Wirklich hochbegabt? Was Intelligenz-Tests auf Facebook wirklich aussagen

Düsseldorf · „Drei Prozent schaffen es, diesen Test fehlerfrei zu beantworten.“ – Immer wieder tauchen in den sozialen Netzwerken Tests auf, die so auf sich aufmerksam machen. Was haben sie wirklich mit Intelligenz zu tun? Geben sie einen Hinweis auf Hochbegabung?

 In den sozialen Netzwerken kursieren viele Tests wie dieser. (Symbolbild)

In den sozialen Netzwerken kursieren viele Tests wie dieser. (Symbolbild)

Foto: facebook/mein-wahres-ich.de/RP

Kurz mal auf dem Weg zur Arbeit einen Test geschafft, den nicht mehr als drei Prozent der Teilnehmer fehlerfrei bewältigen? Das gibt ein gutes Gefühl. Möglichkeiten dazu bieten die sozialen Medien. Etwa auf Facebook werden den Nutzern immer wieder Quizze und Übungen angeboten, die auf eine übermäßig hohe Intelligenz schließen lassen sollen. Die Fragen sehen etwa so aus:

  • Wer gilt als Erfinder der Glühbirne?

a) Albert Einstein

b) Thomas Alva Edison,

c) Alexander Graham Bell

d) Charles Edison?

(Richtig wäre b)

  • Wie lange benötigt man für eine Strecke von 50 km, wenn man konstant 100km/h fährt?

a) 20 Minuten

b) 30 Minuten

c) 1 Stunde

d) 2 Stunden

(Richtig wäre b)

Die richtigen Antworten darauf zu finden, gibt einem das gute Gefühl, nicht ganz dumm zu sein. Doch reicht es auch für mehr? Können solche Tests wirklich einen Hinweis auf eine unentdeckte Hochbegabung geben? Nein, sagen die Experten. Diese Tests seien irreführend.

120 – an dieser Zahl macht sich fest, wer schlauer ist als der Durchschnitt. Menschen, die einen standardisierten Intelligenz-Test (IQ-Test) mit diesem IQ-Wert abschließen, gehören zu den zehn Prozent der Bevölkerung, die deutlich überdurchschnittliche Begabung im Bereich des kognitiven Leistungsvermögens aufweisen, sagt Ingmar Ahl, Vorstandsmitglied der Karg-Stiftung. Die Stiftung, setzt sich für die Förderung hochbegabter Kinder ein. Hochbegabte erreichen in solchen Tests mindestens einen IQ-Wert von 130. „Statistisch gesehen sind das zwei Prozent der Bevölkerung“, sagt Helga Wolter vom Psychologischen Institut am Niederrhein, das Mitglied im Expertenarbeitskreis Hochbegabte beim Bund deutscher Psychologen ist.

Wie man Hochbegabung wirklich ermittelt

Um allerdings wissenschaftlich fundiert zu solchen Aussagen über das Persönlichkeitsmerkmal Intelligenz zu kommen, sind komplexe Tests vonnöten, die verschiedenste Teilbereiche in den Blick nehmen. „Das räumliche Denken zählt dazu, das schlussfolgernde Denken, logisches Abstraktionsvermögen oder sprachliche Fähigkeiten, um nur einige zu nennen“, sagt Wolter. Diese Tests sind auf eine Dauer von ein bis zwei Stunden angelegt und dürfen ausschließlich von dafür ausgebildeten Psychologen durchgeführt werden.

Zum Ermitteln eines wissenschaftlich fundierten Testergebnisses, das Aussagen über die Höhe des IQ möglich macht, spielt neben der richtigen Beantwortung der Fragen auch die Geschwindigkeit, in der die Aufgaben bearbeitet wurden. Zudem werden in wissenschaftlich basierten IQ-Tests Daten wie Alter und Geschlecht erhoben, um die Ergebnisse mit denen ähnlicher Personen vergleichbar zu machen, sagt Andreas Niklas, Mitglied im Expertenkreis Hochbegabte beim Bund deutscher Psychologen.

Diese Merkmale machen deutlich, warum die Tests in den sozialen Netzwerken eine intelligente Pausenbeschäftigung sind, jedoch keine fundierte Aussage über den IQ einer Person zulassen. Allenfalls könnten sie nach Einschätzung der Experten einen Hinweis auf eine mögliche höhere Intelligenz in einem der Teilbereiche geben. „Andere Behauptungen sind unseriös“, sagt Wolter. Das gelte ebenfalls für Tests, die laut Ahl „in regelmäßigen Abständen in Heften deutscher Leitmedien veröffentlicht werden“.

Woran man Hochbegabung wirklich erkennt

Um deutlich zu machen, was einen normal intelligenten Menschen von einem Hochbegabten unterscheidet, erzählt Ahl von einem Einkauf mit einem Sechsjährigen. Am Auto verlud er gemeinsam mit dem Schulkind die Einkäufe. Alle Getränke und flüssigen Waren packte er in eine große Tüte, die Trockenprodukte in eine andere. „37,8 Kilogramm sind in dieser Tüte. 24,3 Liter in dieser“, sagt das Kind als sie damit fertig sind. Noch jetzt erinnert sich Ingmar Ahl an sein Erstaunen darüber, dass der Sechsjährige beiläufig die verschiedenen Mengen unterschiedlichster Waren im Kopf zusammengerechnet hatte.

Daran wird eines der herausstechenden Merkmale Hochbegabter deutlich: „Hochbegabung bringt Fähigkeiten mit sich, die im Vergleich zur Altersklasse auffallen“, sagt Niklas.

Die Heisenbergsche Unschärferelation zu kennen und eine Frage danach in einem Intelligenzspiel richtig zu beantworten, kann Zufall sein. „Nicht aber, wenn sich ein Zehnjähriger in der Grundschule für die Heisenbergsche Theorie interessiert“, sagt Ahl. Dennoch bleibt Hochbegabung häufig unentdeckt. Zwar habe die Sensibilität der Gesellschaft für das Thema nach Einschätzung der Experten zugenommen und damit auch die frühe Testung von Kindern. Dennoch gebe es zahlreiche Erwachsene, die nichts von ihrer Hochbegabung wissen. Unter zehn Testungen, die Niklas in seiner Praxis macht, ist ein Erwachsener.

Was Erwachsene dazu bringt, sich derart spät testen zu lassen: „Er ist im Alltag unzufrieden, spürt dass er andere Bedürfnisse und Interessen hat als andere und sucht einen sinngebenden Platz in der Gesellschaft“, sagt Niklas. Häufig seien die Betroffenen mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden, weil sie sich in Managementstrukturen nicht gerne unlogischen Verhaltensweisen unterordnen. Meist tun sie sich damit schwer, dass sie Systeme, die sie effektiver umgestalten könnten, aus mangelndem Verständnis oder wegen Vorgesetzten, die keine Veränderungen wollen, beibehalten müssen.

Ein anderer Grund: Sie stellen laut Niklas fest, dass die Kommunikation mit ihren Mitmenschen schwierig ist. Dazu gehört das Gefühl, aneinander vorbeizureden, Dinge logisch zu finden, die andere nicht verstehen. Solche Unzufriedenheit und gar bis zu Depressionen reichende Selbstzweifel können sich einstellen, wenn die Hochbegabung nicht zielgerichtet genutzt werden kann. „Viele Hochbegabte können ihre Begabung nicht in ein erfolgreiches Leben übersetzen“, sagt Ahl. Stellt sich die Frage:

Was sind Indizien für Hochbegabung bei Erwachsenen?

  • Hochbegabte können oftmals außergewöhnlich scharf beobachten. Sie sind sehr interessiert an neuen Dingen, sind geradezu Informationsjunkies.
  • Sie finden es laut Niklas reizvoll schnell, scharf und kreativ zu denken. Allerdings kann die Fähigkeit zu komplexen Denken im Alltag dazu führen, dass die Betroffenen im Alltag viele Details hinterfragen. Bei der Planung einer Urlaubsreise werden auf allen Portalen Preise, Unterkünfte, Reisedauer und viele Dinge mehr miteinander vergleichen. Beim Hausbau beschäftigt man sich mit der Solaranlage, der Heizung, der Dämmung und vielem mehr und verschafft sich in sehr kurzer Zeit einen Überblick über viele Details, um das Thema Hausbau auf allen Ebenen zu verstehen. „Das kann anstrengend werden und handlungsunfähig machen“, sagt Niklas.
  • Schnelles Reden kann auf Hochbegabung hindeuten. Oftmals haben die Betroffenen einen außergewöhnlich großen Wortschatz.
  • Meistens interessieren sie sich für psychologische oder auch philosophische Fragestellungen. Sie fragen gern nach dem Sinn, denken intensiv über politische Systeme und gesellschaftliche Probleme nach, sagt Niklas. Für die Gesellschaft kann das einen unschätzbaren Wert haben. Denn Hochbegabte, die einen Weg finden und die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten einzubringen, liefern laut Niklas unter anderem spannende Problemlösungen, geniale Produktideen, effektive Erfindungen und geistreiche Literatur.
  • Denn Hochbegabte sind deutlich schneller in der Lage, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen – sei es über inhaltliche Themen oder handwerkliche Fertigkeiten. Dennoch gehöre es zu den Mythen, dass Hochbegabte die Führungskräfte von morgen seien, sagt Wolter. Der Grund: Sie denken zwar komplexer als andere, sehen darum häufig Fehler, die andere machen, aber ihnen fehlt manchmal die Fähigkeit, andere mitreißen zu können. Dazu müssten sie kleinschrittig und einfach erklären können. „Nicht alle Hochbegabten werden Nobelpreisträger, aber viele Nobelpreisträger sind hochbegabt“, sagt Wolter. Die Kunst ist, das Potential zu erkennen und zu lernen richtig damit umzugehen.

Ebenfalls ins Reich der Mythen zählt die Annahme, dass Hochbegabung zu hervorragenden schulischen Leistung führe. Perfektionismus und nagende Selbstzweifel können dazu führen, dass Menschen trotz Hochbegabung Schwierigkeiten haben, neue Aufgaben zu verstehen oder erlernte Übungswege auf andere Aufgaben zu übertragen, sagt Diplom-Psychologe Niklas.

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