Urteil in Schweinfurt Zweieinhalb Jahre Haft für 400 zerkratzte Autos

Schweinfurt · Ein einzelner Mann hat mehr als 400 Autos zerkratzt. Die Taten fanden in Schweinfurt, Würzburg und einem Nachbarort statt. Am Freitag verurteilte ihn das Landgericht Schweinfurt dafür zu zweieinhalb Jahren Gefängnis.

  Ein Mann steht mit einem Schraubenzieher neben einem Auto (Symbolbild).

Ein Mann steht mit einem Schraubenzieher neben einem Auto (Symbolbild).

Foto: dpa/Angelika Warmuth

In einer Münchner Tiefgarage brennen mitten in der Nacht Autos. Rund um den Hamburger Flughafen beschädigen Unbekannte weit mehr als 200 Fahrzeuge. Egal ob platte Reifen, zerstörte Scheiben oder Lackkratzer: Bundesweit wird „des Deutschen liebstes Kind“ immer wieder zum Ziel von Attacken.

Die Suche nach den Tätern gestaltet sich oft schwierig, denn viele wählen nach Erfahrung der Ermittler die Wagen von Fremden aus. Geltungsbedürfnis, reine Zerstörungswut, Langeweile oder schlicht Frust: Die Tatmotive sind verschieden, zuweilen recht banal, wie der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Thomas Bliesener, erläutert. „Ich möchte Bedeutung haben, ich möchte wahrgenommen werden von der Gesellschaft“, beschreibt der Psychologe, was in den Köpfen solcher Täter vorgehen kann. Sie genössen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für ihre Delikte dann im Stillen.

Für die Taten gibt es selten Zeugen. Manchmal sind die Hintergründe auch politischer Natur, etwa wenn in Berlin mutmaßlich Linksextremisten gezielt Luxuswagen anzünden. Laut aktueller Polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2018 genau 213 748 Fälle von Sachbeschädigung an Kfz - also an Autos, Lastwagen oder Motorrädern - bundesweit erfasst. „Mehr als ein Drittel (38,1 Prozent) der registrierten "Sachbeschädigung" betreffen Kraftfahrzeuge“, heißt es in dem Bericht. Die Aufklärungsquote sei mit 18,9 Prozent besonders niedrig. Mehr als 30 000 Verdächtige konnten ermittelt werden - die meisten (85,4 Prozent) waren Männer.

„In der Stadt passiert das deutlich häufiger als im ländlichen Bereich“, sagt Polizeisprecher Michael Zimmer vom Polizeipräsidium Unterfranken über Attacken auf Fahrzeuge. „Etwa jeder fünfte Fall bei uns wird aufgeklärt“ - also im Bereich von Aschaffenburg über Schweinfurt bis Würzburg. „Die Dunkelziffer ist aber immer noch relativ hoch.“

Ziehen Betrunkene nachts umher und treten Autospiegel ab, seien sie beispielsweise dank Kameras schnell ermittelt. Kniffliger werde es, wenn der Täter an vielen Orten zuschlage oder kein persönliches Motiv dahinterstehe, erläutert Polizeihauptkommissar Zimmer.

Monatelang suchte die Polizei etwa nach dem am Freitag verurteilten Autokratzer. Allein in einer Nacht demoliert der 26-jährige Student nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft mehr als 300 Fahrzeuge.

Schließlich hilft eine Anwohnerin der Sonderkommission „Lackkratzer“. Als sie im April 2018 in der Nacht Kratzgeräusche hört und aus einem Fenster blickt, sieht sie einen Mann Motorhauben und Türen zerkratzen. Beamte können ihn unweit davon quasi auf frischer Tat festnehmen - er hat eine Schraube dabei.

Das Landgericht Schweinfurt sieht es nach 24 Verhandlungstagen und der Vernehmung von über 400 Zeugen als erwiesen an, dass er insgesamt 406 Autos mit einem spitzen Gegenstand zerkratzte und dabei einen Schaden von rund 440 000 Euro anrichtete.

Zu seinem Motiv wird zunächst nichts bekannt. Im Prozess verweigert der Mann die Aussage. Auch eine verminderte Schuldfähigkeit sieht der Richter nicht. Ein psychiatrischer Gutachter stellt keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Täters fest.

Die Staatsanwaltschaft hatte ihm zunächst sogar vorgeworfen, 642 Autos zerkratzt und damit einen Schaden von knapp einer Million Euro verursacht zu haben. Gegen Ende des Prozesses ging sie von fünf Serien zwischen Februar und April 2018 und knapp 663 000 Euro Schaden aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Az. 5 Js 4541/18)

Schäden etwa durch Steinwürfe oder Zerkratzen sind oft nur mit einer Vollkaskoversicherung abdeckt, wie Verbraucherexperte Mathias Zunk vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin erzählt. „Hinterlässt beispielsweise ein Böller sichtbare Spuren am Auto, zahlt die Teilkaskoversicherung; ebenso wenn jemand die Scheiben eingeschlagen oder das Auto angezündet hat.“

Wird der Täter ermittelt, „muss er persönlich für die Schäden aufkommen. Hoffnung auf Schadenersatz besteht allerdings nur, wenn der Täter auch solvent ist“, erläutert die Fachanwältin für Verkehrsrecht, Daniela Mielchen, aus Hamburg. Bei einer Schadenhöhe wie bei dem Angeklagten in Schweinfurt sei es wenig realistisch, dass die Opfer ihren Schaden ersetzt bekommen.

(felt/dpa)
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