Todesängste, obwohl nichts ist Panikstörung: Wenn die Angst aus den Genen kommt

Würzburg · Der Schweiß rinnt am Körper hinab, das Herz hämmert wie verrückt. Panikstörungen verursachen Todesängste. Sie kommen aus dem Nichts. Fast vier Prozent der Deutschen erkranken im Laufe ihres Lebens daran. Verantwortlich für diese Erkrankung sind manchmal die Gene.

Acht Fakten zu Panikstörung
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Foto: dpa, Martin Gerten

Es gibt keinen Grund: Dennoch verfallen manche Menschen einfach so in Panik. Mit einem Mal fühlen sie sich schwindelig, die Knie zittern, Benommenheit macht sich breit, das Herz rast. Das sind wie auch Engegefühl in der Brust oder Schweißausbrüche Symptome für eine Panikstörung. Forscher der Universität Würzburg haben herausgefunden, dass es die Gene sind, die darüber entscheiden, ob jemand eine Panikstörung entwickelt oder nicht. Sogar der Erfolg einer Psychotherapie hängt von den ererbten Vorgaben ab.

Todesangst aus dem Nichts

Es sind häufiger Frauen als Männer, in denen plötzlichen die Angst aufkeimt. Aus dem Nichts kommt sie, die Todesangst. Auslöser sind für die Betroffenen nicht zu greifen. Sigmund Freud — selbst Psychoanalytiker, Barbara Streisand, Sally Field, Woody Allen oder Charles Darwin sind promiente Beispiele dafür, dass es jeden treffen kann. Wer häufiger von solchen Attacken überwältigt wird, kann eine chronische Panikstörung entwickeln.

Verbunden ist die psychische Krankheit zudem oft mit einer Angst vor großen, weiten Plätzen, der so genannten Agoraphobie. Viele Erkrankte verlassen irgendwann nicht mehr ihr Haus — aus Furcht, beim Autofahren oder in anderen Situationen eine Attacke zu erleben. Zu der Panikstörung hinzu kommt die Angst vor der Angst. Eine riesige Unsicherheit macht sich breit. Wann wird der nächste Anfall kommen? Wo wird es passieren? Wird es überhaupt passieren? Wird man ihn beherrschen, oder vollkommen außer Kontrolle geraten? Häufig suchen Betroffene darum die permanente Nähe zu anderen. Sie wollen nicht mehr alleine sein.

Fehlfunktion im Gehirn

Ausgelöst werden diese Sinneseindrücke durch eine Fehlleistung des Gehirns. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts untersuchten Menschen, die an dieser Störung leiden, und stellten fest, dass bei ihnen der Mandelkern besonders stark aktiviert ist. Diese Hirnregion spielt beim Auslösen von Furchtreaktionen eine besondere Rolle. Panikattacken entstehen offensichtlich dadurch, dass diese höhere Steuerregion ihre kontrollierende Funktion bei der Gefahreneinschätzung nicht ausreichend wahrnehmen kann.

Nach und nach nähern sich Wissenschaftler dem Phänomen der unkontrollierten Angst von allen Seiten. "Die Panikstörung mit Platzangst ist eine Erkrankung mit einer starken genetischen Komponente", erklärt Professor Andreas Reif von der Würzburger Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Zu den bislang bekannten Risikofaktoren gehört ein Gen, das die Bauanleitung für ein bestimmtes Enzym enthält. Von diesem Gen gibt es eine Variante, die für eine erhöhte Enzym-Aktivität sorgt — und genau das begünstigt die Krankheit.

In einer deutschlandweiten Studie haben Wissenschaftler das Risiko-Gen jetzt genauer unter die Lupe genommen. Um das Ausmaß der Angst standardisiert zu messen, wurden rund 370 Panik-Patienten vor und nach der Therapie unter anderem mit einer so genannten "Panik-Box" konfrontiert — einer dunklen, engen Kammer, die bei den Patienten Angstsymptome auslösen kann.

In dieser Situation empfanden Teilnehmer mit der Risiko-Variante des Gens mehr Angst als Panik-Patienten ohne die Risiko-Variante. Sie hatten auch deutlich höhere Herzschlagraten. Bei den Tests kam es zu insgesamt 34 Panikattacken; 33 davon betrafen die Patienten mit der Risiko-Variante.

Genträger benachteiligt bei Verhaltenstherapie

Behandeln lässt sich die Panikstörung grundsätzlich mit einer Verhaltenstherapie, bei der die Betroffenen lernen, besser mit ihrer Angst umzugehen. In der Praxis zeigt sich das bei Patienten, die aufgrund des Risiko-Gens in Panik verfallen beinahe aussichtslos. Denn bei ihnen sorgt das Gen nicht nur für heftigere Angst-Symptome. Es vermindert auch den Erfolg der bislang angebotenen Verhaltenstherapie: Die Patienten mit der Risiko-Variante gewöhnten sich im Lauf der standardisierten Therapie weniger an die Angst-Situation, während die anderen Patienten besser damit umzugehen lernten.

Diese Erkenntnis wollen die Forscher jetzt nutzen, um an individuell zugeschnittenen Psychotherapien zu arbeiten. So könnte es möglicherweise hilfreich sein, den Trägern der Risiko-Genvariante längere Therapien anzubieten.

(wat)
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