USA Zwei Schwestern erhalten Lunge vom selben Spender

Houston · Sie sind sozusagen ein Herz und eine Seele. Jetzt teilen sie sich eine neue Lunge - und können das erste Mal seit Jahren wieder richtig durchatmen.

Sie stehen sich nahe, kennen sich gegenseitig fast in- und auswendig, lachen gern zusammen und kabbeln sich manchmal - so, wie es viele Schwestern tun. Aber jene leidenschaftliche Auseinandersetzung, die sie unlängst hatten, ist alles andere als üblich unter Geschwistern. Monatelang diskutierten die 71 Jahre alte Irma Myers-Santana und ihre jüngere Schwester, Anna Williamson (60), darüber, wer von ihnen dringender ein Lungentransplantat benötigt. Beide wollten, dass die jeweils andere Vorrang erhält.

Aber es kam dann ganz anders. Vor rund zwei Wochen wurden die Frauen in ein- und denselben Operationssaal gerollt, beide erhielten einen Lungenflügel - von ein- und demselben Spender. So etwas hatte es im Houston Methodist Hospital im US-Staat Texas vorher noch nie gegeben. "Es ist noch nie zuvor vorgekommen", sagte Dr. Scott Scheinin, der Myers-Santana ihren Lungenteil einpflanzte. "Wir haben zwar Transplantationen bei Geschwistern vorgenommen, aber immer Jahre auseinander."

Die Frauen erkrankten vor etwa zehn Jahren an idiopathischer Lungenfibrose. Das ist eine Vernarbung des Lungengewebes, die oft eine Transplantation erfordert und an der Scheinin zufolge jedes Jahr mehr Menschen sterben als an Brustkrebs.

Ärzte versuchen mit Unterstützung eines Computerprogrammes, die passenden Organspender für Patienten zu finden. Die Blutgruppe, Größe und der Ernst der Erkrankung sind dabei ausschlaggebend. Die Wahrscheinlichkeit, dass Myers-Santana und Williamson alle drei Kriterien zur selben Zeit erfüllen würden, sei klein gewesen, schildert Scheinin.

Kompliziert wurde die Situation zusätzliche dadurch, dass die Schwestern auf einer "blutlosen Transplantation" bestanden. Beide gehören den Zeugen Jehovas an, Bluttransfusionen sind gegen ihre Überzeugungen. Die Frauen leben in Kalifornien, aber das Houston Methodist Hospital ist die einzige Klinik in den USA, die Organverpflanzungen unter solchen Bedingungen vornimmt.

"Die Ironie der ganzen Sache ist, dass wir Schwestern und beide Zeugen Jehovas sind, dass wir die gleiche Blutgruppe haben und die Lungen vom selben Spender stammen", sagt Williamson mit Tränen in den Augen an der Seite ihrer Schwester im Krankenzimmer. "Es ist ein Wunder, dass alle diese Dinge auf einen Schlag zusammengekommen sind."

Auf jeden Fall ist es das erste Mal seit Jahren, dass sie einen Satz beenden kann, ohne zwischendurch husten zu müssen. So schlimm wurde die Krankheit, dass Williamson ständig an einen Sauerstoffbehälter angeschlossen sein musste. Dann, vor ungefähr einem Jahr, sagte ihr der Arzt, dass sie eine neue Lunge haben müsse. "Ich konnte nicht sprechen, ich konnte nicht lachen", erzählt Williamson.

Sie reiste dann mit ihrem Mann nach Houston. Nur wenige Monate später erhielt sie Gesellschaft durch ihre Schwester. Myers-Santanas Zustand hatte sich plötzlich so rapide verschlechtert, dass sie kaum mehr Luft bekam - und auch sie hoffte, dass sie eine geeignete Kandidatin für diese Art von Transplantation sein würde.

Das Warten begann. Ein paar Mal wurde der einen oder der anderen Schwester eine Organeinpflanzung angeboten, aber beide stritten dann darüber, wer es annehmen sollte. "Wenn wir das Transplantat nicht zu dem Zeitpunkt erhalten hätten, an dem wir es erhielten, dann wäre sie heute tot", sagt Williamson über ihre Schwester.

Myers-Santana stimmt dem zu, aber glaubte dennoch, dass Williamson den Vortritt haben müsse. "Ihr Husten hat mir in der Seele wehgetan", sagt sie. "Man ist so hilflos, wenn jemand so hustet. Es ist schwer, das mit anzusehen, und so hatte sich das Gefühl, dass sie es (das Transplantat) dringender brauchte als ich."

Jetzt, etwa zwei Wochen nach der Operation, hat Williamson den rechten Lungenflügel eines unbekannten Spenders und Myers-Santana den linken. Beide Frauen tragen Make-up, ihre Haare sind gestylt, und sie scherzen mit ihren Ärzten. Ihre Ehemänner und Kinder sind in der Nähe, bunte Luftballons mit der Aufschrift "Gute Besserung" schweben im Krankenzimmer. Die beiden Frauen können sich unterhalten und lachen, ohne einen Sauerstoffbehälter. Und sie können durchatmen.

(ap)
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