Psychologie Wie urlaubsreif sind Sie?

Berlin/Passau · Alle packen die Koffer, nur Sie nicht? Warum es auch für Sie wichtig ist, einfach mal alles hinter sich zu lassen, und woran Sie erkennen, ob Sie wirklich urlaubsreif sind, lesen Sie hier.

Alle packen die Koffer, nur Sie nicht? Warum es auch für Sie wichtig ist, einfach mal alles hinter sich zu lassen, und woran Sie erkennen, ob Sie wirklich urlaubsreif sind, lesen Sie hier.

Die Arbeit kann noch so erfüllend sein — irgendwann reicht es einfach und ein Urlaub muss her. Wer das nicht selbst registriert und dem Chef seinen Urlaubsschein auf den Tisch legt, der bekommt die Folgen zu spüren: Fast 22 Prozent der Erwerbstätigen sind laut der Maastricht Cohort Study von anhaltender Erschöpfung betroffen. Zu dem Ergebnis kamen die Forscher nach der Befragung von 12.000 Beschäftigten. Und die Zahl der dauerhaft Ermatteten steigt sogar.

Fragt sich warum, denn Urlaub sollte man doch gerne machen, oder? Schuld ist nach Einschätzung von Gerhard Blasche, Psychologe an der Universität Passau, unter anderem die ungenügende Wahrnehmung von Erschöpfung. Vor allem bei geistig fordernder und sozialer Arbeit nehmen viele gar nicht richtig wahr, wie es ihnen selbst geht.

Wer aber zu lange ohne Pausen oder ausreichende Erholungszeiten und Urlaub durchpowert, der verliert an Leistungsfähigkeit, Kreativität und Motivation. Im schlimmsten Falle schlägt es ihm sogar derbe auf die Gesundheit: Von Kopfschmerzen über Rückenleiden bis hin zu Herz-Kreislauferkrankungen, Depressionen und Burn-out ist die Liste der möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen lang.

Denn egal, wie zufriedenstellend und sinnfördernd die Arbeit auch ist, sie fordert uns jede Menge ab. "Besonders in einer Zeit von steigendem Zeit- und Termindruck", sagt Blasche. Mails vom Chef nach Feierabend gehören für viele ebenso zur Lebenswirklichkeit wie das Checken der ersten Instant-Messages auf dem Smartphone schon vor dem Frühstück. Das bringt den Menschen auf Dauer an den Rand der Belastbarkeit.

Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und Ressourcen

Eine Zeit lang geht das gut. Doch "sind die Anforderungen, die an jemanden gestellt werden und seine Ressourcen im Ungleichgewicht, führt das zu Stress", sagt Diplom-Psychologin Andrea Lohmann-Haislah. Sie hat den Stressreport 2012 verfasst und arbeitet bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). "Wenn die Stresssituationen zu lange andauern, kann das krank machen."

Einzige sinnvolle Vorbeugemaßnahme neben regelmäßigen Pausen, ausreichend langen Feierabenden und Erholungszeit am Wochenende, ist der Urlaub.

  1. Fehlerrate steigt
  2. "Aus Studien wissen wir, dass Ärzte und Pflegepersonal eine höhere Fehlerrate haben, je länger sie durchgearbeitet haben", sagt Lohmann-Haislah. Wer sich eine Auszeit nimmt, der füllt die Akkus wieder auf und wird produktiver.
  3. Unlust steigt
  4. "Es wird immer mühsamer, sich aufzuraffen, produktiv zu arbeiten. Die Motivation fehlt zusehends", sagt Blasche. In dieser Phase ist man ständig damit beschäftigt, seine Ermüdung zu kompensieren. Wer sich nach dem Feierabend in seiner Freizeit zu nichts mehr aufraffen kann, der hat laut dem Psychologen ein gewaltiges Erholungsdefizit und ist urlaubsreif.
  5. Mangelnde Kreativität macht sich breit
  6. Das macht jeden Job schwer: Es kommen keine neuen Ideen, man fühlt sich leer und tritt auf der Stelle. Eine Schaffenspause kann da für Abhilfe sorgen. Jessica de Bloom von der finnischen Universität Tampere untersuchte 46 Arbeitnehmer vor und nach ihrem Urlaub. Die Auszeit bewirkte wahre Wunder: Sie zeigten sich danach nicht nur kreativer, sondern auch im Denken flexibler. Auch waren ihre Ideen origineller. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Neurowissenschaftler David Strayer von der University of Utah. Er schickt dazu die Hälfte seiner Probanden für vier Tage in Ferien in die Berge, während die anderen am Computer weiterarbeiten mussten. Ergebnis: Die Urlauber schnitten bei anschließenden Kreativitätstests doppelt so gut ab.
  7. Anhaltende Erschöpfung
  8. "Menschen unter Dauerstress können auch in ihrer Freizeit häufig nicht mehr richtig abschalten und zur Ruhe kommen", sagt Lohmann-Haislah. "Paradoxer Weise führt angehäufte Erschöpfung zu Schlafstörungen", sagt Gerhard Blasche. Dauert dieser Zustand an, drohen körperliche oder psychische Krankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen oder eine Depression. Tipp des Urlaubsforschers: Überbuchen Sie Ihr Konto nicht. "Je höher die Belastung ist, desto länger brauche ich, um mich zu erholen. Bei einer Erschöpfungsdepression braucht es Monate, bis man sich regeneriert hat. Aus diesen Gesichtspunkten heraus ist es besser, regelmäßig kürzere Urlaube zu machen als einen langen", sagt der Passauer Psychologe.
  9. Ihre Laune hängt im Keller
  10. Überlastung zeigt sich psychisch, physisch und auch emotional. Nervosität und Reizbarkeit können nach Einschätzung der Stressexpertin aus dem BAuA ebenfalls Anzeichen von Dauerstress sein. Ein Urlaub kann die Lage wieder ins Gleichgewicht bringen und die Übellaunigkeit vertreiben.
  11. Das Unfallrisiko steigt
  12. "Nach acht Stunden Arbeit steigen das Unfallrisiko und die Verletzungsraten exponentiell an", sagt die Psychologin der BAuA. Nehmen Sie also auch kleine Unfälle nicht einfach hin, sondern hinterfragen Sie, warum sie passiert sind und ob Sie Urlaub brauchen.
(wat)