Psychologie Burnout — wie klappt der Wiedereinstieg in den Job?

Düsseldorf · Nach einem Burnout oder einer Depression zurück in den Job zu kommen, ist emotionale Schwerstarbeit. Wer eine solche Krise erlebt hat, ist nicht mehr der Alte. Oft machen sich Selbstzweifel und Ängste breit. Wie überwindet man die, und wie gelingt die Rückkehr in den Job?

Um ihre Tochter zu besuchen, fährt Irene Walser (Name von der Redaktion geändert) immer Umwege. Nicht etwa, weil sie die Route nicht kennen würde oder die Verkehrssituation das nötig machen würde. Sie schafft es psychisch nicht, den direkten Weg zu nehmen. Denn der führt an ihrem Arbeitsplatz vorbei.

Dort ist die 56-Jährige als Pflegedienstleiterin beschäftigt. Sie trägt Verantwortung für 60 Mitarbeiter und 200 Patienten. Seit einigen Monaten aber kann sie nicht mehr arbeiten. Sie hat Burnout. Nun sucht sie nach einem Klinikaufenthalt in einer ambulanten Reha-Einrichtung den Weg zurück ins Leben. Vielleicht auch zurück in den Job.

Wegen psychischer Krankheit im Job auf die Pausentaste drücken zu müssen, ist alles andere als selten. Zwischen 2000 und 2015 haben sich laut der Bundespsychotherapeutenkammer die Fehltage im Job auf 70 Millionen verdoppelt. Die Zahl anderer Krankheiten, die für einen Ausfall im Beruf gesorgt haben, ist hingegen gesunken.

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Foto: dpa-tmn

Um nach langer Krankheit — gleich ob körperlicher oder psychischer Ursache — die Rückkehr in den Beruf leichter zu gestalten, hat der Gesetzgeber vorgesorgt. Seit 2004 sind Arbeitgeber dazu angehalten, nach mindestens sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten.

Es gibt vor, dass der Arbeitgeber klären muss, wie ein Neuanfang im Unternehmen aussehen, und "mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden" kann. So steht es im Sozialgesetzbuch. Meist startet der Rückkehrer in einer stufenweisen Wiedereingliederung mit wenigen Stunden täglich und steigert mit der Zeit in Rücksprache mit dem Arbeitgeber die Belastung.

Doch während sich dieser Weg für Institutionen wie die Krankenversicherungen, Rentenanstalt oder auch Arbeitgeber klar auf dem Papier vorskizzieren und planen lässt, ist das für die Betroffenen und auch ihre Therapeuten nicht so einfach. Denn Burnout ist keine Grippe. Oft gehen Erschöpfungskrisen mit anderen psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen einher. Bei letzteren liegt die Rückfallquote zwischen 50 und 80 Prozent.

Zurück in den Job — ein Ziel in unendlicher Ferne

Zu einem Rückfall kommt es häufig, wenn der Zeitpunkt der Rückkehr falsch gewählt ist, sagt Ralf Stegmann, Sozialwissenschaftler und Experte für Wiedereingliederung an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Doch von der sind die Betroffenen in der akuten Erkrankungsphase noch weit entfernt. Manchmal unendlich weit, wie auch Irene Walser.

Ihr Therapieauftrag in der Rehaklinik: Für das gemeinsame Frühstück ein paar Teesorten einzukaufen. Sie kehrt unverrichteter Dinge in die Klinik zurück. Vollkommen überfordert. Die einstige Pflegedienstleiterin kann sich vor lauter Angst, die falsche Entscheidung für die Gruppe zu treffen, auf keinen Tee festlegen. Gefühlschaos. Beschämung. Resignation.

Zu solch frühem Zeitpunkt ist es für die Betroffenen meist gar nicht vorstellbar, jemals wieder in den Job zurückzukehren.

Signale vom Arbeitgeber helfen gegen die Angst

Erika Idel ist Leiterin des ambulanten Psychiatrischen Zentrums der Diakonie Bonn. Sie kennt die ersten, meist abwehrenden Reaktionen in der akuten Burnout-Phase. In einem solchen Moment kann das Hilfsangebot des Arbeitgebers sogar als Zumutung verstanden werden.

Was dennoch vielen Betroffenen bei der Angst vor der Rückkehr in den Job hilft, sind frühzeitige, vorsichtige Signale des Arbeitgebers wie: "Wir verstehen die Situation, lassen Sie sich Zeit", "Wir sind offen", "Sie können mitbestimmen". Davor liegt jedoch für die Betroffenen jede Menge Arbeit. Die kann Monate dauern.

84 Tage Resturlaub und 180 Überstunden hat Irene Walser angesammelt, bevor der Zusammenbruch kommt. Für Freizeit keine Zeit.

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Foto: Techniker Krankenkasse

Viele sehen in solchen Erfahrungen die Ursachen für den psychischen Zusammenbruch im Beruf. Aber: "Nicht zwangsläufig liegt sie objektiv gesehen dort. Manchmal tritt im Job durch Überlastung nur zu Tage, was eigentlich Lebensthema ist", sagt Erika Idel. Probleme mit dem Vorgesetzten können zurückzuführen sein auf unglückliche Eltern-Kind-Konstellationen, in denen man sich selbst so unterlegen fühlte wie nun gegenüber dem Vorgesetzten. Darum investieren Therapeuten in der Akutbehandlung viel Zeit in die Suche nach den persönlichen Ursachen.

Ambulante oder stationäre Rehabilitation?

Darauf folgt in der ambulanten Reha in Bonn ein arbeitstherapeutisches Angebot. Die Betroffenen erproben sich in der eigenen Schreinerei, im Bereich Garten- und Landschaftsbau, der Hauswirtschaft und in der Bürotherapie. Hier spüren die Therapeutenteams auf, wie sehr der einzelne bereit ist, sich zu verausgaben. Wer das packt, wird durch mehrere vierwöchige Praktika auf das neuerliche Berufsleben vorbereitet.

Ziel dabei: den Betroffenen schrittweise das Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und ihre Belastbarkeit zurückzugeben. Idel glaubt an dieses Konzept. Was es von stationären Rehas unterscheidet: Die Hilfesuchenden verbringen ihren Tag in der Therapieeinrichtung und kehren dann abends in ihr Umfeld zurück. Idel sieht das als Vorteil. Lösungsansätze würden parallel im Alltag erprobt. Bei einer stationären Behandlung haben viele nach Wochen im geschützten Umfeld ein Problem damit, neu erlernte Konzepte im Alltag umzusetzen, sagt sie.

Julia Scharnhorst, Psychologin und Expertin für betriebliches Wiedereingliederungsmanagement, nennt die Vorteile einer stationären Reha-Maßnahme: "Man kommt dort häufig schneller unter und hat mehr Abstand, bis man sich neu aufgestellt hat."

Auf der Suche nach dem eigenen Frühwarnsystem

Die Grundvoraussetzung für eine gelingende Wiedereingliederung sieht Scharnhorst in der Fähigkeit, sich selbst gegenüber achtsamer zu werden. Auch müssen die Symptome aufgespürt werden, die als Frühwarner den Burnout angekündigt haben, aber von den Betroffenen ignoriert wurden.

Die unausweichliche Frage in der Reha lautet: Kann ich mir vorstellen, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren? Neben dem Modell der Rückkehr über die Wiedereingliederung gibt es die Möglichkeit der Neuorientierung und Umschulung. Ein Drittel, so schätzen Experten, kehren in keinen Job zurück. Sie sind durch die Erkrankung arbeitsunfähig.

Raus aus den Selbstzweifeln

Nach einigen Monaten der Therapie beobachtet Irene Walser eine Veränderung: Sie fährt zum ersten Mal wieder den Weg, der sie an ihrem Arbeitsplatz vorbeiführt. Das ist ein großer Schritt nach vorne.

Am Ende der Therapie geht es auf die Zielgerade. Der erste Kontakt mit dem Arbeitgeber steht auf der Agenda. Die meisten kriegen selbst den nur mit Unterstützung hin. Denn nach einem Burnout schwingen viele Gefühle und Fragen mit, die nicht nur den Betroffenen, sondern auch Vorgesetzte oder Kollegen verunsichern können. Wird man den Alltag wieder meistern können? Schafft man es, Arbeiten abzulehnen, ohne sich als Versager zu fühlen oder als solcher gesehen zu werden? Was wissen die Kollegen über die Situation?

Hilfreich sind Strukturen, wie man sie in großen Unternehmen vorfindet. Dort begleiten Integrationsteams die Wiedereingliederung. In ihnen sitzen meist Personaler, die entsprechende Führungskraft, geschulte Mitarbeiter oder Betriebsärzte oder Schwerbehindertenvertreter. Sie sind auf die Situation geschult und wissen, was betrieblich möglich ist, um eine Wiedereingliederung auf den Weg zu bringen.

Schwieriger ist das in kleinen Unternehmen, in denen keine Vertrauenspersonen vorhanden sind, die die Rückkehr unterstützen können. Hier stößt man bei den Möglichkeiten einer Wiedereingliederung schnell an Grenzen — einer der Hauptgründe, die einen Wiedereinstieg zum Scheitern verurteilen.

(wat)
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