hesse, "und sie dann um das Kind herum aufbauen." Die passen dann auf das Kleine auf.
  3. Schlechte Gefühle wegschließen: "Sollten Bilder oder Szenen nicht mehr aus dem Kopf gehen, kann man sie in einen Tresor schließen", sagt Hesse. Dafür soll sich das Kind den sichersten Tresor der Welt vorstellen und genau erklären, wie viele Schlösser und andere Vorkehrungen er hat. Dann wird das Bild aus dem Kopf zum Beispiel auf eine DVD gebrannt und in diesen Tresor gelegt. "Wenn das mal geübt ist, kann man das auch zwischendurch machen, wenn das Kind Angst kriegen sollte", sagt Hesse.
(ham)
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