Karriere vorantreiben Gute Gewohnheiten: 5 Strategien, um besser zu arbeiten

Berlin- · Sie schieben Ihre Arbeit immer wieder auf und lassen sich vom Handy ablenken? Das muss nicht sein. Verhaltensforscher erklären, wie Sie Routinen entwickeln, von denen Sie im Job wirklich profitieren.

Mit bestimmten Gewohnheiten wird der Arbeitsalltag produktiver.

Mit bestimmten Gewohnheiten wird der Arbeitsalltag produktiver.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Im Beruf ist es oft so: Wir sind motiviert und streben danach, voranzukommen. Wir blühen geradezu auf, wenn wir uns Ziele setzen, neue Aufgaben in den Blick nehmen und eine To-do-Liste schreiben. Doch das ist nicht einmal die halbe Miete.

Leider schaffen wir es allzu oft nicht, produktiver zu arbeiten und wirklich wichtige Aufgaben zu priorisieren. Wir schieben ausgerechnet die Dinge auf, die uns am meisten voranbringen würden. Es bleibt das schale Gefühl: Ich könnte so viel mehr aus mir herausholen. Nur wie?

Hier kommt die Macht der Gewohnheit ins Spiel.

Die Wissenschaft weiß: Fast alles, was wir regelmäßig immer wieder tun, basiert nicht auf klugen, rationalen Entscheidungen - sondern auf hartnäckigen Automatismen. Wollen wir etwas verändern, müssen wir unsere Gewohnheitsschleifen verändern.

Mit diesen Tipps kann es gelingen, endlich effektiver zu arbeiten:

1. Vertrauen Sie Ihren Gewohnheiten - nicht Ihrer Selbstdisziplin

E-Mails, Whatsapp, Instagram, ein Plausch mit den Kolleginnen und Kollegen: Ablenkung wartet zu Hause und im Büro überall. Und führt oft dazu, dass wir prokrastinieren. Mit Willenskraft kommen wir nur schwer dagegen an.

Wendy Wood ist Professorin für Psychologie an der USC University of Southern California und Expertin für Gewohnheiten. In ihrem Buch „Good Habits, Bad Habits“ erklärt sie, warum wir Selbstkontrolle massiv überschätzen.

Wood verweist hier auf einen bekannten Test der Stanford University zur Selbstkontrolle von Vierjährigen. Kinder wurden allein in einem Raum vor ein Marshmallow gesetzt, um zu schauen, ob sie der Süßigkeit 15 Minuten widerstehen können. Nur rund ein Viertel schaffte das.

Die Forscher beobachteten die Kinder im späteren Verlauf ihres Lebens. Je länger die Kinder der Leckerei widerstanden hatten, umso erfolgreicher waren sie als Erwachsene.

Die Schlussfolgerung lautete: Wer seine Impulse kontrolliert und Verlockungen standhält, hat mehr Erfolg.

Doch Wood zufolge ist das eine Fehlinterpretation.

Denn manche Kinder hatten das Marshmallow direkt vor Augen, andere nicht. War die Süßigkeit verdeckt, warteten die Kinder im Schnitt zehn Minuten länger mit dem Zugreifen.

Die Studie aus Stanford zeige vor allem, wie wichtig die Gegebenheiten seien, erklärt Wood. Also die Umstände.

Tatsächlich fanden Forscher später heraus, dass die erfolgreichen Probanden anderer solcher Selbstkontrolle-Tests gar nicht davon berichteten, sich einen Wunsch versagt zu haben.

„Sie hatten schlicht kaum einen Wunsch, der mit ihren Zielen in Konflikt stand. Es sah eher so aus, als wären sie in der Lage, Versuchungen von vorneherein zu verhindern“, schreibt Wood.

Fazit: Selbst bei Erwachsenen beruht Selbstkontrolle im Wesentlichen darauf, im übertragenen Sinne „das Marshmallow abzudecken“.

Erfolgreiche Menschen kämpfen also nicht ständig mit sich selbst. Sie begeben sich vielmehr in Situationen, in denen es ihnen leichtfällt, das Richtige zu tun.

Wendy Wood schlussfolgert: Sie haben vor allem gute Gewohnheiten.

2. Setzen Sie auf die Macht Ihrer Arbeitsumgebung

Schauen wir uns die Gewohnheitsschleife an: Ein Auslösereiz setzt eine Routine in Gang, die wir regelmäßig wiederholen, weil wir uns davon eine Belohnung versprechen.

Am Anfang steht also immer ein Trigger in unserer Arbeitsumgebung. Hier lässt sich ansetzen.

Der Autor James Clear beschreibt in seinem Bestseller „Atomic Habits“, dass kleine Gewohnheiten große Auswirkungen auf unser Leben haben. Er rät zu zwei Dingen, wenn es um die Optimierung unseres Umfelds geht:

  • Machen Sie die Auslöser guter Gewohnheiten unübersehbar.
  • Beseitigen Sie alle Auslöser schlechter Routinen.

Konkret kann das so aussehen:

  • Sie verzetteln sich oft in Kleinigkeiten? Schreiben Sie die wichtigste Aufgabe des Tages am Abend zuvor auf einen großen Zettel.
  • Sie wollen diese wichtige Aufgabe wirklich sofort angehen? Dann legen Sie sich alles, was sie dafür brauchen, schon am Abend zurecht.
  • Sie wollen konzentriert bei der Sache bleiben? Entfernen Sie alle Gegenstände aus Ihrem Umfeld, die Sie an andere Aufgaben erinnern - zum Beispiel andere Unterlagen oder die dreckige Wäsche.
  • Sie wollen nicht, dass Ihre Arbeit in den Feierabend übergeht? Dann arbeiten Sie an einem Ort, der nichts mit Freizeit zu tun hat. Arbeiten Sie nicht in der Küche, sondern an Ihrem Arbeitsplatz.
  • Sie verlieren gleich zu Beginn des Tages den Fokus, weil Sie sich in Ihrem Handy verlieren? Laden Sie das Gerät nicht im Schlafzimmer, damit sie es in der ersten Stunde des Tages nicht in die Hand nehmen.

Um eine neue Gewohnheit zu etablieren, braucht es Aufmerksamkeit. James Clear empfiehlt folgende Taktiken, um neue Gewohnheiten zu etablieren:

Ein Arbeitsplatz in der Küche verleitet zu Überstunden.

Ein Arbeitsplatz in der Küche verleitet zu Überstunden.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn
  • Machen Sie einen konkreten Plan für neue Gewohnheiten. Dieser sollte Ort und Uhrzeit umfassen.

Beispiel: Jeden Morgen fange ich um 9 Uhr an meinem Schreibtisch mit der wichtigsten Aufgabe des Tages an. Das erhöht die Erfolgschancen, dass Sie es auch wirklich durchziehen.

  • Verknüpfen Sie eine neue Gewohnheit mit einer schon etablierten. Sie trinken immer einen Bürokaffee? Nutzen Sie diese Angewohnheit, um direkt danach mit der wichtigsten Aufgabe des Tages zu beginnen.
  • Schaffen Sie sich ein kurzes Motivationsritual. Tun Sie kurz etwas Schönes und Genussvolles, bevor Sie mit einer neuen, vielleicht am Anfang noch schwierigen Aufgabe beginnen.

3. Beseitigen Sie Reibung - oder erzeugen Sie diese ganz bewusst

Ihre guten Vorsätze wollen noch nicht richtig zünden? Sie schieben die Arbeit immer noch vor sich her und lassen sich ablenken? Das könnte daran liegen, dass uns die Auslöser unserer Handlungen oft verborgen sind.

„Wir wissen oft nicht, was ein bestimmtes Verhalten auslöst“, sagt Wendy Wood im Interview. Die Tageszeit? Was Sie gerade zuvor getan haben? Der Ort? Die Leute um Sie herum? Das sei oft „trial and error“, Versuch und Irrtum.

Sie müssen den Auslöser aber gar nicht komplett eliminieren. Sie können eine weitere, sehr effektive Strategie der Verhaltensänderung nutzen:

  • Reduzieren Sie Reibungsverluste: Machen Sie es Ihren guten Angewohnheiten so einfach wie möglich.
  • Erhöhen Sie die Reibung: Machen Sie es Ihren schlechten Angewohnheiten so schwer wie möglich.

Reibung mache ein Verhalten zwar nicht unmöglich, aber schwieriger, erklärt Wood. Sie definiert sich quasi durch die Anzahl der zusätzlichen Schritte, die zwischen unserer Intention und dem eigentlichen Verhalten liegen. Besonders effektiv ist hier zum Beispiel schlicht die räumliche Distanz.

Wer in Ruhe arbeiten möchte, sollte sich einen einsamen Ort im Büro suchen. Wer dagegen netzwerken will, sollte sich unter Menschen begeben - und vielleicht an manchen Tagen in einem Co-Working-Space arbeiten.

Wie Sie der Ablenkung durch Ihr Handy widerstehen:

Dass die Ablenkung durchs Handy und Social Media ein großes Problem für effektives Arbeiten ist, bestätigt der Neurowissenschaftler Henning Beck. „Die Qualität der derzeitigen Manipulation ist außergewöhnlich.“ Schließlich sind die meisten Apps so entworfen, dass wir ihnen möglichst viel Zeit widmen.

Der Hirnforscher zieht sogar Parallelen zur Tabakindustrie vor einigen Jahrzehnten. Doch digitale Mediennutzung, die unsere Aufmerksamkeitsspanne so verkürzt hat, sei in ihrer heutigen Form nicht stigmatisiert. Bislang kann nur jeder selbst versuchen, hier gegenzuarbeiten - mit Reibung.

Sie lassen sich also ständig von Ihrem Smartphone ablenken. Wie fast alle greifen Sie praktisch intuitiv zu dem Gerät. Denn die kleinen roten Benachrichtigungssymbole sind perfekte Auslöseanreize.

Sie signalisieren, dass eine schnelle Belohnung wartet: Die nette Nachricht der Freundin und des charmanten Kollegen, ein kleiner Fetzen neuen Weltgeschehens, aktuelle Fußballergebnisse - wir lassen uns gerne immer wieder überraschen.

Benachrichtigungen lösen den Wunsch aus, nach dem Handy zu greifen.

Benachrichtigungen lösen den Wunsch aus, nach dem Handy zu greifen.

Foto: Fabian Sommer/dpa/dpa-tmn

Was tun? Wendy Wood schlägt hier vor, das Handy nicht auf dem Schreibtisch, sondern an einem anderen festen Ort der Wohnung zu deponieren - zum Beispiel in einer kleinen Schale neben der Haustür. Oder im Büro in der Schublade. Dort hört man das Handy zwar noch klingeln, aber es ist außer Griff- und Sichtweite.

„Immer dorthin zu laufen, wo Ihr Smartphone ist, erzeugt ein kleines bisschen Reibung, die Ihnen mehr Kontrolle über Ihre Handynutzung gibt“, sagt Wood. „Sie werden nicht aufhören, das Gerät zu benutzen - aber Sie werden vielleicht nicht mehr so oft danach greifen.“

Klingt simpel, ist aber effektiv.

4. Nicht zu viel planen, sondern einfach anfangen

Oft liegen wichtige Aufgaben wie ein riesiger Berg vor uns. Allein der Gedanke daran entmutigt uns, raubt die Kraft. Deshalb schieben wir die Aufgabe immer weiter auf.

Oder wir verwenden viel Zeit darauf, uns zu überlegen, wie wir die riesigen Herausforderungen meistern können - statt damit anzufangen.

James Clear empfiehlt hier die 2-Minuten-Regel.

Der Leitsatz besagt: „Wenn Sie mit einer neuen Gewohnheit beginnen wollen, sollte das nicht länger als zwei Minuten dauern.“ Es geht dabei darum, die große Aufgabe auf kleine Handlungen herunterzubrechen.

Wie funktioniert das konkret? Ein paar Beispiele:

  • „Drei Seiten schreiben“ wird zu „Die ersten drei Sätze schreiben“.
  • „Neue Kunden gewinnen“ wird zu „Einen potenziellen Kunden anrufen“.
  • „Eine Präsentation erstellen“ wird zu „Eine Folie basteln“.

James Clear nennt das „Gateway Habits“ - sozusagen Einstiegspunkte. „Die Handlungen, die aus ihnen folgen, können schwierig sein, aber die ersten zwei Minuten sollten einfach sein“, schreibt er.

Der Trick: Oft bemerken wir, dass wir danach einfach weiterarbeiten und uns die Arbeit gar nicht so schwerfällt.

Wenn wir uns eine neue Arbeitsweise angewöhnen, ist noch ein Grundsatz hilfreich: Es kommt am Anfang nicht auf Perfektion an - sondern auf Beharrlichkeit.

Clear sagt:erst standardisieren, dann optimieren.

Viel zu tun? Große Aufgaben sollten in kleine Handlungen zerlegt werden.

Viel zu tun? Große Aufgaben sollten in kleine Handlungen zerlegt werden.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Je einfacher und ritualisierter der Einstieg in eine Tätigkeit ist, umso größer die Chance, dass wir in einen Zustand fokussierten Arbeitens kommen.

Und wenn Sie nach kurzer Zeit die Energie verlässt?

Clears Antwort ist klar: „Es ist besser, weniger zu tun als erhofft, statt überhaupt nichts zu tun.“

5. Belohnen Sie sich sofort - nicht in der Zukunft

Viele Ziele im Beruf liegen weit in der Zukunft: Sie wollen zum Beispiel einen neuen Großkunden gewinnen. Oder ein neues Projekt an den Start bringen. Vielleicht wollen Sie auch einfach Ihre Arbeit gut machen, damit Ihre Chefin oder Ihr Vorgesetzter Sie irgendwann befördert. Alles gut und richtig.

Es gibt nur ein Problem: Solche abstrakten Belohnungen in der Zukunft motivieren uns selten zu unseren kleinen, ganz konkreten Aufgaben - jedenfalls wenn es sich dabei um regelmäßige Arbeitsroutinen handelt.

Die Gewohnheitsschleife besagt, dass wir etwas nur wiederholen, wenn wir dafür belohnt werden. Aber: „Wir suchen unmittelbare Befriedigung“, schreibt James Clear.

Anders formuliert: In den meisten Situationen wollen wir nicht unserem zukünftigen Idealbild einen Dienst erweisen, sondern unserem gegenwärtigen Ich etwas Gutes tun.

Das ist der Grund, warum wir uns so oft der Zerstreuung hingeben, statt an einer wichtigen Aufgabe zu arbeiten.

Fazit: Wenn wir eine wertvolle Routine wirklich konsequent durchziehen wollen, muss sie uns sofort belohnen - am besten noch während der Tätigkeit.

Erinnern wir uns an die Gewohnheit, die wichtigste Aufgabe des Tages zuerst zu erledigen. Hilft es, wenn wir uns danach mit einem großen Café Latte draußen in der Sonne belohnen?

Psychologin Wendy Wood ist hier skeptisch - weil der Kaffee eben erst nach der Handlung folgt. Besser sei es, ihn immer schon während der gewohnheitsmäßigen Aufgabe selbst zu trinken.

„Das Wichtige ist nicht, ob die Belohnung Teil der eigentlichen Aufgabe ist oder nicht“, erklärt Wood - ob der Kaffee also zur Arbeit selbst gehört. Es komme darauf an, dass sich die Belohnung während der Aufgabe einstellt. „Sie muss ein Teil des Erlebnisses sein. Etwas, mit dem wir uns besser fühlen.“

Am wirkungsvollsten sind hier natürlich starke intrinsische Belohnungen - also zum Beispiel Stolz, das Spüren von Sinnhaftigkeit oder das gute Gefühl, auf seinem persönlichen Weg ein gutes Stück voranzukommen.

Und wenn sich solche Gefühle bei Ihrer Arbeit einfach nicht einstellen? Dann ist es womöglich Zeit, den nächsten Ratschlag zu berücksichtigen.

Manchmal ist es Zeit für einen echten Umbruch

Wenn Sie das Gefühl haben, nicht aus ihren alten Routinen herauszukommen, dann ist es eventuell Zeit für einen radikalen Schritt: Suchen Sie sich einen ganz neuen Job in einer anderen Firma mit einer anderen Arbeitskultur.

Einer der effektivsten Wege, um neue Gewohnheit zu entwickeln, sei die Suche nach einem Arbeitsumfeld, wo das gewünschte Verhalten die Norm sei, schreibt James Clear - etwa eine gute Feedback-Kultur oder produktive Teamarbeit. Das ist manchmal nur durch Jobwechsel möglich.

Wendy Wood ist der Überzeugung, dass wir manchmal Unterbrechungen brauchen, um unser Leben neu zu sortieren.

„Wir haben plötzlich die Freiheit, neue Verhaltensweisen einzuüben, ohne dass uns fest verankerte Reize und eingeschliffene Reaktionen den Weg verbauen“, schreibt sie.

Tasse Kaffee gefällig? Schon eine kleine Belohnung ist eine gute Motivation.

Tasse Kaffee gefällig? Schon eine kleine Belohnung ist eine gute Motivation.

Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-tmn

Paradoxerweise sind es gerade unsere eigentlich so nützlichen Gewohnheiten, die einen Wunsch nach Aufbruch auslösen können. Der französische Philosoph Félix Ravaisson nannte es das „doppelte Gesetz der Gewohnheit“.

Verhaltensforscherin Wood erklärt es so: „Wiederholung stärkt unsere Tendenz, etwas zu tun, aber sie schwächt auch unser Gefühl für diese Handlung.“ Das kann uns die Kraft rauben und das Gefühl von Sinnhaftigkeit nehmen.

Wood ruft dazu auf, Unterbrechungen - zum Beispiel eine Kündigung - als Chance zu begreifen.

Denn: Sie zwingen uns zum Nachdenken darüber, wie wir unsere Gewohnheiten mit unseren Zielen in Übereinstimmung bringen.

Kurzum: Wir werden zu authentischeren Versionen unserer selbst.

© dpa-infocom, dpa:220318-99-571944/41

(dpa)
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