Sprechstunde Claudia Sies PC und Smartphone als Beziehungskiller

Viele Menschen kümmern sich oft um Handy oder Computer. Ihre echten Partner leiden darunter.

Unsere Leserin Simone B. (27) aus Kaarst schreibt: "Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Mein Freund benutzt sein Smartphone oft in meiner Gegenwart. Er will dann unserem Gespräch einfach schnell eine Information beisteuern, einen Filmtitel oder das Wetter. Er benutzt es aber auch, um gleichzeitig – wenn ich dabei bin – auch noch andere Kontakte zu pflegen, die ziemlich intim klingen. Inzwischen werde ich eifersüchtiger auf das Ding als auf andere Frauen."

Claudia Sies Tatsächlich bestätigen Umfragen heute diesen Trend. Für jeden vierten Deutschen unter 30 Jahren ist das Handy oder Smartphone ein größerer Grund zur Eifersucht als eine andere Frau oder ein anderer Mann. Im Theaterstück "Gott des Gemetzels" versenkt Ehefrau Annette das Handy in der Blumenvase mit dem Spruch: "Unser Leben wird zerhackt von diesem Handy." Inzwischen schauten sich über dreißig Millionen Menschen das You-Tube-Video an, in dem ein Mann lieber mit seinem Smartphone statt mit der Freundin kuschelt. Zwischen Single-Dasein und fester Partnerschaft gibt es eine neue Beziehungsform, die SMS-Beziehung (Short Message Service). Sie ist ein Flirt-Instrument, das dauernd gespielt wird. Wenn allerdings wichtige und entscheidende Beziehungs-Gespräche per SMS laufen, nimmt die echte Bindung ab. Auch dauerndes Checken des Smartphones lässt soziale Kontakte leiden, denn es unterbricht das aktuelle Gespräch. Die Menschen verlernen so auch die Distanz zu anderen oder gar das Alleinsein auszuhalten – die Sehnsucht verschwindet ganz. Inzwischen ist ein geläufiges Bild: Paare sitzen schweigend nebeneinander und kümmern sich um ihre Online- Gemeinde per Handy und Smartphone. Oder: In einer Freundesrunde greift einer in die Hosentasche – und alle anderen tun es bald auch; es ist ziemlich ansteckend. Dieses leichte und schnelle Unterbrechen und Schmälern der persönlichen Beziehungen kann sich auf das spätere Leben als Kontaktscheu auswirken. Jede Stockung oder leise Enttäuschung in einer Beziehung kann mit dem Smartphone abgewendet werden: raus aus dem ernsten, echten Kontakt rein in die Flucht des Geplänkels. Vor der Tür bleiben Hoffnung, Liebe, Ernsthaftigkeit und Glück, die durch Körper- und Beziehungslust Sexualität entstehen lassen. Gehirnforscher zeigen heute tatsächlich, dass ein ständiges Leben "online" nicht nur das Lernen und die Konzentration behindert, sondern auch das soziale Verhalten. Bei vielen Smartphone-Benutzern gehen die real-sozialen Kontakte gen Null, und sie haben fast nur noch digitale Freundschaften. Neuerdings gibt es jede Menge Internetforen, auf denen darüber diskutiert wird, ob und wann Smartphones schädlich für Beziehungen sein können. So sinkt bei Männern die Qualität der Beziehung, wenn SMS zum Einsatz kommen und wenn Beziehungsgespräche durch SMS unterbrochen werden. Neue Studien beschreiben auch, dass Frauen die Beziehung schlechter einschätzen, wenn SMS verwendet werden. Nun wollen wir nicht, wie es angeblich seit 4500 Jahren die Menschen tun, die technischen Errungenschaften verteufeln. Aber kritisch können wir trotzdem bleiben.

Claudia Sies ist Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytikerin in Neuss.

(RP)
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